Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite

Die rothen Rosen.
Grosser Schöpfer! deine Güt
Strahlt auch in der Rosen Blüt,
Die uns aus den Dornensträuchen,
Mancherlei Erquikkung reichen.

Wenn wir nur nach Art der Bienen,
Vom Gewohnheits Schlaf befreit,
Mit erwachter Munterkeit
Bei dem Rosenstok erschienen:
Alsdenn legte seine Zier,
Uns des Schöpfers Schönheit für;
Alsdenn würden unsre Augen,
Honig aus den Blättern saugen.
Alsdenn würde unsre Seele
So wie das Gehirn erfüllt,
Von der Güte die da quillt,
Aus der Rosen Balsams Höle;
Alsdenn würd uns jedes Blat,
Das die Rose an sich hat,
Als ein Bild von unsern Leben,
Täglich vor den Augen schweben.
Jst die Welt uns gleich ein Gosen,
So ist doch das Herzeleid,
Allemahl bei Lustbarkeit
Wie die Dornen bei den Rosen:
Doch an einen Rosenstrauch
Nüzzen scharfe Stachel auch:
So muß ebenfals das Leiden,
Nüzlich sein bei unsern Freuden.


Wie
F 3

Die rothen Roſen.
Groſſer Schoͤpfer! deine Guͤt
Strahlt auch in der Roſen Bluͤt,
Die uns aus den Dornenſtraͤuchen,
Mancherlei Erquikkung reichen.

Wenn wir nur nach Art der Bienen,
Vom Gewohnheits Schlaf befreit,
Mit erwachter Munterkeit
Bei dem Roſenſtok erſchienen:
Alsdenn legte ſeine Zier,
Uns des Schoͤpfers Schoͤnheit fuͤr;
Alsdenn wuͤrden unſre Augen,
Honig aus den Blaͤttern ſaugen.
Alsdenn wuͤrde unſre Seele
So wie das Gehirn erfuͤllt,
Von der Guͤte die da quillt,
Aus der Roſen Balſams Hoͤle;
Alsdenn wuͤrd uns jedes Blat,
Das die Roſe an ſich hat,
Als ein Bild von unſern Leben,
Taͤglich vor den Augen ſchweben.
Jſt die Welt uns gleich ein Goſen,
So iſt doch das Herzeleid,
Allemahl bei Luſtbarkeit
Wie die Dornen bei den Roſen:
Doch an einen Roſenſtrauch
Nuͤzzen ſcharfe Stachel auch:
So muß ebenfals das Leiden,
Nuͤzlich ſein bei unſern Freuden.


Wie
F 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg n="23">
          <l><pb facs="#f0101" n="85"/><fw place="top" type="header">Die rothen Ro&#x017F;en.</fw><lb/>
Gro&#x017F;&#x017F;er Scho&#x0364;pfer! deine Gu&#x0364;t<lb/>
Strahlt auch in der Ro&#x017F;en Blu&#x0364;t,<lb/>
Die uns aus den Dornen&#x017F;tra&#x0364;uchen,<lb/>
Mancherlei Erquikkung reichen.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="24">
          <l><hi rendition="#in">W</hi>enn wir nur nach Art der Bienen,<lb/>
Vom Gewohnheits Schlaf befreit,<lb/>
Mit erwachter Munterkeit<lb/>
Bei dem Ro&#x017F;en&#x017F;tok er&#x017F;chienen:<lb/>
Alsdenn legte &#x017F;eine Zier,<lb/>
Uns des Scho&#x0364;pfers Scho&#x0364;nheit fu&#x0364;r;<lb/>
Alsdenn wu&#x0364;rden un&#x017F;re Augen,<lb/>
Honig aus den Bla&#x0364;ttern &#x017F;augen.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="25">
          <l><hi rendition="#in">A</hi>lsdenn wu&#x0364;rde un&#x017F;re Seele<lb/>
So wie das Gehirn erfu&#x0364;llt,<lb/>
Von der Gu&#x0364;te die da quillt,<lb/>
Aus der Ro&#x017F;en Bal&#x017F;ams Ho&#x0364;le;<lb/>
Alsdenn wu&#x0364;rd uns jedes Blat,<lb/>
Das die Ro&#x017F;e an &#x017F;ich hat,<lb/>
Als ein Bild von un&#x017F;ern Leben,<lb/>
Ta&#x0364;glich vor den Augen &#x017F;chweben.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="26">
          <l><hi rendition="#in">J</hi>&#x017F;t die Welt uns gleich ein Go&#x017F;en,<lb/>
So i&#x017F;t doch das Herzeleid,<lb/>
Allemahl bei Lu&#x017F;tbarkeit<lb/>
Wie die Dornen bei den Ro&#x017F;en:<lb/>
Doch an einen Ro&#x017F;en&#x017F;trauch<lb/>
Nu&#x0364;zzen &#x017F;charfe Stachel auch:<lb/>
So muß ebenfals das Leiden,<lb/>
Nu&#x0364;zlich &#x017F;ein bei un&#x017F;ern Freuden.</l>
        </lg>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <fw place="bottom" type="sig"> <hi rendition="#b">F 3</hi> </fw>
      <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Wie</hi> </fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0101] Die rothen Roſen. Groſſer Schoͤpfer! deine Guͤt Strahlt auch in der Roſen Bluͤt, Die uns aus den Dornenſtraͤuchen, Mancherlei Erquikkung reichen. Wenn wir nur nach Art der Bienen, Vom Gewohnheits Schlaf befreit, Mit erwachter Munterkeit Bei dem Roſenſtok erſchienen: Alsdenn legte ſeine Zier, Uns des Schoͤpfers Schoͤnheit fuͤr; Alsdenn wuͤrden unſre Augen, Honig aus den Blaͤttern ſaugen. Alsdenn wuͤrde unſre Seele So wie das Gehirn erfuͤllt, Von der Guͤte die da quillt, Aus der Roſen Balſams Hoͤle; Alsdenn wuͤrd uns jedes Blat, Das die Roſe an ſich hat, Als ein Bild von unſern Leben, Taͤglich vor den Augen ſchweben. Jſt die Welt uns gleich ein Goſen, So iſt doch das Herzeleid, Allemahl bei Luſtbarkeit Wie die Dornen bei den Roſen: Doch an einen Roſenſtrauch Nuͤzzen ſcharfe Stachel auch: So muß ebenfals das Leiden, Nuͤzlich ſein bei unſern Freuden. Wie F 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747/101
Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747/101>, abgerufen am 25.04.2024.