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Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747.

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Der grösseste Betrieger.
Der
grösseste Betrieger.
[Abbildung]
Die Welt ist voller List, bespannt mit
Nez und Strikken,

Ein Mensche suchet stets den andern
zu berükken,

Man irrt nicht, wenn man sagt, daß die Betrie-
gerei,

Der Menschen gröste Kunst und Haupt-Bemühung
sei:

Doch in der grossen Zahl, die sich auf Trug befleis-
sen,

Kan ein Scheinheiliger, ein Erzbetrieger heissen.
Jn dem er sich verstellt in falscher Frömmigkeit,
Hüllt er ein Wolfes Herz ins sanfte Schafeskleid,
Jn dem er heilig prahlt, in Andacht feurig schei-
net,

Jm Herzen tükkisch lacht, von aussen kläglich wei-
net:

So stellt er sich vor GOtt; als wie ein Frommer
an,

Der doch mit seinem Aug ins Herze sehen kan.
Er meinet daß er ihm so gnädiglich ansehen,
Und so erkühnt er sich, GOtt selbst zu hinterge-
hen

Der seine Tükke sieht, und seine Falschheit kennt
Der weiß wie kalt sein Herz, obgleich die Zunge
brennt.

Welch
Der groͤſſeſte Betrieger.
Der
groͤſſeſte Betrieger.
[Abbildung]
Die Welt iſt voller Liſt, beſpannt mit
Nez und Strikken,

Ein Menſche ſuchet ſtets den andern
zu beruͤkken,

Man irrt nicht, wenn man ſagt, daß die Betrie-
gerei,

Der Menſchen groͤſte Kunſt und Haupt-Bemuͤhung
ſei:

Doch in der groſſen Zahl, die ſich auf Trug befleiſ-
ſen,

Kan ein Scheinheiliger, ein Erzbetrieger heiſſen.
Jn dem er ſich verſtellt in falſcher Froͤmmigkeit,
Huͤllt er ein Wolfes Herz ins ſanfte Schafeskleid,
Jn dem er heilig prahlt, in Andacht feurig ſchei-
net,

Jm Herzen tuͤkkiſch lacht, von auſſen klaͤglich wei-
net:

So ſtellt er ſich vor GOtt; als wie ein Frommer
an,

Der doch mit ſeinem Aug ins Herze ſehen kan.
Er meinet daß er ihm ſo gnaͤdiglich anſehen,
Und ſo erkuͤhnt er ſich, GOtt ſelbſt zu hinterge-
hen

Der ſeine Tuͤkke ſieht, und ſeine Falſchheit kennt
Der weiß wie kalt ſein Herz, obgleich die Zunge
brennt.

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[290/0302] Der groͤſſeſte Betrieger. Der groͤſſeſte Betrieger. [Abbildung] Die Welt iſt voller Liſt, beſpannt mit Nez und Strikken, Ein Menſche ſuchet ſtets den andern zu beruͤkken, Man irrt nicht, wenn man ſagt, daß die Betrie- gerei, Der Menſchen groͤſte Kunſt und Haupt-Bemuͤhung ſei: Doch in der groſſen Zahl, die ſich auf Trug befleiſ- ſen, Kan ein Scheinheiliger, ein Erzbetrieger heiſſen. Jn dem er ſich verſtellt in falſcher Froͤmmigkeit, Huͤllt er ein Wolfes Herz ins ſanfte Schafeskleid, Jn dem er heilig prahlt, in Andacht feurig ſchei- net, Jm Herzen tuͤkkiſch lacht, von auſſen klaͤglich wei- net: So ſtellt er ſich vor GOtt; als wie ein Frommer an, Der doch mit ſeinem Aug ins Herze ſehen kan. Er meinet daß er ihm ſo gnaͤdiglich anſehen, Und ſo erkuͤhnt er ſich, GOtt ſelbſt zu hinterge- hen Der ſeine Tuͤkke ſieht, und ſeine Falſchheit kennt Der weiß wie kalt ſein Herz, obgleich die Zunge brennt. Welch

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Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen02_1747/302>, abgerufen am 25.04.2024.