Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite
Wie sich die meisten Menschen GOtt vorstellen.
So wie wir sein gesinnt: so wird das ewge Wesen
Nach unsern Ebenbild, nicht wie er ist, erlesen.
Und wohnt in unsern Geist die edle Gütigkeit:
So ist die Güte auch, die Hauptvollkommenheit
Die GOttes Hoheit ziert; Jst unser Sinn verwil-
dert,
Zur Härtigkeit geneigt: So wird GOtt auch ge-
schildert,
Als wie ein harter Mann der nach der Strenge geht,
Und allda erndten will, wo er nichts ausgesät.
Jst unser Herz geneigt fast alle zu verdammen,
So sehen wir auch GOtt in seinen Eifer flammen
Jst etwan der Regent der über uns befiehlt,
Ein HErr der stets zur Lust mit Unterthanen spielt:
So denket man von GOtt, er müsse was wir machen,
Bei allen unsern Thun, bei unsrer Torheit lachen.
Jst er ein strenger Held der eisern Scepter trägt,
Und jeden wenn er will mit Angst zu Boden schlägt:
So denkt die Einfalt auch mit Herz beklomnen Zagen,
Wer darf sich zu dem HErrn des breiten Himmels
wagen?
Wer nur die Menschen kennt, der sieht die War-
heit ein,
Daß auch ihr GOtt so sei, als wie sie selber sein;
Und daß das höchste All also wird abgemahlet,
Wie eines Königs Bild in ihre Augen strahlet.


Die
Wie ſich die meiſten Menſchen GOtt vorſtellen.
So wie wir ſein geſinnt: ſo wird das ewge Weſen
Nach unſern Ebenbild, nicht wie er iſt, erleſen.
Und wohnt in unſern Geiſt die edle Guͤtigkeit:
So iſt die Guͤte auch, die Hauptvollkommenheit
Die GOttes Hoheit ziert; Jſt unſer Sinn verwil-
dert,
Zur Haͤrtigkeit geneigt: So wird GOtt auch ge-
ſchildert,
Als wie ein harter Mann der nach der Strenge geht,
Und allda erndten will, wo er nichts ausgeſaͤt.
Jſt unſer Herz geneigt faſt alle zu verdammen,
So ſehen wir auch GOtt in ſeinen Eifer flammen
Jſt etwan der Regent der uͤber uns befiehlt,
Ein HErr der ſtets zur Luſt mit Unterthanen ſpielt:
So denket man von GOtt, er muͤſſe was wir machen,
Bei allen unſern Thun, bei unſrer Torheit lachen.
Jſt er ein ſtrenger Held der eiſern Scepter traͤgt,
Und jeden wenn er will mit Angſt zu Boden ſchlaͤgt:
So denkt die Einfalt auch mit Herz beklomnen Zagen,
Wer darf ſich zu dem HErrn des breiten Himmels
wagen?
Wer nur die Menſchen kennt, der ſieht die War-
heit ein,
Daß auch ihr GOtt ſo ſei, als wie ſie ſelber ſein;
Und daß das hoͤchſte All alſo wird abgemahlet,
Wie eines Koͤnigs Bild in ihre Augen ſtrahlet.


Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0104" n="89[88]"/>
          <fw place="top" type="header">Wie &#x017F;ich die mei&#x017F;ten Men&#x017F;chen GOtt vor&#x017F;tellen.</fw><lb/>
          <l>So wie wir &#x017F;ein ge&#x017F;innt: &#x017F;o wird das ewge We&#x017F;en</l><lb/>
          <l>Nach un&#x017F;ern Ebenbild, nicht wie er i&#x017F;t, erle&#x017F;en.</l><lb/>
          <l>Und wohnt in un&#x017F;ern Gei&#x017F;t die edle Gu&#x0364;tigkeit:</l><lb/>
          <l>So i&#x017F;t die Gu&#x0364;te auch, die Hauptvollkommenheit</l><lb/>
          <l>Die <hi rendition="#fr">GOttes</hi> Hoheit ziert; J&#x017F;t un&#x017F;er Sinn verwil-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">dert,</hi> </l><lb/>
          <l>Zur Ha&#x0364;rtigkeit geneigt: So wird <hi rendition="#fr">GOtt</hi> auch ge-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">&#x017F;childert,</hi> </l><lb/>
          <l>Als wie ein harter Mann der nach der Strenge geht,</l><lb/>
          <l>Und allda erndten will, wo er nichts ausge&#x017F;a&#x0364;t.</l><lb/>
          <l>J&#x017F;t un&#x017F;er Herz geneigt fa&#x017F;t alle zu verdammen,</l><lb/>
          <l>So &#x017F;ehen wir auch <hi rendition="#fr">GOtt</hi> in &#x017F;einen Eifer flammen</l><lb/>
          <l>J&#x017F;t etwan der Regent der u&#x0364;ber uns befiehlt,</l><lb/>
          <l>Ein HErr der &#x017F;tets zur Lu&#x017F;t mit Unterthanen &#x017F;pielt:</l><lb/>
          <l>So denket man von <hi rendition="#fr">GOtt</hi>, er mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e was wir machen,</l><lb/>
          <l>Bei allen un&#x017F;ern Thun, bei un&#x017F;rer Torheit lachen.</l><lb/>
          <l>J&#x017F;t er ein &#x017F;trenger Held der ei&#x017F;ern Scepter tra&#x0364;gt,</l><lb/>
          <l>Und jeden wenn er will mit Ang&#x017F;t zu Boden &#x017F;chla&#x0364;gt:</l><lb/>
          <l>So denkt die Einfalt auch mit Herz beklomnen Zagen,</l><lb/>
          <l>Wer darf &#x017F;ich zu dem HErrn des breiten Himmels</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">wagen?</hi> </l><lb/>
          <l>Wer nur die Men&#x017F;chen kennt, der &#x017F;ieht die War-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">heit ein,</hi> </l><lb/>
          <l>Daß auch ihr <hi rendition="#fr">GOtt</hi> &#x017F;o &#x017F;ei, als wie &#x017F;ie &#x017F;elber &#x017F;ein;</l><lb/>
          <l>Und daß das <hi rendition="#fr">ho&#x0364;ch&#x017F;te All</hi> al&#x017F;o wird abgemahlet,</l><lb/>
          <l>Wie eines Ko&#x0364;nigs Bild in ihre Augen &#x017F;trahlet.</l>
        </lg>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Die</hi> </fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89[88]/0104] Wie ſich die meiſten Menſchen GOtt vorſtellen. So wie wir ſein geſinnt: ſo wird das ewge Weſen Nach unſern Ebenbild, nicht wie er iſt, erleſen. Und wohnt in unſern Geiſt die edle Guͤtigkeit: So iſt die Guͤte auch, die Hauptvollkommenheit Die GOttes Hoheit ziert; Jſt unſer Sinn verwil- dert, Zur Haͤrtigkeit geneigt: So wird GOtt auch ge- ſchildert, Als wie ein harter Mann der nach der Strenge geht, Und allda erndten will, wo er nichts ausgeſaͤt. Jſt unſer Herz geneigt faſt alle zu verdammen, So ſehen wir auch GOtt in ſeinen Eifer flammen Jſt etwan der Regent der uͤber uns befiehlt, Ein HErr der ſtets zur Luſt mit Unterthanen ſpielt: So denket man von GOtt, er muͤſſe was wir machen, Bei allen unſern Thun, bei unſrer Torheit lachen. Jſt er ein ſtrenger Held der eiſern Scepter traͤgt, Und jeden wenn er will mit Angſt zu Boden ſchlaͤgt: So denkt die Einfalt auch mit Herz beklomnen Zagen, Wer darf ſich zu dem HErrn des breiten Himmels wagen? Wer nur die Menſchen kennt, der ſieht die War- heit ein, Daß auch ihr GOtt ſo ſei, als wie ſie ſelber ſein; Und daß das hoͤchſte All alſo wird abgemahlet, Wie eines Koͤnigs Bild in ihre Augen ſtrahlet. Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747/104
Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747, S. 89[88]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747/104>, abgerufen am 19.04.2024.