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Droysen, Johann Gustav: Grundriss der Historik. Leipzig, 1868.

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werdend erkennen; sie macht aus dem genus homo den geschichtlichen,
d. h. sittlichen Menschen.

(Anthropologie, Ethnographie; die Frage der Racen; die Verbreitung
des Menschengeschlechts u. s. w.)

§. 58.

c) Die gewordenen menschlichen Gestaltungen, Ergebnisse
geschichtlicher Arbeit (Zustände), werden ihr sofort Mittel und Bedin-
gung zu neuer Arbeit.

(Statistik. Bedürfniss und Verkehr u. s. w. Die sogenannte Cultur-
geschichte.)

§. 59.

d) Aus den menschlichen Zwecken, der Innigkeit oder Leiden-
schaft, mit der ihnen gelebt wird, formt sie ihre Triebkräfte, ihre An-
reize, ihre Massenwirkungen.

(Nationalgeist, Particularismus, Fanatismus u. s. w.)

II. Die geschichtliche Arbeit nach ihren Formen.
§. 60.

Die Formen, in denen die geschichtliche Arbeit sich bewegt, sind
die sittlichen Gemeinsamkeiten, deren Typen (to ti en einai) als sitt-
liche Mächte
in Herz und Gewissen der Menschen sind.

O de me dunamenos koinonein e meden deomenos di autarkeian .... e
therion e theos etti. Arist. Pol. 1. 1. 12.

In den sittlichen Mächten liegt die erziehende Macht der Geschichte.
Und Jeder hat an dem Leben der Geschichte Theil in dem Maasse, als
er an ihnen Theil hat. Die menschlichen Verhältnisse sind in dem Maasse
sittlich, als sie erziehen; und sie erziehen in dem Maasse, als sie sitt-
lich sind.

Jede dieser sittlichen Mächte schafft eine Welt für sich, beschlossen
in sich, mit dem vollen Anspruch, den sittlichen Werth des Menschen
zu bestimmen, ihm seinen sittlichen Inhalt zuzuführen.

werdend erkennen; sie macht aus dem genus homo den geschichtlichen,
d. h. sittlichen Menschen.

(Anthropologie, Ethnographie; die Frage der Racen; die Verbreitung
des Menschengeschlechts u. s. w.)

§. 58.

c) Die gewordenen menschlichen Gestaltungen, Ergebnisse
geschichtlicher Arbeit (Zustände), werden ihr sofort Mittel und Bedin-
gung zu neuer Arbeit.

(Statistik. Bedürfniss und Verkehr u. s. w. Die sogenannte Cultur-
geschichte.)

§. 59.

d) Aus den menschlichen Zwecken, der Innigkeit oder Leiden-
schaft, mit der ihnen gelebt wird, formt sie ihre Triebkräfte, ihre An-
reize, ihre Massenwirkungen.

(Nationalgeist, Particularismus, Fanatismus u. s. w.)

II. Die geschichtliche Arbeit nach ihren Formen.
§. 60.

Die Formen, in denen die geschichtliche Arbeit sich bewegt, sind
die sittlichen Gemeinsamkeiten, deren Typen (τὸ τὶ ἦν εἶναι) als sitt-
liche Mächte
in Herz und Gewissen der Menschen sind.

Ὁ δὲ μὴ δυνάμενος κοινωνεῖν ἢ μηδὲν δεόμενος δἰ αὐτάρκείαν .... ἣ
ϑηρἰον ἢ ϑεός ἐττι. Arist. Pol. 1. 1. 12.

In den sittlichen Mächten liegt die erziehende Macht der Geschichte.
Und Jeder hat an dem Leben der Geschichte Theil in dem Maasse, als
er an ihnen Theil hat. Die menschlichen Verhältnisse sind in dem Maasse
sittlich, als sie erziehen; und sie erziehen in dem Maasse, als sie sitt-
lich sind.

Jede dieser sittlichen Mächte schafft eine Welt für sich, beschlossen
in sich, mit dem vollen Anspruch, den sittlichen Werth des Menschen
zu bestimmen, ihm seinen sittlichen Inhalt zuzuführen.

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[29/0038] werdend erkennen; sie macht aus dem genus homo den geschichtlichen, d. h. sittlichen Menschen. (Anthropologie, Ethnographie; die Frage der Racen; die Verbreitung des Menschengeschlechts u. s. w.) §. 58. c) Die gewordenen menschlichen Gestaltungen, Ergebnisse geschichtlicher Arbeit (Zustände), werden ihr sofort Mittel und Bedin- gung zu neuer Arbeit. (Statistik. Bedürfniss und Verkehr u. s. w. Die sogenannte Cultur- geschichte.) §. 59. d) Aus den menschlichen Zwecken, der Innigkeit oder Leiden- schaft, mit der ihnen gelebt wird, formt sie ihre Triebkräfte, ihre An- reize, ihre Massenwirkungen. (Nationalgeist, Particularismus, Fanatismus u. s. w.) II. Die geschichtliche Arbeit nach ihren Formen. §. 60. Die Formen, in denen die geschichtliche Arbeit sich bewegt, sind die sittlichen Gemeinsamkeiten, deren Typen (τὸ τὶ ἦν εἶναι) als sitt- liche Mächte in Herz und Gewissen der Menschen sind. Ὁ δὲ μὴ δυνάμενος κοινωνεῖν ἢ μηδὲν δεόμενος δἰ αὐτάρκείαν .... ἣ ϑηρἰον ἢ ϑεός ἐττι. Arist. Pol. 1. 1. 12. In den sittlichen Mächten liegt die erziehende Macht der Geschichte. Und Jeder hat an dem Leben der Geschichte Theil in dem Maasse, als er an ihnen Theil hat. Die menschlichen Verhältnisse sind in dem Maasse sittlich, als sie erziehen; und sie erziehen in dem Maasse, als sie sitt- lich sind. Jede dieser sittlichen Mächte schafft eine Welt für sich, beschlossen in sich, mit dem vollen Anspruch, den sittlichen Werth des Menschen zu bestimmen, ihm seinen sittlichen Inhalt zuzuführen.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Grundriss der Historik. Leipzig, 1868, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_historik_1868/38>, abgerufen am 16.04.2024.