Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

der Wind die Schuhe der zu Naukratis im Nile
badenden Rhodopis, und legte sie zu Füßen des auf
dem Markte Gericht haltenden Königs nieder. Dieser
war entzückt über die Zierlichkeit der Sandalen und
ruhte nicht eher, bis er die Besitzerin derselben auf-
gefunden und zu seiner Gemahlin gemacht hatte.

Die Sage erzählt, daß auf der Spitze einer der
Pyramiden (ut in una ex pyramidibus) ein wunder-
holdes nacktes Weib throne, das durch seine Schön-
heit die Wüstenwanderer um den Verstand bringe
(homines insanire faciat). Jhr Name sei Rhodopis.

Th. Moore, welcher diese Sage dem Zoega'schen
Werke entlehnt hat, benützt sie zu folgenden Versen:

"Fair Rhodope, as story tells
The bright unearthly numph, who dwells
'Mid sunless gold and jewels hid,
The lady of the Pyramid."

So fabelhaft all' diese Mittheilungen klingen,
so schlagend beweisen sie, daß Rhodopis ein Weib
von ganz außergewöhnlicher Art gewesen sein muß.
Wenn einige Gelehrte die Thrakerin mit der schönen
und heldenmüthigen Königin Nitokris gleichsetzen, von
der Julius Africanus, Eusebius u. A. reden,
und die auch Lepsius in seine Königsreihen aufge-
nommen hat, so conjiciren sie zu kühn, geben aber
neue Beiträge zur Bedeutsamkeit unserer Heldin.
Zweifelsohne sind die auf die Eine bezüglichen Sa-
gen auf die Andere übertragen worden und umge-

der Wind die Schuhe der zu Naukratis im Nile
badenden Rhodopis, und legte ſie zu Füßen des auf
dem Markte Gericht haltenden Königs nieder. Dieſer
war entzückt über die Zierlichkeit der Sandalen und
ruhte nicht eher, bis er die Beſitzerin derſelben auf-
gefunden und zu ſeiner Gemahlin gemacht hatte.

Die Sage erzählt, daß auf der Spitze einer der
Pyramiden (ut in una ex pyramidibus) ein wunder-
holdes nacktes Weib throne, das durch ſeine Schön-
heit die Wüſtenwanderer um den Verſtand bringe
(homines insanire faciat). Jhr Name ſei Rhodopis.

Th. Moore, welcher dieſe Sage dem Zoega’ſchen
Werke entlehnt hat, benützt ſie zu folgenden Verſen:

«Fair Rhodope, as story tells
The bright unearthly numph, who dwells
’Mid sunless gold and jewels hid,
The lady of the Pyramid.»

So fabelhaft all’ dieſe Mittheilungen klingen,
ſo ſchlagend beweiſen ſie, daß Rhodopis ein Weib
von ganz außergewöhnlicher Art geweſen ſein muß.
Wenn einige Gelehrte die Thrakerin mit der ſchönen
und heldenmüthigen Königin Nitokris gleichſetzen, von
der Julius Africanus, Euſebius u. A. reden,
und die auch Lepſius in ſeine Königsreihen aufge-
nommen hat, ſo conjiciren ſie zu kühn, geben aber
neue Beiträge zur Bedeutſamkeit unſerer Heldin.
Zweifelsohne ſind die auf die Eine bezüglichen Sa-
gen auf die Andere übertragen worden und umge-

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="preface" n="1">
        <p><pb facs="#f0017" n="XV"/>
der Wind die Schuhe der zu Naukratis im Nile<lb/>
badenden Rhodopis, und legte &#x017F;ie zu Füßen des auf<lb/>
dem Markte Gericht haltenden Königs nieder. Die&#x017F;er<lb/>
war entzückt über die Zierlichkeit der Sandalen und<lb/>
ruhte nicht eher, bis er die Be&#x017F;itzerin der&#x017F;elben auf-<lb/>
gefunden und zu &#x017F;einer Gemahlin gemacht hatte.</p><lb/>
        <p>Die Sage erzählt, daß auf der Spitze einer der<lb/>
Pyramiden <hi rendition="#aq">(ut in una ex pyramidibus)</hi> ein wunder-<lb/>
holdes nacktes Weib throne, das durch &#x017F;eine Schön-<lb/>
heit die Wü&#x017F;tenwanderer um den Ver&#x017F;tand bringe<lb/><hi rendition="#aq">(homines insanire faciat).</hi> Jhr Name &#x017F;ei Rhodopis.</p><lb/>
        <p>Th. Moore, welcher die&#x017F;e Sage dem <hi rendition="#g">Zoega&#x2019;&#x017F;</hi>chen<lb/>
Werke entlehnt hat, benützt &#x017F;ie zu folgenden Ver&#x017F;en:</p><lb/>
        <cit>
          <quote> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#aq">«Fair Rhodope, as story tells<lb/>
The bright unearthly numph, who dwells<lb/>
&#x2019;Mid sunless gold and jewels hid,<lb/>
The lady of the Pyramid.»</hi> </hi> </quote>
        </cit><lb/>
        <p>So fabelhaft all&#x2019; die&#x017F;e Mittheilungen klingen,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;chlagend bewei&#x017F;en &#x017F;ie, daß Rhodopis ein Weib<lb/>
von ganz außergewöhnlicher Art gewe&#x017F;en &#x017F;ein muß.<lb/>
Wenn einige Gelehrte die Thrakerin mit der &#x017F;chönen<lb/>
und heldenmüthigen Königin Nitokris gleich&#x017F;etzen, von<lb/>
der <hi rendition="#g">Julius Africanus, Eu&#x017F;ebius</hi> u. A. reden,<lb/>
und die auch Lep&#x017F;ius in &#x017F;eine Königsreihen aufge-<lb/>
nommen hat, &#x017F;o conjiciren &#x017F;ie zu kühn, geben aber<lb/>
neue Beiträge zur Bedeut&#x017F;amkeit un&#x017F;erer Heldin.<lb/>
Zweifelsohne &#x017F;ind die auf die Eine bezüglichen Sa-<lb/>
gen auf die Andere übertragen worden und umge-<lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[XV/0017] der Wind die Schuhe der zu Naukratis im Nile badenden Rhodopis, und legte ſie zu Füßen des auf dem Markte Gericht haltenden Königs nieder. Dieſer war entzückt über die Zierlichkeit der Sandalen und ruhte nicht eher, bis er die Beſitzerin derſelben auf- gefunden und zu ſeiner Gemahlin gemacht hatte. Die Sage erzählt, daß auf der Spitze einer der Pyramiden (ut in una ex pyramidibus) ein wunder- holdes nacktes Weib throne, das durch ſeine Schön- heit die Wüſtenwanderer um den Verſtand bringe (homines insanire faciat). Jhr Name ſei Rhodopis. Th. Moore, welcher dieſe Sage dem Zoega’ſchen Werke entlehnt hat, benützt ſie zu folgenden Verſen: «Fair Rhodope, as story tells The bright unearthly numph, who dwells ’Mid sunless gold and jewels hid, The lady of the Pyramid.» So fabelhaft all’ dieſe Mittheilungen klingen, ſo ſchlagend beweiſen ſie, daß Rhodopis ein Weib von ganz außergewöhnlicher Art geweſen ſein muß. Wenn einige Gelehrte die Thrakerin mit der ſchönen und heldenmüthigen Königin Nitokris gleichſetzen, von der Julius Africanus, Euſebius u. A. reden, und die auch Lepſius in ſeine Königsreihen aufge- nommen hat, ſo conjiciren ſie zu kühn, geben aber neue Beiträge zur Bedeutſamkeit unſerer Heldin. Zweifelsohne ſind die auf die Eine bezüglichen Sa- gen auf die Andere übertragen worden und umge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/17
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. XV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/17>, abgerufen am 28.03.2024.