Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

"Das einzige Mittel, um jetzt ein deutsches Thea¬
ter oben zu halten, sind Gastrollen. Hätte ich jetzt
noch die Leitung, so sollte der ganze Winter mit treff¬
lichen Gastspielern besetzt seyn. Dadurch würden nicht
allein alle gute Stücke immer wieder zum Vorschein
kommen, sondern das Interesse würde auch mehr von
den Stücken ab auf das Spiel gelenkt; man könnte
vergleich und urtheilen, das Publicum gewönne an
Einsichten, und unsere eigenen Schauspieler würden
durch das bedeutende Spiel eines ausgezeichneten Ga¬
stes immer in Anregung und Nacheiferung erhalten.
Wie gesagt: Gastrollen und immer Gastrollen, und ihr
solltet über den Nutzen erstaunen, der daraus für Thea¬
ter und Publicum hervorgehen würde."

"Ich sehe die Zeit kommen, wo ein gescheidter, der
Sache gewachsener Kopf vier Theater zugleich über¬
nehmen und sie hin und her mit Gastrollen versehen
wird, und ich bin gewiß, daß er sich besser bey diesen
vieren stehen wird, als wenn er nur ein einziges hätte."


Dem Phänomen des blauen und gelben Schattens
hatte ich nun zu Hause fleißig nachgedacht, und wie¬
wohl es mir lange ein Räthsel blieb, so ging mir doch
bey fortgesetztem Beobachten ein Licht auf und ich ward

„Das einzige Mittel, um jetzt ein deutſches Thea¬
ter oben zu halten, ſind Gaſtrollen. Haͤtte ich jetzt
noch die Leitung, ſo ſollte der ganze Winter mit treff¬
lichen Gaſtſpielern beſetzt ſeyn. Dadurch wuͤrden nicht
allein alle gute Stuͤcke immer wieder zum Vorſchein
kommen, ſondern das Intereſſe wuͤrde auch mehr von
den Stuͤcken ab auf das Spiel gelenkt; man koͤnnte
vergleich und urtheilen, das Publicum gewoͤnne an
Einſichten, und unſere eigenen Schauſpieler wuͤrden
durch das bedeutende Spiel eines ausgezeichneten Ga¬
ſtes immer in Anregung und Nacheiferung erhalten.
Wie geſagt: Gaſtrollen und immer Gaſtrollen, und ihr
ſolltet uͤber den Nutzen erſtaunen, der daraus fuͤr Thea¬
ter und Publicum hervorgehen wuͤrde.“

„Ich ſehe die Zeit kommen, wo ein geſcheidter, der
Sache gewachſener Kopf vier Theater zugleich uͤber¬
nehmen und ſie hin und her mit Gaſtrollen verſehen
wird, und ich bin gewiß, daß er ſich beſſer bey dieſen
vieren ſtehen wird, als wenn er nur ein einziges haͤtte.“


Dem Phaͤnomen des blauen und gelben Schattens
hatte ich nun zu Hauſe fleißig nachgedacht, und wie¬
wohl es mir lange ein Raͤthſel blieb, ſo ging mir doch
bey fortgeſetztem Beobachten ein Licht auf und ich ward

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0289" n="269"/>
          <p>&#x201E;Das einzige Mittel, um jetzt ein deut&#x017F;ches Thea¬<lb/>
ter oben zu halten, &#x017F;ind Ga&#x017F;trollen. Ha&#x0364;tte ich jetzt<lb/>
noch die Leitung, &#x017F;o &#x017F;ollte der ganze Winter mit treff¬<lb/>
lichen Ga&#x017F;t&#x017F;pielern be&#x017F;etzt &#x017F;eyn. Dadurch wu&#x0364;rden nicht<lb/>
allein alle gute Stu&#x0364;cke immer wieder zum Vor&#x017F;chein<lb/>
kommen, &#x017F;ondern das Intere&#x017F;&#x017F;e wu&#x0364;rde auch mehr von<lb/>
den Stu&#x0364;cken ab auf das Spiel gelenkt; man ko&#x0364;nnte<lb/>
vergleich und urtheilen, das Publicum gewo&#x0364;nne an<lb/>
Ein&#x017F;ichten, und un&#x017F;ere eigenen Schau&#x017F;pieler wu&#x0364;rden<lb/>
durch das bedeutende Spiel eines ausgezeichneten Ga¬<lb/>
&#x017F;tes immer in Anregung und Nacheiferung erhalten.<lb/>
Wie ge&#x017F;agt: Ga&#x017F;trollen und immer Ga&#x017F;trollen, und ihr<lb/>
&#x017F;olltet u&#x0364;ber den Nutzen er&#x017F;taunen, der daraus fu&#x0364;r Thea¬<lb/>
ter und Publicum hervorgehen wu&#x0364;rde.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ich &#x017F;ehe die Zeit kommen, wo ein ge&#x017F;cheidter, der<lb/>
Sache gewach&#x017F;ener Kopf <hi rendition="#g">vier</hi> Theater zugleich u&#x0364;ber¬<lb/>
nehmen und &#x017F;ie hin und her mit Ga&#x017F;trollen ver&#x017F;ehen<lb/>
wird, und ich bin gewiß, daß er &#x017F;ich be&#x017F;&#x017F;er bey die&#x017F;en<lb/><hi rendition="#g">vieren</hi> &#x017F;tehen wird, als wenn er nur ein einziges ha&#x0364;tte.&#x201C;</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div n="2">
          <dateline rendition="#right">Mittwoch den 27. December 1826.<lb/></dateline>
          <p>Dem Pha&#x0364;nomen des blauen und gelben Schattens<lb/>
hatte ich nun zu Hau&#x017F;e fleißig nachgedacht, und wie¬<lb/>
wohl es mir lange ein Ra&#x0364;th&#x017F;el blieb, &#x017F;o ging mir doch<lb/>
bey fortge&#x017F;etztem Beobachten ein Licht auf und ich ward<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[269/0289] „Das einzige Mittel, um jetzt ein deutſches Thea¬ ter oben zu halten, ſind Gaſtrollen. Haͤtte ich jetzt noch die Leitung, ſo ſollte der ganze Winter mit treff¬ lichen Gaſtſpielern beſetzt ſeyn. Dadurch wuͤrden nicht allein alle gute Stuͤcke immer wieder zum Vorſchein kommen, ſondern das Intereſſe wuͤrde auch mehr von den Stuͤcken ab auf das Spiel gelenkt; man koͤnnte vergleich und urtheilen, das Publicum gewoͤnne an Einſichten, und unſere eigenen Schauſpieler wuͤrden durch das bedeutende Spiel eines ausgezeichneten Ga¬ ſtes immer in Anregung und Nacheiferung erhalten. Wie geſagt: Gaſtrollen und immer Gaſtrollen, und ihr ſolltet uͤber den Nutzen erſtaunen, der daraus fuͤr Thea¬ ter und Publicum hervorgehen wuͤrde.“ „Ich ſehe die Zeit kommen, wo ein geſcheidter, der Sache gewachſener Kopf vier Theater zugleich uͤber¬ nehmen und ſie hin und her mit Gaſtrollen verſehen wird, und ich bin gewiß, daß er ſich beſſer bey dieſen vieren ſtehen wird, als wenn er nur ein einziges haͤtte.“ Mittwoch den 27. December 1826. Dem Phaͤnomen des blauen und gelben Schattens hatte ich nun zu Hauſe fleißig nachgedacht, und wie¬ wohl es mir lange ein Raͤthſel blieb, ſo ging mir doch bey fortgeſetztem Beobachten ein Licht auf und ich ward

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/289
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/289>, abgerufen am 19.04.2024.