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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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errathen. Sofort ordnete der König sein Heer, und rückte zur
Schlacht fertig vor. Bald kam ein neuer Bote herangesprengt: man
könne die Zahl der Feinde auf ungefähr tausend Pferde schätzen.
Da nahm Alexander das königliche und ein anderes Geschwader
der Getreuen und von den Plänkerern die Päonier, und eilte mit
diesen, indem er dem übrigen Heere langsam nachzurücken befahl,
dem Feinde entgegen. Sobald die Perser ihn heransprengen sahen, jag-
ten sie mit verhängtem Zügel davon; Alexander setzte ihnen hitzig nach;
die meisten entkamen, manche stürzten, sie wurden niedergehauen,
einige gefangen 24). Vor Alexander gebracht, sagten sie aus, daß
Darius etwa drei Meilen südwärts bei Gaugamela an dem Flusse
Bumodus, in einer nach allen Seiten hin offenen Gegend stehe,
daß sein Heer sich wohl auf eine Million Menschen und mehr als
vierzigtausend Pferde belaufe, daß sie selbst unter Mazäus auf
Kundschaft gesendet gewesen seien 25). Sofort machte Alexan-
der Halt; ein Lager wurde aufgeschlagen und sorgfältig verschanzt;
in der Nähe einer so ungeheueren Uebermacht war die größte Vor-
sicht Noth; vier Tage Rast, die den Truppen gegönnt wurde, reich-
ten hin, alles zur entscheidenden Schlacht vorzubereiten; da sich weiter

24) Curtius und Diobor fügen noch eine Menge Einzelnheiten
hinzu, namentlich daß die fliehenden Reuter wie Kosacken die Dör-
fer verbrannt hätten (cf. Polyaen. IV. 3. 18.); nur Schade, daß sie
mit der Lage des Euphrat und Tigris nicht recht im Reinen sind.
Trotz St. Croix's Eifer ist Arrian selbst in der Chronologie der ein-
zige zuverlässige Führer.
25) Diese Zahlenangaben, obschon von
Arrian überliefert, sind eben so wenig für genau zu halten, wie die
der anderen Schriftsteller; da Darius Heer dem Heere Alexanders
gegenüber unverhältnißmäßig groß war, so genügt es, sich eine
ungeheuere Menschenmenge vorzustellen. Die Angaben Arrians
über Alexanders Heer (vierzigtausend Mann Fußvolk, siebentausend
Reuter) sind von Guichard und St. Croix ohne allen Grund verdäch-
tigt worden. Dagegen rechnet Arrian offenbar fehlerhaft die Entfer-
nung von Arbela bis zum Bumodus (dem kleinen Fluß Chaser, der
sich auf der rechten Seite in den großen Zab ergießt, auf sechshun-
dert Stadien (zwölf Meilen), da nach Niebuhr und Anderen von
Erbile (Kinneir Persia p. 152) bis zum Zab vier und eine halbe
Meile, vom Zab bis zum Chaser kaum anderthalb Meilen ist.

errathen. Sofort ordnete der König ſein Heer, und rückte zur
Schlacht fertig vor. Bald kam ein neuer Bote herangeſprengt: man
könne die Zahl der Feinde auf ungefähr tauſend Pferde ſchätzen.
Da nahm Alexander das königliche und ein anderes Geſchwader
der Getreuen und von den Plänkerern die Päonier, und eilte mit
dieſen, indem er dem übrigen Heere langſam nachzurücken befahl,
dem Feinde entgegen. Sobald die Perſer ihn heranſprengen ſahen, jag-
ten ſie mit verhängtem Zügel davon; Alexander ſetzte ihnen hitzig nach;
die meiſten entkamen, manche ſtürzten, ſie wurden niedergehauen,
einige gefangen 24). Vor Alexander gebracht, ſagten ſie aus, daß
Darius etwa drei Meilen ſüdwärts bei Gaugamela an dem Fluſſe
Bumodus, in einer nach allen Seiten hin offenen Gegend ſtehe,
daß ſein Heer ſich wohl auf eine Million Menſchen und mehr als
vierzigtauſend Pferde belaufe, daß ſie ſelbſt unter Mazäus auf
Kundſchaft geſendet geweſen ſeien 25). Sofort machte Alexan-
der Halt; ein Lager wurde aufgeſchlagen und ſorgfältig verſchanzt;
in der Nähe einer ſo ungeheueren Uebermacht war die größte Vor-
ſicht Noth; vier Tage Raſt, die den Truppen gegönnt wurde, reich-
ten hin, alles zur entſcheidenden Schlacht vorzubereiten; da ſich weiter

24) Curtius und Diobor fügen noch eine Menge Einzelnheiten
hinzu, namentlich daß die fliehenden Reuter wie Koſacken die Dör-
fer verbrannt hätten (cf. Polyaen. IV. 3. 18.); nur Schade, daß ſie
mit der Lage des Euphrat und Tigris nicht recht im Reinen ſind.
Trotz St. Croix’s Eifer iſt Arrian ſelbſt in der Chronologie der ein-
zige zuverläſſige Führer.
25) Dieſe Zahlenangaben, obſchon von
Arrian überliefert, ſind eben ſo wenig für genau zu halten, wie die
der anderen Schriftſteller; da Darius Heer dem Heere Alexanders
gegenüber unverhältnißmäßig groß war, ſo genügt es, ſich eine
ungeheuere Menſchenmenge vorzuſtellen. Die Angaben Arrians
über Alexanders Heer (vierzigtauſend Mann Fußvolk, ſiebentauſend
Reuter) ſind von Guichard und St. Croix ohne allen Grund verdäch-
tigt worden. Dagegen rechnet Arrian offenbar fehlerhaft die Entfer-
nung von Arbela bis zum Bumodus (dem kleinen Fluß Chaſer, der
ſich auf der rechten Seite in den großen Zab ergießt, auf ſechshun-
dert Stadien (zwölf Meilen), da nach Niebuhr und Anderen von
Erbile (Kinneir Persia p. 152) bis zum Zab vier und eine halbe
Meile, vom Zab bis zum Chaſer kaum anderthalb Meilen iſt.
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[221/0235] errathen. Sofort ordnete der König ſein Heer, und rückte zur Schlacht fertig vor. Bald kam ein neuer Bote herangeſprengt: man könne die Zahl der Feinde auf ungefähr tauſend Pferde ſchätzen. Da nahm Alexander das königliche und ein anderes Geſchwader der Getreuen und von den Plänkerern die Päonier, und eilte mit dieſen, indem er dem übrigen Heere langſam nachzurücken befahl, dem Feinde entgegen. Sobald die Perſer ihn heranſprengen ſahen, jag- ten ſie mit verhängtem Zügel davon; Alexander ſetzte ihnen hitzig nach; die meiſten entkamen, manche ſtürzten, ſie wurden niedergehauen, einige gefangen 24). Vor Alexander gebracht, ſagten ſie aus, daß Darius etwa drei Meilen ſüdwärts bei Gaugamela an dem Fluſſe Bumodus, in einer nach allen Seiten hin offenen Gegend ſtehe, daß ſein Heer ſich wohl auf eine Million Menſchen und mehr als vierzigtauſend Pferde belaufe, daß ſie ſelbſt unter Mazäus auf Kundſchaft geſendet geweſen ſeien 25). Sofort machte Alexan- der Halt; ein Lager wurde aufgeſchlagen und ſorgfältig verſchanzt; in der Nähe einer ſo ungeheueren Uebermacht war die größte Vor- ſicht Noth; vier Tage Raſt, die den Truppen gegönnt wurde, reich- ten hin, alles zur entſcheidenden Schlacht vorzubereiten; da ſich weiter 24) Curtius und Diobor fügen noch eine Menge Einzelnheiten hinzu, namentlich daß die fliehenden Reuter wie Koſacken die Dör- fer verbrannt hätten (cf. Polyaen. IV. 3. 18.); nur Schade, daß ſie mit der Lage des Euphrat und Tigris nicht recht im Reinen ſind. Trotz St. Croix’s Eifer iſt Arrian ſelbſt in der Chronologie der ein- zige zuverläſſige Führer. 25) Dieſe Zahlenangaben, obſchon von Arrian überliefert, ſind eben ſo wenig für genau zu halten, wie die der anderen Schriftſteller; da Darius Heer dem Heere Alexanders gegenüber unverhältnißmäßig groß war, ſo genügt es, ſich eine ungeheuere Menſchenmenge vorzuſtellen. Die Angaben Arrians über Alexanders Heer (vierzigtauſend Mann Fußvolk, ſiebentauſend Reuter) ſind von Guichard und St. Croix ohne allen Grund verdäch- tigt worden. Dagegen rechnet Arrian offenbar fehlerhaft die Entfer- nung von Arbela bis zum Bumodus (dem kleinen Fluß Chaſer, der ſich auf der rechten Seite in den großen Zab ergießt, auf ſechshun- dert Stadien (zwölf Meilen), da nach Niebuhr und Anderen von Erbile (Kinneir Persia p. 152) bis zum Zab vier und eine halbe Meile, vom Zab bis zum Chaſer kaum anderthalb Meilen iſt.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/235>, abgerufen am 28.03.2024.