Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite
GOtt vorstellen.
Daher weil ihr Verstand sich zu der Gottheit schwingt,
Und mit verwegnen Trieb in ihre Tiefen dringt;
Und weil sie einen Geist nicht recht begreiffen können,
So werden sie ihn nie von einen Körper trennen.
Je mehr der arme Mensch an GOttes Wesen denkt
Das man ergründen will, je mehr wird man gelenkt
Auf das, was körperlich, da wir das sehen wollen,
Was wir in dieser Zeit, mit Ehrfurcht glauben sollen.
Doch dieser grobe Sinn wird niemahls abgelegt,
Bis daß man, was wir sein, und GOtt ist, recht
erwegt:
Denn werden wir ersehn, daß unsers Geistes Denken,
Was unbegreiflich ist, wird nimmermehr umschränken.
Genug für unsern Stand auf dieser Unterwelt,
Wenn man das höchste All, das alle Ding erhält
Als einen GOtt ansieht, der in dem Kreaturen,
Uns nicht mehr sehen läst, als unvollkomne Spuren.
Genug wenn unser Herz ein höchstes Wesen nennt
Daß hie kein Sterblicher, so wie es ist erkennt;
Und diese Warheit gläubt der Eigenschaften Grössen
Jm grossen Jehovah, kön kein Verstand ausmessen:
Genug wenn seine Macht, die Weisheit, Gütigkeit,
Sich allemahl uns zeigt mit der Unentlichkeit;
Wenn Unvollkommenheit von ihn wird weggeräumet,
Und daß man weiter nichts von seinen Wesen träumet.
Denn wer noch weiter geht, als dies gestekte Ziel,
Der trift die Warheit nicht und macht ein Sinnen-
spiel:
Wie jede Einfalt thut, die solche Eigenschaften,
Sich so in GOtt vorstellt, als sie am Menschen
haften.
Man sieht es klärlich ja, wie unser Temprament,
So bilden wir uns auch den man den Höchsten
nennt;
So
F 4
GOtt vorſtellen.
Daher weil ihr Verſtand ſich zu der Gottheit ſchwingt,
Und mit verwegnen Trieb in ihre Tiefen dringt;
Und weil ſie einen Geiſt nicht recht begreiffen koͤnnen,
So werden ſie ihn nie von einen Koͤrper trennen.
Je mehr der arme Menſch an GOttes Weſen denkt
Das man ergruͤnden will, je mehr wird man gelenkt
Auf das, was koͤrperlich, da wir das ſehen wollen,
Was wir in dieſer Zeit, mit Ehrfurcht glauben ſollen.
Doch dieſer grobe Sinn wird niemahls abgelegt,
Bis daß man, was wir ſein, und GOtt iſt, recht
erwegt:
Denn werden wir erſehn, daß unſers Geiſtes Denken,
Was unbegreiflich iſt, wird nimmermehr umſchraͤnken.
Genug fuͤr unſern Stand auf dieſer Unterwelt,
Wenn man das hoͤchſte All, das alle Ding erhaͤlt
Als einen GOtt anſieht, der in dem Kreaturen,
Uns nicht mehr ſehen laͤſt, als unvollkomne Spuren.
Genug wenn unſer Herz ein hoͤchſtes Weſen nennt
Daß hie kein Sterblicher, ſo wie es iſt erkennt;
Und dieſe Warheit glaͤubt der Eigenſchaften Groͤſſen
Jm groſſen Jehovah, koͤn kein Verſtand ausmeſſen:
Genug wenn ſeine Macht, die Weisheit, Guͤtigkeit,
Sich allemahl uns zeigt mit der Unentlichkeit;
Wenn Unvollkommenheit von ihn wird weggeraͤumet,
Und daß man weiter nichts von ſeinen Weſen traͤumet.
Denn wer noch weiter geht, als dies geſtekte Ziel,
Der trift die Warheit nicht und macht ein Sinnen-
ſpiel:
Wie jede Einfalt thut, die ſolche Eigenſchaften,
Sich ſo in GOtt vorſtellt, als ſie am Menſchen
haften.
Man ſieht es klaͤrlich ja, wie unſer Temprament,
So bilden wir uns auch den man den Hoͤchſten
nennt;
So
F 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0103" n="87"/>
          <fw place="top" type="header">GOtt vor&#x017F;tellen.</fw><lb/>
          <l>Daher weil ihr Ver&#x017F;tand &#x017F;ich zu der Gottheit &#x017F;chwingt,</l><lb/>
          <l>Und mit verwegnen Trieb in ihre Tiefen dringt;</l><lb/>
          <l>Und weil &#x017F;ie einen Gei&#x017F;t nicht recht begreiffen ko&#x0364;nnen,</l><lb/>
          <l>So werden &#x017F;ie ihn nie von einen Ko&#x0364;rper trennen.</l><lb/>
          <l>Je mehr der arme Men&#x017F;ch an <hi rendition="#fr">GOttes</hi> We&#x017F;en denkt</l><lb/>
          <l>Das man ergru&#x0364;nden will, je mehr wird man gelenkt</l><lb/>
          <l>Auf das, was ko&#x0364;rperlich, da wir das &#x017F;ehen wollen,</l><lb/>
          <l>Was wir in die&#x017F;er Zeit, mit Ehrfurcht glauben &#x017F;ollen.</l><lb/>
          <l>Doch die&#x017F;er grobe Sinn wird niemahls abgelegt,</l><lb/>
          <l>Bis daß man, was wir &#x017F;ein, und <hi rendition="#fr">GOtt</hi> i&#x017F;t, recht</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">erwegt:</hi> </l><lb/>
          <l>Denn werden wir er&#x017F;ehn, daß un&#x017F;ers Gei&#x017F;tes Denken,</l><lb/>
          <l>Was unbegreiflich i&#x017F;t, wird nimmermehr um&#x017F;chra&#x0364;nken.</l><lb/>
          <l>Genug fu&#x0364;r un&#x017F;ern Stand auf die&#x017F;er Unterwelt,</l><lb/>
          <l>Wenn man das ho&#x0364;ch&#x017F;te <hi rendition="#fr">All</hi>, das alle Ding erha&#x0364;lt</l><lb/>
          <l>Als einen <hi rendition="#fr">GOtt</hi> an&#x017F;ieht, der in dem Kreaturen,</l><lb/>
          <l>Uns nicht mehr &#x017F;ehen la&#x0364;&#x017F;t, als unvollkomne Spuren.</l><lb/>
          <l>Genug wenn un&#x017F;er Herz ein ho&#x0364;ch&#x017F;tes We&#x017F;en nennt</l><lb/>
          <l>Daß hie kein Sterblicher, &#x017F;o wie es i&#x017F;t erkennt;</l><lb/>
          <l>Und die&#x017F;e Warheit gla&#x0364;ubt der Eigen&#x017F;chaften Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
          <l>Jm gro&#x017F;&#x017F;en Jehovah, ko&#x0364;n kein Ver&#x017F;tand ausme&#x017F;&#x017F;en:</l><lb/>
          <l>Genug wenn &#x017F;eine Macht, die Weisheit, Gu&#x0364;tigkeit,</l><lb/>
          <l>Sich allemahl uns zeigt mit der Unentlichkeit;</l><lb/>
          <l>Wenn Unvollkommenheit von ihn wird weggera&#x0364;umet,</l><lb/>
          <l>Und daß man weiter nichts von &#x017F;einen We&#x017F;en tra&#x0364;umet.</l><lb/>
          <l>Denn wer noch weiter geht, als dies ge&#x017F;tekte Ziel,</l><lb/>
          <l>Der trift die Warheit nicht und macht ein Sinnen-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">&#x017F;piel:</hi> </l><lb/>
          <l>Wie jede Einfalt thut, die &#x017F;olche Eigen&#x017F;chaften,</l><lb/>
          <l>Sich &#x017F;o in <hi rendition="#fr">GOtt</hi> vor&#x017F;tellt, als &#x017F;ie am Men&#x017F;chen</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">haften.</hi> </l><lb/>
          <l>Man &#x017F;ieht es kla&#x0364;rlich ja, wie un&#x017F;er Temprament,</l><lb/>
          <l>So bilden wir uns auch den man den Ho&#x0364;ch&#x017F;ten</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">nennt;</hi> </l><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">F 4</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">So</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0103] GOtt vorſtellen. Daher weil ihr Verſtand ſich zu der Gottheit ſchwingt, Und mit verwegnen Trieb in ihre Tiefen dringt; Und weil ſie einen Geiſt nicht recht begreiffen koͤnnen, So werden ſie ihn nie von einen Koͤrper trennen. Je mehr der arme Menſch an GOttes Weſen denkt Das man ergruͤnden will, je mehr wird man gelenkt Auf das, was koͤrperlich, da wir das ſehen wollen, Was wir in dieſer Zeit, mit Ehrfurcht glauben ſollen. Doch dieſer grobe Sinn wird niemahls abgelegt, Bis daß man, was wir ſein, und GOtt iſt, recht erwegt: Denn werden wir erſehn, daß unſers Geiſtes Denken, Was unbegreiflich iſt, wird nimmermehr umſchraͤnken. Genug fuͤr unſern Stand auf dieſer Unterwelt, Wenn man das hoͤchſte All, das alle Ding erhaͤlt Als einen GOtt anſieht, der in dem Kreaturen, Uns nicht mehr ſehen laͤſt, als unvollkomne Spuren. Genug wenn unſer Herz ein hoͤchſtes Weſen nennt Daß hie kein Sterblicher, ſo wie es iſt erkennt; Und dieſe Warheit glaͤubt der Eigenſchaften Groͤſſen Jm groſſen Jehovah, koͤn kein Verſtand ausmeſſen: Genug wenn ſeine Macht, die Weisheit, Guͤtigkeit, Sich allemahl uns zeigt mit der Unentlichkeit; Wenn Unvollkommenheit von ihn wird weggeraͤumet, Und daß man weiter nichts von ſeinen Weſen traͤumet. Denn wer noch weiter geht, als dies geſtekte Ziel, Der trift die Warheit nicht und macht ein Sinnen- ſpiel: Wie jede Einfalt thut, die ſolche Eigenſchaften, Sich ſo in GOtt vorſtellt, als ſie am Menſchen haften. Man ſieht es klaͤrlich ja, wie unſer Temprament, So bilden wir uns auch den man den Hoͤchſten nennt; So F 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747/103
Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747/103>, abgerufen am 19.04.2024.