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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

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zu machen. Gegen die zweite Klasse der Kritiker
vermag ich mich weniger leicht zu vertheidigen, denn
mir ist wohl bewußt, daß der Gelehrte mißbilligen
kann, was der Aesthetiker lobenswerth findet, und
daß Ersterer an Dingen, die der Letztere tadelt, Wohl-
gefallen finden darf. Ferner sind die Nachrichten,
welche wir aus dem sechsten Jahrhundert vor Christi
Geburt besitzen, so spärlicher Art, daß es in einer
Darstellung, wie der vorliegenden, durchaus unmöglich
erscheint, den Anachronismus vollständig zu vermei-
den. Gröbere Jrrthümer äußerer Art lassen sich mit
Fleiß und Aufmerksamkeit wohl umgehen, dagegen
kann und darf sich der Autor niemals ganz frei-
machen von den Grundanschauungen der Zeit und
des Landes, in denen er geboren wurde; denn, wollte
er rein antike Menschen und Zustände schildern, so
würde er für den modernen Leser theils unverständlich,
theils ungenießbar werden. Die handelnden Personen
werden zwar Persern, Aegyptern u. s. w. ähnlich
sehen können; man wird aber doch ihren Worten
und Handlungen den christlich germanischen Darstel-
ler, den nicht vollkommen über der Sentimentalität
seiner Zeit stehenden Erzähler anmerken müssen.

Die Perser und Griechen, welche ihrer Herkunft
nach mit uns verwandt sind, bieten in dieser Be-
ziehung weniger Schwierigkeiten, als die auf ihrer
vom Nil der Wüste abgerungenen Fruchtinsel isolirt
dastehenden Aegypter.

zu machen. Gegen die zweite Klaſſe der Kritiker
vermag ich mich weniger leicht zu vertheidigen, denn
mir iſt wohl bewußt, daß der Gelehrte mißbilligen
kann, was der Aeſthetiker lobenswerth findet, und
daß Erſterer an Dingen, die der Letztere tadelt, Wohl-
gefallen finden darf. Ferner ſind die Nachrichten,
welche wir aus dem ſechſten Jahrhundert vor Chriſti
Geburt beſitzen, ſo ſpärlicher Art, daß es in einer
Darſtellung, wie der vorliegenden, durchaus unmöglich
erſcheint, den Anachronismus vollſtändig zu vermei-
den. Gröbere Jrrthümer äußerer Art laſſen ſich mit
Fleiß und Aufmerkſamkeit wohl umgehen, dagegen
kann und darf ſich der Autor niemals ganz frei-
machen von den Grundanſchauungen der Zeit und
des Landes, in denen er geboren wurde; denn, wollte
er rein antike Menſchen und Zuſtände ſchildern, ſo
würde er für den modernen Leſer theils unverſtändlich,
theils ungenießbar werden. Die handelnden Perſonen
werden zwar Perſern, Aegyptern u. ſ. w. ähnlich
ſehen können; man wird aber doch ihren Worten
und Handlungen den chriſtlich germaniſchen Darſtel-
ler, den nicht vollkommen über der Sentimentalität
ſeiner Zeit ſtehenden Erzähler anmerken müſſen.

Die Perſer und Griechen, welche ihrer Herkunft
nach mit uns verwandt ſind, bieten in dieſer Be-
ziehung weniger Schwierigkeiten, als die auf ihrer
vom Nil der Wüſte abgerungenen Fruchtinſel iſolirt
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[X/0012] zu machen. Gegen die zweite Klaſſe der Kritiker vermag ich mich weniger leicht zu vertheidigen, denn mir iſt wohl bewußt, daß der Gelehrte mißbilligen kann, was der Aeſthetiker lobenswerth findet, und daß Erſterer an Dingen, die der Letztere tadelt, Wohl- gefallen finden darf. Ferner ſind die Nachrichten, welche wir aus dem ſechſten Jahrhundert vor Chriſti Geburt beſitzen, ſo ſpärlicher Art, daß es in einer Darſtellung, wie der vorliegenden, durchaus unmöglich erſcheint, den Anachronismus vollſtändig zu vermei- den. Gröbere Jrrthümer äußerer Art laſſen ſich mit Fleiß und Aufmerkſamkeit wohl umgehen, dagegen kann und darf ſich der Autor niemals ganz frei- machen von den Grundanſchauungen der Zeit und des Landes, in denen er geboren wurde; denn, wollte er rein antike Menſchen und Zuſtände ſchildern, ſo würde er für den modernen Leſer theils unverſtändlich, theils ungenießbar werden. Die handelnden Perſonen werden zwar Perſern, Aegyptern u. ſ. w. ähnlich ſehen können; man wird aber doch ihren Worten und Handlungen den chriſtlich germaniſchen Darſtel- ler, den nicht vollkommen über der Sentimentalität ſeiner Zeit ſtehenden Erzähler anmerken müſſen. Die Perſer und Griechen, welche ihrer Herkunft nach mit uns verwandt ſind, bieten in dieſer Be- ziehung weniger Schwierigkeiten, als die auf ihrer vom Nil der Wüſte abgerungenen Fruchtinſel iſolirt daſtehenden Aegypter.

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. X. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/12>, abgerufen am 29.03.2024.