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Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885.

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mächtig regen. Die höhere Berufsbildung der Frauen, an di[e]
zunächst nur in den Mittelschichten gedacht wird, erhält abe[r]
eine neue Bedeutung, sobald das Unterrichtssystem seine ökono[-]
mischen Schranken öffnet und jedem strebsamen Element, gleich[-]
viel von welcher Tiefe es aufsteige, den Weg zu allen Berufs[-]
verrichtungen betretbar macht. Die höheren Functionen werde[n]
auch ein System von Zwischenthätigkeiten im Gefolge haben[.]
wie man es sich beispielsweise von der blossen Krankenwärterin
bis zum weiblichen Arzt beliebig eingeschaltet denken mag, und
das Ganze der neuen Berufszurüstung wird so auch nach Unten
heilsame Rückwirkungen, die heilsamsten aber freilich nur dann
üben, wenn durch billige und nöthigenfalls unentgeltliche Unter-
richtsgelegenheiten das Emporsteigen von jedem Niveau her für
jede persönliche Energie gesichert ist. Ein Weiteres über diesen
gesellschaftlichen Punkt würde in das Gebiet hinausragen,
welches in den vorangehenden Erörterungen und Entwürfen als
zu umfassend nicht betreten werden konnte und sollte. Derjenige
Theil der Frauenwelt aber, der zunächst interessirt ist, und neben
dem der übrige Theil vorläufig noch mit ganz andern Bedürf-
nissen und daher in der Frage der höheren Berufsbildung gleich-
gültig dasteht, kann sich sagen, dass er zugleich auch eine all-
gemeinere Aufgabe, nämlich die Befreiung vom Aberglauben,
nicht etwa blos der Religion, sondern auch der todtsprachlichen
Alterthumsromantik, mit in Angriff nimmt, indem er den Bildungs-
nothwendigkeiten des praktischen Lebens und hiemit zugleich
echter Sachwissenschaft zusteuert.

7. Einschaltung über die Ränke des Gelehrtenneides
gegen meine Thätigkeit für höhere Frauenbildung.

Es wird nicht ohne Nutzen für das Publicum sein, von den
Schwierigkeiten Kenntniss zu nehmen, mit denen ein Theil meiner
Thätigkeit in Sachen der Frauenbildung zu kämpfen gehabt hat.
Diese Schwierigkeiten hatten einen doppelten Grund. Erstens
war überhaupt mein selbständiger und vorgerückter wissenschaft-
licher Standpunkt den im Verhältniss dazu rückständigen Ge-
lehrten von jeher ein Gegenstand des Neides und Hasses ge-
wesen, und zweitens hatte den Gegnern der Erfolg, mit dem ich
seit 1872 auch die Bildungsinteressen der Frauen speciell wahr-
genommen habe, am allerwenigsten zugesagt. Auf diesem Gebiet

mächtig regen. Die höhere Berufsbildung der Frauen, an di[e]
zunächst nur in den Mittelschichten gedacht wird, erhält abe[r]
eine neue Bedeutung, sobald das Unterrichtssystem seine ökono[-]
mischen Schranken öffnet und jedem strebsamen Element, gleich[-]
viel von welcher Tiefe es aufsteige, den Weg zu allen Berufs[-]
verrichtungen betretbar macht. Die höheren Functionen werde[n]
auch ein System von Zwischenthätigkeiten im Gefolge haben[.]
wie man es sich beispielsweise von der blossen Krankenwärterin
bis zum weiblichen Arzt beliebig eingeschaltet denken mag, und
das Ganze der neuen Berufszurüstung wird so auch nach Unten
heilsame Rückwirkungen, die heilsamsten aber freilich nur dann
üben, wenn durch billige und nöthigenfalls unentgeltliche Unter-
richtsgelegenheiten das Emporsteigen von jedem Niveau her für
jede persönliche Energie gesichert ist. Ein Weiteres über diesen
gesellschaftlichen Punkt würde in das Gebiet hinausragen,
welches in den vorangehenden Erörterungen und Entwürfen als
zu umfassend nicht betreten werden konnte und sollte. Derjenige
Theil der Frauenwelt aber, der zunächst interessirt ist, und neben
dem der übrige Theil vorläufig noch mit ganz andern Bedürf-
nissen und daher in der Frage der höheren Berufsbildung gleich-
gültig dasteht, kann sich sagen, dass er zugleich auch eine all-
gemeinere Aufgabe, nämlich die Befreiung vom Aberglauben,
nicht etwa blos der Religion, sondern auch der todtsprachlichen
Alterthumsromantik, mit in Angriff nimmt, indem er den Bildungs-
nothwendigkeiten des praktischen Lebens und hiemit zugleich
echter Sachwissenschaft zusteuert.

7. Einschaltung über die Ränke des Gelehrtenneides
gegen meine Thätigkeit für höhere Frauenbildung.

Es wird nicht ohne Nutzen für das Publicum sein, von den
Schwierigkeiten Kenntniss zu nehmen, mit denen ein Theil meiner
Thätigkeit in Sachen der Frauenbildung zu kämpfen gehabt hat.
Diese Schwierigkeiten hatten einen doppelten Grund. Erstens
war überhaupt mein selbständiger und vorgerückter wissenschaft-
licher Standpunkt den im Verhältniss dazu rückständigen Ge-
lehrten von jeher ein Gegenstand des Neides und Hasses ge-
wesen, und zweitens hatte den Gegnern der Erfolg, mit dem ich
seit 1872 auch die Bildungsinteressen der Frauen speciell wahr-
genommen habe, am allerwenigsten zugesagt. Auf diesem Gebiet

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[64/0073] mächtig regen. Die höhere Berufsbildung der Frauen, an die zunächst nur in den Mittelschichten gedacht wird, erhält aber eine neue Bedeutung, sobald das Unterrichtssystem seine ökono- mischen Schranken öffnet und jedem strebsamen Element, gleich- viel von welcher Tiefe es aufsteige, den Weg zu allen Berufs- verrichtungen betretbar macht. Die höheren Functionen werden auch ein System von Zwischenthätigkeiten im Gefolge haben. wie man es sich beispielsweise von der blossen Krankenwärterin bis zum weiblichen Arzt beliebig eingeschaltet denken mag, und das Ganze der neuen Berufszurüstung wird so auch nach Unten heilsame Rückwirkungen, die heilsamsten aber freilich nur dann üben, wenn durch billige und nöthigenfalls unentgeltliche Unter- richtsgelegenheiten das Emporsteigen von jedem Niveau her für jede persönliche Energie gesichert ist. Ein Weiteres über diesen gesellschaftlichen Punkt würde in das Gebiet hinausragen, welches in den vorangehenden Erörterungen und Entwürfen als zu umfassend nicht betreten werden konnte und sollte. Derjenige Theil der Frauenwelt aber, der zunächst interessirt ist, und neben dem der übrige Theil vorläufig noch mit ganz andern Bedürf- nissen und daher in der Frage der höheren Berufsbildung gleich- gültig dasteht, kann sich sagen, dass er zugleich auch eine all- gemeinere Aufgabe, nämlich die Befreiung vom Aberglauben, nicht etwa blos der Religion, sondern auch der todtsprachlichen Alterthumsromantik, mit in Angriff nimmt, indem er den Bildungs- nothwendigkeiten des praktischen Lebens und hiemit zugleich echter Sachwissenschaft zusteuert. 7. Einschaltung über die Ränke des Gelehrtenneides gegen meine Thätigkeit für höhere Frauenbildung. Es wird nicht ohne Nutzen für das Publicum sein, von den Schwierigkeiten Kenntniss zu nehmen, mit denen ein Theil meiner Thätigkeit in Sachen der Frauenbildung zu kämpfen gehabt hat. Diese Schwierigkeiten hatten einen doppelten Grund. Erstens war überhaupt mein selbständiger und vorgerückter wissenschaft- licher Standpunkt den im Verhältniss dazu rückständigen Ge- lehrten von jeher ein Gegenstand des Neides und Hasses ge- wesen, und zweitens hatte den Gegnern der Erfolg, mit dem ich seit 1872 auch die Bildungsinteressen der Frauen speciell wahr- genommen habe, am allerwenigsten zugesagt. Auf diesem Gebiet

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Zitationshilfe: Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/73>, abgerufen am 29.03.2024.