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Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885.

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Wenn nun durch die Wiederholungen auch zwischen den
nicht unmittelbar auf einander folgenden Gliedern der Reihe
Verknüpfungen geschaffen werden, so ist die Stärke dieser
letzteren natürlich ebenfalls irgendwie abhängig von der An-
zahl der Wiederholungen. Es fragt sich, in welcher Weise
in diesem Falle die Abhängigkeit stattfindet. Wird hier eben-
falls Proportionalität bestehen? Werden also die verschieden
starken Fäden, welche die sämtlichen Glieder einer auswendig
gelernten Reihe unter einander verbinden, doch alle in
gleichem Verhältnis an Stärke zunehmen, wenn die Zahl
der Wiederholungen gesteigert wird? Oder ist, ganz ebenso
wie die Stärke der Fäden selbst, so auch die Art und Schnellig-
keit ihrer Verstärkung eine verschiedene? Für selbstverständ-
lich wird man bei dem Stande unseres Wissens weder die
eine noch die andere dieser Möglichkeiten erklären können.

Zur Anbahnung einer Einsicht in das thatsächliche Ver-
halten habe ich einige vorläufige Untersuchungen in folgender
Weise angestellt. Je sechs 16 silbige Reihen wurden durch
entweder 16- oder 64 malige aufmerksame Wiederholung dem
Gedächtnis eingeprägt. Nach 24 Stunden wurden gleich viele
und gleich lange abgeleitete Reihen, die aus den jedesmal
eingeprägten durch Überspringen von 1 Zwischensilbe ge-
wonnen waren, bis zur erstmaligen Reproduktion auswendig
gelernt. Die Methode der Ableitung war in diesem Falle,
um die Untersuchungen noch anderweitig nutzbar zu machen,
etwas verschieden von der oben (S. 133) beschriebenen. Es
wurden nicht wie dort an die sämtlichen Silben, die in einer
ursprünglichen Reihe an ungeraden Stellen standen, diejenigen
unmittelbar angeschlossen, welche in derselben Reihe an den
geraden Stellen gestanden hatten. Sondern erst wurden die
sämtlichen Silben der ungeraden Stellen von zwei ursprüng-
lichen Reihen zu einer neuen 16silbigen Reihe zusammen-

Wenn nun durch die Wiederholungen auch zwischen den
nicht unmittelbar auf einander folgenden Gliedern der Reihe
Verknüpfungen geschaffen werden, so ist die Stärke dieser
letzteren natürlich ebenfalls irgendwie abhängig von der An-
zahl der Wiederholungen. Es fragt sich, in welcher Weise
in diesem Falle die Abhängigkeit stattfindet. Wird hier eben-
falls Proportionalität bestehen? Werden also die verschieden
starken Fäden, welche die sämtlichen Glieder einer auswendig
gelernten Reihe unter einander verbinden, doch alle in
gleichem Verhältnis an Stärke zunehmen, wenn die Zahl
der Wiederholungen gesteigert wird? Oder ist, ganz ebenso
wie die Stärke der Fäden selbst, so auch die Art und Schnellig-
keit ihrer Verstärkung eine verschiedene? Für selbstverständ-
lich wird man bei dem Stande unseres Wissens weder die
eine noch die andere dieser Möglichkeiten erklären können.

Zur Anbahnung einer Einsicht in das thatsächliche Ver-
halten habe ich einige vorläufige Untersuchungen in folgender
Weise angestellt. Je sechs 16 silbige Reihen wurden durch
entweder 16- oder 64 malige aufmerksame Wiederholung dem
Gedächtnis eingeprägt. Nach 24 Stunden wurden gleich viele
und gleich lange abgeleitete Reihen, die aus den jedesmal
eingeprägten durch Überspringen von 1 Zwischensilbe ge-
wonnen waren, bis zur erstmaligen Reproduktion auswendig
gelernt. Die Methode der Ableitung war in diesem Falle,
um die Untersuchungen noch anderweitig nutzbar zu machen,
etwas verschieden von der oben (S. 133) beschriebenen. Es
wurden nicht wie dort an die sämtlichen Silben, die in einer
ursprünglichen Reihe an ungeraden Stellen standen, diejenigen
unmittelbar angeschlossen, welche in derselben Reihe an den
geraden Stellen gestanden hatten. Sondern erst wurden die
sämtlichen Silben der ungeraden Stellen von zwei ursprüng-
lichen Reihen zu einer neuen 16silbigen Reihe zusammen-

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[157/0173] Wenn nun durch die Wiederholungen auch zwischen den nicht unmittelbar auf einander folgenden Gliedern der Reihe Verknüpfungen geschaffen werden, so ist die Stärke dieser letzteren natürlich ebenfalls irgendwie abhängig von der An- zahl der Wiederholungen. Es fragt sich, in welcher Weise in diesem Falle die Abhängigkeit stattfindet. Wird hier eben- falls Proportionalität bestehen? Werden also die verschieden starken Fäden, welche die sämtlichen Glieder einer auswendig gelernten Reihe unter einander verbinden, doch alle in gleichem Verhältnis an Stärke zunehmen, wenn die Zahl der Wiederholungen gesteigert wird? Oder ist, ganz ebenso wie die Stärke der Fäden selbst, so auch die Art und Schnellig- keit ihrer Verstärkung eine verschiedene? Für selbstverständ- lich wird man bei dem Stande unseres Wissens weder die eine noch die andere dieser Möglichkeiten erklären können. Zur Anbahnung einer Einsicht in das thatsächliche Ver- halten habe ich einige vorläufige Untersuchungen in folgender Weise angestellt. Je sechs 16 silbige Reihen wurden durch entweder 16- oder 64 malige aufmerksame Wiederholung dem Gedächtnis eingeprägt. Nach 24 Stunden wurden gleich viele und gleich lange abgeleitete Reihen, die aus den jedesmal eingeprägten durch Überspringen von 1 Zwischensilbe ge- wonnen waren, bis zur erstmaligen Reproduktion auswendig gelernt. Die Methode der Ableitung war in diesem Falle, um die Untersuchungen noch anderweitig nutzbar zu machen, etwas verschieden von der oben (S. 133) beschriebenen. Es wurden nicht wie dort an die sämtlichen Silben, die in einer ursprünglichen Reihe an ungeraden Stellen standen, diejenigen unmittelbar angeschlossen, welche in derselben Reihe an den geraden Stellen gestanden hatten. Sondern erst wurden die sämtlichen Silben der ungeraden Stellen von zwei ursprüng- lichen Reihen zu einer neuen 16silbigen Reihe zusammen-

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Zitationshilfe: Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885/173>, abgerufen am 24.04.2024.