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Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 4. Hildesheim, 1747.

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Ein im Winter grünender Lorbeerbaum.
Von grünen Laub bekränzt, den rauhen Frost nicht
scheuet;

So scheut die Grosmuth nicht, wenn gleich ein trü-
ber Tag,

Den Leib mit Wehen plagt, den Geist mit Unge-
mach:

Sie hält das grüne Blat, der Hofnung Sinnbild
feste,

Und denkt nach rauhen Nord, kommt wol des Glük-
kes Weste,

Da alle Noth zerschmelzt, die unser Herze quält,
Der Himmel denkt und weiß, was ihren Kindern
fehlt.

Es kan der Lorbeerbaum, so lang er grünt bestehen,
Doch falln die Blätter hin; so ists mit ihm gesche-
hen.

Die Grosmuth bleibet auch, so lang noch Hofnung
da,

Doch wenn die Hofnung fehlt; so ist ihr Ende nah:
Wer standhafft bleiben wil, der muß durch weise
Lehren,

Die Hofnung immerfort in seiner Seele näh-
ren.


Der
Ein im Winter gruͤnender Lorbeerbaum.
Von gruͤnen Laub bekraͤnzt, den rauhen Froſt nicht
ſcheuet;

So ſcheut die Grosmuth nicht, wenn gleich ein truͤ-
ber Tag,

Den Leib mit Wehen plagt, den Geiſt mit Unge-
mach:

Sie haͤlt das gruͤne Blat, der Hofnung Sinnbild
feſte,

Und denkt nach rauhen Nord, kommt wol des Gluͤk-
kes Weſte,

Da alle Noth zerſchmelzt, die unſer Herze quaͤlt,
Der Himmel denkt und weiß, was ihren Kindern
fehlt.

Es kan der Lorbeerbaum, ſo lang er gruͤnt beſtehen,
Doch falln die Blaͤtter hin; ſo iſts mit ihm geſche-
hen.

Die Grosmuth bleibet auch, ſo lang noch Hofnung
da,

Doch wenn die Hofnung fehlt; ſo iſt ihr Ende nah:
Wer ſtandhafft bleiben wil, der muß durch weiſe
Lehren,

Die Hofnung immerfort in ſeiner Seele naͤh-
ren.


Der
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[146/0162] Ein im Winter gruͤnender Lorbeerbaum. Von gruͤnen Laub bekraͤnzt, den rauhen Froſt nicht ſcheuet; So ſcheut die Grosmuth nicht, wenn gleich ein truͤ- ber Tag, Den Leib mit Wehen plagt, den Geiſt mit Unge- mach: Sie haͤlt das gruͤne Blat, der Hofnung Sinnbild feſte, Und denkt nach rauhen Nord, kommt wol des Gluͤk- kes Weſte, Da alle Noth zerſchmelzt, die unſer Herze quaͤlt, Der Himmel denkt und weiß, was ihren Kindern fehlt. Es kan der Lorbeerbaum, ſo lang er gruͤnt beſtehen, Doch falln die Blaͤtter hin; ſo iſts mit ihm geſche- hen. Die Grosmuth bleibet auch, ſo lang noch Hofnung da, Doch wenn die Hofnung fehlt; ſo iſt ihr Ende nah: Wer ſtandhafft bleiben wil, der muß durch weiſe Lehren, Die Hofnung immerfort in ſeiner Seele naͤh- ren. Der

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Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 4. Hildesheim, 1747, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen04_1747/162>, abgerufen am 29.03.2024.