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Droysen, Johann Gustav: Grundriss der Historik. Leipzig, 1868.

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Einleitung.

I. Die Geschichte.
§. 1.

Natur und Geschichte sind die weitesten Begriffe, unter denen
der menschliche Geist die Welt der Erscheinungen begreift. Und er
fasst sie so den ihm typischen Anschauungen Raum und Zeit gemäss.

Nicht objectiv scheiden sich die Erscheinungen nach Raum und
Zeit; unsre Auffassung unterscheidet sie, je nachdem die Erschei-
nungen sich mehr dem Raum nach, mehr der Zeit nach zu verhalten
scheinen.

Bestimmtheit und Inhalt gewinnen die Begriffe Natur und Ge-
schichte in dem Maasse, als das Nebeneinander des Seienden, das Nach-
einander des Gewordenen wahrgenommen, erforscht, erkannt wird.

§. 2.

Die rastlose Bewegung in der Welt der Erscheinungen lässt
uns die Dinge als im steten Werden auffassen, mag das Werden der
Einen sich periodisch zu wiederholen, das der Andern sich in der
Wiederholung summirend in rastloser Steigerung zu wachsen scheinen
(ep oosis eis auto Arist. de anim. II. 5. 7.)

In denjenigen Erscheinungen, in welchen sich uns ein solches Fort-
schreiten zeigt, gilt uns das Nacheinander, das Moment der Zeit als
das Maassgebende. Sie fassen wir auf und zusammen als Geschichte.

Einleitung.

I. Die Geschichte.
§. 1.

Natur und Geschichte sind die weitesten Begriffe, unter denen
der menschliche Geist die Welt der Erscheinungen begreift. Und er
fasst sie so den ihm typischen Anschauungen Raum und Zeit gemäss.

Nicht objectiv scheiden sich die Erscheinungen nach Raum und
Zeit; unsre Auffassung unterscheidet sie, je nachdem die Erschei-
nungen sich mehr dem Raum nach, mehr der Zeit nach zu verhalten
scheinen.

Bestimmtheit und Inhalt gewinnen die Begriffe Natur und Ge-
schichte in dem Maasse, als das Nebeneinander des Seienden, das Nach-
einander des Gewordenen wahrgenommen, erforscht, erkannt wird.

§. 2.

Die rastlose Bewegung in der Welt der Erscheinungen lässt
uns die Dinge als im steten Werden auffassen, mag das Werden der
Einen sich periodisch zu wiederholen, das der Andern sich in der
Wiederholung summirend in rastloser Steigerung zu wachsen scheinen
(ἐπ ὸοσις εἰς αὑτὸ Arist. de anim. II. 5. 7.)

In denjenigen Erscheinungen, in welchen sich uns ein solches Fort-
schreiten zeigt, gilt uns das Nacheinander, das Moment der Zeit als
das Maassgebende. Sie fassen wir auf und zusammen als Geschichte.

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[[7]/0016] Einleitung. I. Die Geschichte. §. 1. Natur und Geschichte sind die weitesten Begriffe, unter denen der menschliche Geist die Welt der Erscheinungen begreift. Und er fasst sie so den ihm typischen Anschauungen Raum und Zeit gemäss. Nicht objectiv scheiden sich die Erscheinungen nach Raum und Zeit; unsre Auffassung unterscheidet sie, je nachdem die Erschei- nungen sich mehr dem Raum nach, mehr der Zeit nach zu verhalten scheinen. Bestimmtheit und Inhalt gewinnen die Begriffe Natur und Ge- schichte in dem Maasse, als das Nebeneinander des Seienden, das Nach- einander des Gewordenen wahrgenommen, erforscht, erkannt wird. §. 2. Die rastlose Bewegung in der Welt der Erscheinungen lässt uns die Dinge als im steten Werden auffassen, mag das Werden der Einen sich periodisch zu wiederholen, das der Andern sich in der Wiederholung summirend in rastloser Steigerung zu wachsen scheinen (ἐπ ὸοσις εἰς αὑτὸ Arist. de anim. II. 5. 7.) In denjenigen Erscheinungen, in welchen sich uns ein solches Fort- schreiten zeigt, gilt uns das Nacheinander, das Moment der Zeit als das Maassgebende. Sie fassen wir auf und zusammen als Geschichte.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Grundriss der Historik. Leipzig, 1868, S. [7]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_historik_1868/16>, abgerufen am 19.04.2024.