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Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885.

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spart. Die obwaltende Gesetzmässigkeit scheint vielmehr ver-
wickelterer Art zu sein, und ihre genauere Feststellung bedürfte
umfassenderer Untersuchungen.

Das Verhältnis der Wiederholungen für das Lernen und
das Repetieren der englischen Stanzen bedarf keiner Erläute-
rung. Dieselben wurden am ersten Tage auswendig gelernt
mit weniger als der Hälfte der Wiederholungen, die für die
kürzesten der untersuchten Silbenreihen nötig waren. Sie
erlangten aber dadurch eine so grosse Festigkeit, dass für ihre
Repetition am nächsten Tage verhältnismässig nicht mehr
Arbeit erfordert wurde als für Silbenreihen von 24 Silben,
nämlich etwa die Hälfte des ersten Aufwandes.

§ 33.
Einfluss des wiederholten Erlernens.

Wir fassen jetzt die Resultate für die sämtlichen auf-
einanderfolgenden Tage ins Auge. An jedem folgenden Tage
ist die durchschnittliche Anzahl von Wiederholungen für das
Auswendiglernen einer bestimmten Reihe geringer als an dem
vorangegangenen. Diese Abnahme der für die Herbeiführung
der erstmöglichen Reproduktion jedesmal erforderlichen Ar-
beitsleistungen ist bei den längeren Reihen, bei denen der
erste Aufwand gross ist, eine verhältnismässig schnellere, bei
den kürzeren, bei denen der erste Aufwand kleiner ist, eine
verhältnismässig langsamere. Dadurch nähern sich die für
die verschiedenen Reihen erforderlichen Anzahlen von Wieder-
holungen mehr und mehr. Bei den Reihen von 24 und 36
Silben springt das schon vom zweiten Tage ab in die Augen;
vom vierten Tage ab fallen die Zahlen für beide Reihenlängen
geradezu zusammen. Und am fünften Tage sind sie auch
den nach minder schneller Abnahme noch erforderlichen An-

spart. Die obwaltende Gesetzmäſsigkeit scheint vielmehr ver-
wickelterer Art zu sein, und ihre genauere Feststellung bedürfte
umfassenderer Untersuchungen.

Das Verhältnis der Wiederholungen für das Lernen und
das Repetieren der englischen Stanzen bedarf keiner Erläute-
rung. Dieselben wurden am ersten Tage auswendig gelernt
mit weniger als der Hälfte der Wiederholungen, die für die
kürzesten der untersuchten Silbenreihen nötig waren. Sie
erlangten aber dadurch eine so groſse Festigkeit, daſs für ihre
Repetition am nächsten Tage verhältnismäſsig nicht mehr
Arbeit erfordert wurde als für Silbenreihen von 24 Silben,
nämlich etwa die Hälfte des ersten Aufwandes.

§ 33.
Einfluſs des wiederholten Erlernens.

Wir fassen jetzt die Resultate für die sämtlichen auf-
einanderfolgenden Tage ins Auge. An jedem folgenden Tage
ist die durchschnittliche Anzahl von Wiederholungen für das
Auswendiglernen einer bestimmten Reihe geringer als an dem
vorangegangenen. Diese Abnahme der für die Herbeiführung
der erstmöglichen Reproduktion jedesmal erforderlichen Ar-
beitsleistungen ist bei den längeren Reihen, bei denen der
erste Aufwand groſs ist, eine verhältnismäſsig schnellere, bei
den kürzeren, bei denen der erste Aufwand kleiner ist, eine
verhältnismäſsig langsamere. Dadurch nähern sich die für
die verschiedenen Reihen erforderlichen Anzahlen von Wieder-
holungen mehr und mehr. Bei den Reihen von 24 und 36
Silben springt das schon vom zweiten Tage ab in die Augen;
vom vierten Tage ab fallen die Zahlen für beide Reihenlängen
geradezu zusammen. Und am fünften Tage sind sie auch
den nach minder schneller Abnahme noch erforderlichen An-

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[116/0132] spart. Die obwaltende Gesetzmäſsigkeit scheint vielmehr ver- wickelterer Art zu sein, und ihre genauere Feststellung bedürfte umfassenderer Untersuchungen. Das Verhältnis der Wiederholungen für das Lernen und das Repetieren der englischen Stanzen bedarf keiner Erläute- rung. Dieselben wurden am ersten Tage auswendig gelernt mit weniger als der Hälfte der Wiederholungen, die für die kürzesten der untersuchten Silbenreihen nötig waren. Sie erlangten aber dadurch eine so groſse Festigkeit, daſs für ihre Repetition am nächsten Tage verhältnismäſsig nicht mehr Arbeit erfordert wurde als für Silbenreihen von 24 Silben, nämlich etwa die Hälfte des ersten Aufwandes. § 33. Einfluſs des wiederholten Erlernens. Wir fassen jetzt die Resultate für die sämtlichen auf- einanderfolgenden Tage ins Auge. An jedem folgenden Tage ist die durchschnittliche Anzahl von Wiederholungen für das Auswendiglernen einer bestimmten Reihe geringer als an dem vorangegangenen. Diese Abnahme der für die Herbeiführung der erstmöglichen Reproduktion jedesmal erforderlichen Ar- beitsleistungen ist bei den längeren Reihen, bei denen der erste Aufwand groſs ist, eine verhältnismäſsig schnellere, bei den kürzeren, bei denen der erste Aufwand kleiner ist, eine verhältnismäſsig langsamere. Dadurch nähern sich die für die verschiedenen Reihen erforderlichen Anzahlen von Wieder- holungen mehr und mehr. Bei den Reihen von 24 und 36 Silben springt das schon vom zweiten Tage ab in die Augen; vom vierten Tage ab fallen die Zahlen für beide Reihenlängen geradezu zusammen. Und am fünften Tage sind sie auch den nach minder schneller Abnahme noch erforderlichen An-

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Zitationshilfe: Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885/132>, abgerufen am 29.03.2024.