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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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Die Heere Asiens sind zu aller Zeit durch ungestümen Angriff,
durch erdrückende Massen und durch ihr wildes Umherschwärmen,
das selbst ihre Flucht gefährlich macht, ausgezeichnet gewesen. Dazu
kam, daß stets viele Tausend Griechen im Persischen Solde standen,
daß also Alexander wenigstens nicht ausschließlich auf Kämpfe gegen
Barbaren zu rechnen hatte, sondern auch Hellenische Bewaffnung,
Tapferkeit und Kriegskunst auf Seite der Feinde erwarten durfte;
endlich mußte dem natürlichen Zwecke der großen Unternehmung
gemäß die Beweglichkeit, welche die Offensive, die Stätigkeit, welche
die Occupation fordert, in der Zusammensetzung seines Heeres zu-
gleich berücksichtigt sein.

Die Macedonische Kriegsmacht bestand schon zu Philipps Zeit
aus dreißigtausend Mann Fußvolk und zweitausend bis dreitausend
Pferden; ungefähr die gleiche Truppenzahl hatte Alexander gegen
Theben geführt; bei seinem Aufbruch nach Asien ließ er zwölftau-
send Mann Fußvolk und funfzehnhundert Reuter unter Antipaters
Befehl in Macedonien zurück; ihre Stelle ersetzten achtzehnhun-
dert Thessalische Ritter, fünftausend Mann Griechische Söldner,
und die siebentausend Schwerbewaffneten, die von den Griechischen
Staaten gestellt waren; außerdem folgten ihm fünftausend Tribal-
ler, Odryser, Illyrier u. s. w., und tausend bis zweitausend Bo-
genschützen und Agrianer als leichtes Fußvolk, sechshundert Mann
Griechischer, neunhundert Mann Thracischer und Päonischer Reuterei;
die Gesammtzahl seiner Truppen belief sich demnach auf nicht viel
mehr als dreißigtausend Mann Fußvolk und etwas über fünftausend
Pferde. So, mit geringen Abweichungen, wie sie der Verlauf der
Geschichte an die Hand giebt, die Angaben Diodors. Der Lagide
Ptolemäus hatte in seinen Denkwürdigkeiten dieselben Zahlen; nach
ihm wiederholt sie Arrian. Wenn Anaximenes vierunddreißigtausend
Mann zu Fuß und fünftausendfünfhundert Pferde zählt, so rechnet er
vielleicht das Corps, das schon von Philipp nach Asien voraus-
gesandt war, mit hinzu. Kallisthenes Angabe auf vierzigtausend
Mann Fußvolk, ist offenbar zu groß.

Die Gesammtmassen des Fußvolkes und der Reuterei waren
nicht nach Art der Legionen oder Brigaden, sondern nach der Waffe
in Massen und zum Theil nach Landsmannschaften getheilt; gerade
die Vorzüge des Macedonischen Heeres bedingten diese nach den

Die Heere Aſiens ſind zu aller Zeit durch ungeſtümen Angriff,
durch erdrückende Maſſen und durch ihr wildes Umherſchwärmen,
das ſelbſt ihre Flucht gefährlich macht, ausgezeichnet geweſen. Dazu
kam, daß ſtets viele Tauſend Griechen im Perſiſchen Solde ſtanden,
daß alſo Alexander wenigſtens nicht ausſchließlich auf Kämpfe gegen
Barbaren zu rechnen hatte, ſondern auch Helleniſche Bewaffnung,
Tapferkeit und Kriegskunſt auf Seite der Feinde erwarten durfte;
endlich mußte dem natürlichen Zwecke der großen Unternehmung
gemäß die Beweglichkeit, welche die Offenſive, die Stätigkeit, welche
die Occupation fordert, in der Zuſammenſetzung ſeines Heeres zu-
gleich berückſichtigt ſein.

Die Macedoniſche Kriegsmacht beſtand ſchon zu Philipps Zeit
aus dreißigtauſend Mann Fußvolk und zweitauſend bis dreitauſend
Pferden; ungefähr die gleiche Truppenzahl hatte Alexander gegen
Theben geführt; bei ſeinem Aufbruch nach Aſien ließ er zwölftau-
ſend Mann Fußvolk und funfzehnhundert Reuter unter Antipaters
Befehl in Macedonien zurück; ihre Stelle erſetzten achtzehnhun-
dert Theſſaliſche Ritter, fünftauſend Mann Griechiſche Söldner,
und die ſiebentauſend Schwerbewaffneten, die von den Griechiſchen
Staaten geſtellt waren; außerdem folgten ihm fünftauſend Tribal-
ler, Odryſer, Illyrier u. ſ. w., und tauſend bis zweitauſend Bo-
genſchützen und Agrianer als leichtes Fußvolk, ſechshundert Mann
Griechiſcher, neunhundert Mann Thraciſcher und Päoniſcher Reuterei;
die Geſammtzahl ſeiner Truppen belief ſich demnach auf nicht viel
mehr als dreißigtauſend Mann Fußvolk und etwas über fünftauſend
Pferde. So, mit geringen Abweichungen, wie ſie der Verlauf der
Geſchichte an die Hand giebt, die Angaben Diodors. Der Lagide
Ptolemäus hatte in ſeinen Denkwürdigkeiten dieſelben Zahlen; nach
ihm wiederholt ſie Arrian. Wenn Anaximenes vierunddreißigtauſend
Mann zu Fuß und fünftauſendfünfhundert Pferde zählt, ſo rechnet er
vielleicht das Corps, das ſchon von Philipp nach Aſien voraus-
geſandt war, mit hinzu. Kalliſthenes Angabe auf vierzigtauſend
Mann Fußvolk, iſt offenbar zu groß.

Die Geſammtmaſſen des Fußvolkes und der Reuterei waren
nicht nach Art der Legionen oder Brigaden, ſondern nach der Waffe
in Maſſen und zum Theil nach Landsmannſchaften getheilt; gerade
die Vorzüge des Macedoniſchen Heeres bedingten dieſe nach den

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[94/0108] Die Heere Aſiens ſind zu aller Zeit durch ungeſtümen Angriff, durch erdrückende Maſſen und durch ihr wildes Umherſchwärmen, das ſelbſt ihre Flucht gefährlich macht, ausgezeichnet geweſen. Dazu kam, daß ſtets viele Tauſend Griechen im Perſiſchen Solde ſtanden, daß alſo Alexander wenigſtens nicht ausſchließlich auf Kämpfe gegen Barbaren zu rechnen hatte, ſondern auch Helleniſche Bewaffnung, Tapferkeit und Kriegskunſt auf Seite der Feinde erwarten durfte; endlich mußte dem natürlichen Zwecke der großen Unternehmung gemäß die Beweglichkeit, welche die Offenſive, die Stätigkeit, welche die Occupation fordert, in der Zuſammenſetzung ſeines Heeres zu- gleich berückſichtigt ſein. Die Macedoniſche Kriegsmacht beſtand ſchon zu Philipps Zeit aus dreißigtauſend Mann Fußvolk und zweitauſend bis dreitauſend Pferden; ungefähr die gleiche Truppenzahl hatte Alexander gegen Theben geführt; bei ſeinem Aufbruch nach Aſien ließ er zwölftau- ſend Mann Fußvolk und funfzehnhundert Reuter unter Antipaters Befehl in Macedonien zurück; ihre Stelle erſetzten achtzehnhun- dert Theſſaliſche Ritter, fünftauſend Mann Griechiſche Söldner, und die ſiebentauſend Schwerbewaffneten, die von den Griechiſchen Staaten geſtellt waren; außerdem folgten ihm fünftauſend Tribal- ler, Odryſer, Illyrier u. ſ. w., und tauſend bis zweitauſend Bo- genſchützen und Agrianer als leichtes Fußvolk, ſechshundert Mann Griechiſcher, neunhundert Mann Thraciſcher und Päoniſcher Reuterei; die Geſammtzahl ſeiner Truppen belief ſich demnach auf nicht viel mehr als dreißigtauſend Mann Fußvolk und etwas über fünftauſend Pferde. So, mit geringen Abweichungen, wie ſie der Verlauf der Geſchichte an die Hand giebt, die Angaben Diodors. Der Lagide Ptolemäus hatte in ſeinen Denkwürdigkeiten dieſelben Zahlen; nach ihm wiederholt ſie Arrian. Wenn Anaximenes vierunddreißigtauſend Mann zu Fuß und fünftauſendfünfhundert Pferde zählt, ſo rechnet er vielleicht das Corps, das ſchon von Philipp nach Aſien voraus- geſandt war, mit hinzu. Kalliſthenes Angabe auf vierzigtauſend Mann Fußvolk, iſt offenbar zu groß. Die Geſammtmaſſen des Fußvolkes und der Reuterei waren nicht nach Art der Legionen oder Brigaden, ſondern nach der Waffe in Maſſen und zum Theil nach Landsmannſchaften getheilt; gerade die Vorzüge des Macedoniſchen Heeres bedingten dieſe nach den

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/108>, abgerufen am 28.03.2024.