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Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885.

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VI.
Das Behalten als Funktion der Anzahl der
Wiederholungen.


§ 22.
Stellung der Frage.

Das Resultat des vierten Abschnittes war das folgende:
wenn ich in wiederholten Fällen Silbenreihen von bestimmter
Länge so oft einprägte, dass sie gerade auswendig hergesagt
werden konnten, so fielen zwar die dazu nötigen Zeiten (oder
Anzahlen von Wiederholungen) erheblich verschieden von ein-
ander aus, gleichwohl aber hatten die aus ihnen gewonnenen
Mittelwerte den Charakter echter naturwissenschaftlicher Kon-
stanten. Ich pflege also gleichartige Silbenreihen unter gleich-
artigen Umständen je nach einer durchschnittlich gleichen
Anzahl von Wiederholungen gerade auswendig zu wissen. Die
grossen Abweichungen der Einzelwerte von einander ändern
daran nichts; sie bewirken nur, dass eine genauere Ermitte-
lung der für bestimmte Umstände erforderlichen Anzahl
ziemlich zeitraubend wird.

Was wird nun geschehen, kann man fragen, wenn die
Anzahl von Wiederholungen einer bestimmten Reihe hinter
der für das Auswendiglernen derselben erforderlichen Anzahl

VI.
Das Behalten als Funktion der Anzahl der
Wiederholungen.


§ 22.
Stellung der Frage.

Das Resultat des vierten Abschnittes war das folgende:
wenn ich in wiederholten Fällen Silbenreihen von bestimmter
Länge so oft einprägte, daſs sie gerade auswendig hergesagt
werden konnten, so fielen zwar die dazu nötigen Zeiten (oder
Anzahlen von Wiederholungen) erheblich verschieden von ein-
ander aus, gleichwohl aber hatten die aus ihnen gewonnenen
Mittelwerte den Charakter echter naturwissenschaftlicher Kon-
stanten. Ich pflege also gleichartige Silbenreihen unter gleich-
artigen Umständen je nach einer durchschnittlich gleichen
Anzahl von Wiederholungen gerade auswendig zu wissen. Die
grossen Abweichungen der Einzelwerte von einander ändern
daran nichts; sie bewirken nur, daſs eine genauere Ermitte-
lung der für bestimmte Umstände erforderlichen Anzahl
ziemlich zeitraubend wird.

Was wird nun geschehen, kann man fragen, wenn die
Anzahl von Wiederholungen einer bestimmten Reihe hinter
der für das Auswendiglernen derselben erforderlichen Anzahl

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[[70]/0086] VI. Das Behalten als Funktion der Anzahl der Wiederholungen. § 22. Stellung der Frage. Das Resultat des vierten Abschnittes war das folgende: wenn ich in wiederholten Fällen Silbenreihen von bestimmter Länge so oft einprägte, daſs sie gerade auswendig hergesagt werden konnten, so fielen zwar die dazu nötigen Zeiten (oder Anzahlen von Wiederholungen) erheblich verschieden von ein- ander aus, gleichwohl aber hatten die aus ihnen gewonnenen Mittelwerte den Charakter echter naturwissenschaftlicher Kon- stanten. Ich pflege also gleichartige Silbenreihen unter gleich- artigen Umständen je nach einer durchschnittlich gleichen Anzahl von Wiederholungen gerade auswendig zu wissen. Die grossen Abweichungen der Einzelwerte von einander ändern daran nichts; sie bewirken nur, daſs eine genauere Ermitte- lung der für bestimmte Umstände erforderlichen Anzahl ziemlich zeitraubend wird. Was wird nun geschehen, kann man fragen, wenn die Anzahl von Wiederholungen einer bestimmten Reihe hinter der für das Auswendiglernen derselben erforderlichen Anzahl

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Zitationshilfe: Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885, S. [70]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885/86>, abgerufen am 29.03.2024.