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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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wenigstens hatten in den Griechischen Heeren vor ihm die leichten
Truppen weder durch ihre Anzahl, noch durch ihre Anwendung
große Bedeutung erlangen, auch einer gewissen Geringschätzung nicht
frei werden können, die bei der Neigung der Griechen zum Kampf
mit blanker Waffe, und noch mehr wegen des Umstandes, daß ihr
leichtes Fußvolk theils aus der Hefe des Volkes, theils aus Bar-
barischen Söldnern bestand, natürlich war; jetzt traten leichte Trup-
pen auf, deren nationale Eigenthümlichkeit sich gerade in dieser
Kampfweise bewährte, und deren Stärke und Ruhm in jener Kunst
heimlicher Ueberfälle, lärmender Angriffe, scheinbar verwirrter Rück-
züge bestand, die Griechischen Kriegern zweideutig und zwecklos er-
schien. Der berühmte Spartanische Feldherr Brasidas selbst ge-
stand, daß der Angriff dieser Völkerschaften, mit ihrem wildschallen-
den Feldgeschrei und dem drohenden Schwenken ihrer Waffen et-
was Schreckendes, ihr willkührliches Ueberspringen aus Angriff in
Flucht, aus Unordnung in Verfolgung etwas Furchtbares habe, da-
vor nur die strenge Ordnung eines Hellenischen Kriegshaufens zu
sichern vermöchte. In der That konnten diese Schaaren ihren
Zweck vollkommen erfüllen, weil sie, von Natur leichte Truppen,
mit den geschlossenen Massen des Heeres combinirt, zu nichts wei-
ter, als was ihrer Natur entsprach, verwendet zu werden brauchten.

Ein ähnliches Verhältniß war das der leichten Reuterei
im Macedonischen Heere; sie bestand besonders aus Odrysern, Thra-
ciern und Päoniern, Völkerschaften, deren Tüchtigkeit im Reuter-
dienst seit den ältesten Zeiten berühmt gewesen ist. Sie waren zu-
sammen, nach Diodors vielleicht zu geringer Angabe, neunhundert
Pferde stark; wenn derselbe angiebt, daß sie ein Corps unter Kas-
sanders Führung ausgemacht hätten, so ist das ein Irrthum; viel-
mehr standen die Päonier unter Aristons, die Odrysischen Thracier
unter Agathons, die vier Ilen Thracischer Plänkerer oder Sarisso-
phoren unter Protomachus Führung 12).

12) Viele Schriftsteller rühmen die Waffe der Dimachai (ähnlich den
früheren Dragonern), die von Alexander erfunden sein soll; das We-
sentliche der Sache scheint darauf hinauszulaufen, daß Alexander zu
rascherer Verfolgung bisweilen Schwerbewaffnete aufsitzen ließ; s. Arrian.
III. 4. cf. Freinsh. ad Curt. V. 13. 8.

wenigſtens hatten in den Griechiſchen Heeren vor ihm die leichten
Truppen weder durch ihre Anzahl, noch durch ihre Anwendung
große Bedeutung erlangen, auch einer gewiſſen Geringſchätzung nicht
frei werden können, die bei der Neigung der Griechen zum Kampf
mit blanker Waffe, und noch mehr wegen des Umſtandes, daß ihr
leichtes Fußvolk theils aus der Hefe des Volkes, theils aus Bar-
bariſchen Söldnern beſtand, natürlich war; jetzt traten leichte Trup-
pen auf, deren nationale Eigenthümlichkeit ſich gerade in dieſer
Kampfweiſe bewährte, und deren Stärke und Ruhm in jener Kunſt
heimlicher Ueberfälle, lärmender Angriffe, ſcheinbar verwirrter Rück-
züge beſtand, die Griechiſchen Kriegern zweideutig und zwecklos er-
ſchien. Der berühmte Spartaniſche Feldherr Braſidas ſelbſt ge-
ſtand, daß der Angriff dieſer Völkerſchaften, mit ihrem wildſchallen-
den Feldgeſchrei und dem drohenden Schwenken ihrer Waffen et-
was Schreckendes, ihr willkührliches Ueberſpringen aus Angriff in
Flucht, aus Unordnung in Verfolgung etwas Furchtbares habe, da-
vor nur die ſtrenge Ordnung eines Helleniſchen Kriegshaufens zu
ſichern vermöchte. In der That konnten dieſe Schaaren ihren
Zweck vollkommen erfüllen, weil ſie, von Natur leichte Truppen,
mit den geſchloſſenen Maſſen des Heeres combinirt, zu nichts wei-
ter, als was ihrer Natur entſprach, verwendet zu werden brauchten.

Ein ähnliches Verhältniß war das der leichten Reuterei
im Macedoniſchen Heere; ſie beſtand beſonders aus Odryſern, Thra-
ciern und Päoniern, Völkerſchaften, deren Tüchtigkeit im Reuter-
dienſt ſeit den älteſten Zeiten berühmt geweſen iſt. Sie waren zu-
ſammen, nach Diodors vielleicht zu geringer Angabe, neunhundert
Pferde ſtark; wenn derſelbe angiebt, daß ſie ein Corps unter Kaſ-
ſanders Führung ausgemacht hätten, ſo iſt das ein Irrthum; viel-
mehr ſtanden die Päonier unter Ariſtons, die Odryſiſchen Thracier
unter Agathons, die vier Ilen Thraciſcher Plänkerer oder Sariſſo-
phoren unter Protomachus Führung 12).

12) Viele Schriftſteller rühmen die Waffe der Dimachai (ähnlich den
früheren Dragonern), die von Alexander erfunden ſein ſoll; das We-
ſentliche der Sache ſcheint darauf hinauszulaufen, daß Alexander zu
raſcherer Verfolgung bisweilen Schwerbewaffnete aufſitzen ließ; ſ. Arrian.
III. 4. cf. Freinsh. ad Curt. V. 13. 8.
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[100/0114] wenigſtens hatten in den Griechiſchen Heeren vor ihm die leichten Truppen weder durch ihre Anzahl, noch durch ihre Anwendung große Bedeutung erlangen, auch einer gewiſſen Geringſchätzung nicht frei werden können, die bei der Neigung der Griechen zum Kampf mit blanker Waffe, und noch mehr wegen des Umſtandes, daß ihr leichtes Fußvolk theils aus der Hefe des Volkes, theils aus Bar- bariſchen Söldnern beſtand, natürlich war; jetzt traten leichte Trup- pen auf, deren nationale Eigenthümlichkeit ſich gerade in dieſer Kampfweiſe bewährte, und deren Stärke und Ruhm in jener Kunſt heimlicher Ueberfälle, lärmender Angriffe, ſcheinbar verwirrter Rück- züge beſtand, die Griechiſchen Kriegern zweideutig und zwecklos er- ſchien. Der berühmte Spartaniſche Feldherr Braſidas ſelbſt ge- ſtand, daß der Angriff dieſer Völkerſchaften, mit ihrem wildſchallen- den Feldgeſchrei und dem drohenden Schwenken ihrer Waffen et- was Schreckendes, ihr willkührliches Ueberſpringen aus Angriff in Flucht, aus Unordnung in Verfolgung etwas Furchtbares habe, da- vor nur die ſtrenge Ordnung eines Helleniſchen Kriegshaufens zu ſichern vermöchte. In der That konnten dieſe Schaaren ihren Zweck vollkommen erfüllen, weil ſie, von Natur leichte Truppen, mit den geſchloſſenen Maſſen des Heeres combinirt, zu nichts wei- ter, als was ihrer Natur entſprach, verwendet zu werden brauchten. Ein ähnliches Verhältniß war das der leichten Reuterei im Macedoniſchen Heere; ſie beſtand beſonders aus Odryſern, Thra- ciern und Päoniern, Völkerſchaften, deren Tüchtigkeit im Reuter- dienſt ſeit den älteſten Zeiten berühmt geweſen iſt. Sie waren zu- ſammen, nach Diodors vielleicht zu geringer Angabe, neunhundert Pferde ſtark; wenn derſelbe angiebt, daß ſie ein Corps unter Kaſ- ſanders Führung ausgemacht hätten, ſo iſt das ein Irrthum; viel- mehr ſtanden die Päonier unter Ariſtons, die Odryſiſchen Thracier unter Agathons, die vier Ilen Thraciſcher Plänkerer oder Sariſſo- phoren unter Protomachus Führung 12). 12) Viele Schriftſteller rühmen die Waffe der Dimachai (ähnlich den früheren Dragonern), die von Alexander erfunden ſein ſoll; das We- ſentliche der Sache ſcheint darauf hinauszulaufen, daß Alexander zu raſcherer Verfolgung bisweilen Schwerbewaffnete aufſitzen ließ; ſ. Arrian. III. 4. cf. Freinsh. ad Curt. V. 13. 8.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/114>, abgerufen am 28.03.2024.