Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Tulpen.
Auch der Schönheit Augen Lust,
Vielen auf einmahl gegeben.

Eine Art ist noch zu finden,
Die an ihrer Blätter Rinden,
Blas und bleich und traurig scheint,
Wer ist woll dadurch gemeint?
Sind das nicht der Armen Mienen,
Die gantz dürfftig ohne Kraft,
Ohne fetten Lebenssafft,
Als verblichne Tulpen grünen?
Schaut man mit entzükten Sinnen,
Wie derselben Art von innen,
Jn dem hohlen Grund gemacht;
Da sind alle gleich geacht:
Aus des Stengels langen Spitzen,
Geht ein dicker Stamm heraus,
Wo die Fäserchen so kraus,
Wie verbundne Hertzen sitzen.
Mitten um des Hertzens Kräuse,
Zeigt die Tulpe im Gehäuse
Theilgen die recht schwärtzlich blau,
Unten weislich, oben grau:
Mir deucht, daß dies taube Keimen,
Die wie todte Saamen seyn;
Dieses kan man allgemein,
Auch auf jeden Menschen reimen.
Reich und Arme, Hohe, Schöne,
Stammen als des Adams Söhne,
Alle von der Eva ab;
Alle müssen in das Grab:
Und

Die Tulpen.
Auch der Schoͤnheit Augen Luſt,
Vielen auf einmahl gegeben.

Eine Art iſt noch zu finden,
Die an ihrer Blaͤtter Rinden,
Blas und bleich und traurig ſcheint,
Wer iſt woll dadurch gemeint?
Sind das nicht der Armen Mienen,
Die gantz duͤrfftig ohne Kraft,
Ohne fetten Lebensſafft,
Als verblichne Tulpen gruͤnen?
Schaut man mit entzuͤkten Sinnen,
Wie derſelben Art von innen,
Jn dem hohlen Grund gemacht;
Da ſind alle gleich geacht:
Aus des Stengels langen Spitzen,
Geht ein dicker Stamm heraus,
Wo die Faͤſerchen ſo kraus,
Wie verbundne Hertzen ſitzen.
Mitten um des Hertzens Kraͤuſe,
Zeigt die Tulpe im Gehaͤuſe
Theilgen die recht ſchwaͤrtzlich blau,
Unten weislich, oben grau:
Mir deucht, daß dies taube Keimen,
Die wie todte Saamen ſeyn;
Dieſes kan man allgemein,
Auch auf jeden Menſchen reimen.
Reich und Arme, Hohe, Schoͤne,
Stammen als des Adams Soͤhne,
Alle von der Eva ab;
Alle muͤſſen in das Grab:
Und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg n="13">
          <l><pb facs="#f0038" n="22"/><fw place="top" type="header">Die Tulpen.</fw><lb/>
Auch der Scho&#x0364;nheit Augen Lu&#x017F;t,<lb/>
Vielen auf einmahl gegeben.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="14">
          <l><hi rendition="#in">E</hi>ine Art i&#x017F;t noch zu finden,<lb/>
Die an ihrer Bla&#x0364;tter Rinden,<lb/>
Blas und bleich und traurig &#x017F;cheint,<lb/>
Wer i&#x017F;t woll dadurch gemeint?<lb/>
Sind das nicht der Armen Mienen,<lb/>
Die gantz du&#x0364;rfftig ohne Kraft,<lb/>
Ohne fetten Lebens&#x017F;afft,<lb/>
Als verblichne Tulpen gru&#x0364;nen?</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="15">
          <l><hi rendition="#in">S</hi>chaut man mit entzu&#x0364;kten Sinnen,<lb/>
Wie der&#x017F;elben Art von innen,<lb/>
Jn dem hohlen Grund gemacht;<lb/>
Da &#x017F;ind alle gleich geacht:<lb/>
Aus des Stengels langen Spitzen,<lb/>
Geht ein dicker Stamm heraus,<lb/>
Wo die Fa&#x0364;&#x017F;erchen &#x017F;o kraus,<lb/>
Wie verbundne Hertzen &#x017F;itzen.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="16">
          <l><hi rendition="#in">M</hi>itten um des Hertzens Kra&#x0364;u&#x017F;e,<lb/>
Zeigt die Tulpe im Geha&#x0364;u&#x017F;e<lb/>
Theilgen die recht &#x017F;chwa&#x0364;rtzlich blau,<lb/>
Unten weislich, oben grau:<lb/>
Mir deucht, daß dies taube Keimen,<lb/>
Die wie todte Saamen &#x017F;eyn;<lb/>
Die&#x017F;es kan man allgemein,<lb/>
Auch auf jeden Men&#x017F;chen reimen.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="17">
          <l><hi rendition="#in">R</hi>eich und Arme, Hohe, Scho&#x0364;ne,<lb/>
Stammen als des Adams So&#x0364;hne,<lb/>
Alle von der Eva ab;<lb/>
Alle mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en in das Grab:<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/></l>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0038] Die Tulpen. Auch der Schoͤnheit Augen Luſt, Vielen auf einmahl gegeben. Eine Art iſt noch zu finden, Die an ihrer Blaͤtter Rinden, Blas und bleich und traurig ſcheint, Wer iſt woll dadurch gemeint? Sind das nicht der Armen Mienen, Die gantz duͤrfftig ohne Kraft, Ohne fetten Lebensſafft, Als verblichne Tulpen gruͤnen? Schaut man mit entzuͤkten Sinnen, Wie derſelben Art von innen, Jn dem hohlen Grund gemacht; Da ſind alle gleich geacht: Aus des Stengels langen Spitzen, Geht ein dicker Stamm heraus, Wo die Faͤſerchen ſo kraus, Wie verbundne Hertzen ſitzen. Mitten um des Hertzens Kraͤuſe, Zeigt die Tulpe im Gehaͤuſe Theilgen die recht ſchwaͤrtzlich blau, Unten weislich, oben grau: Mir deucht, daß dies taube Keimen, Die wie todte Saamen ſeyn; Dieſes kan man allgemein, Auch auf jeden Menſchen reimen. Reich und Arme, Hohe, Schoͤne, Stammen als des Adams Soͤhne, Alle von der Eva ab; Alle muͤſſen in das Grab: Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747/38
Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747/38>, abgerufen am 28.03.2024.