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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836.

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Vor wenigen Tagen bin ich hier angekommen, heute
war ich zuerst bey Goethe. Der Empfang seiner Seits
war überaus herzlich und der Eindruck seiner Person
auf mich der Art, daß ich diesen Tag zu den glücklich¬
sten meines Lebens rechne.

Er hatte mir gestern, als ich anfragen ließ, diesen
Mittag zwölf Uhr als die Zeit bestimmt, wo ich ihm
willkommen seyn würde. Ich ging also zur gedachten
Stunde hin und fand den Bedienten auch bereits meiner
wartend und sich anschickend mich hinaufzuführen.

Das Innere des Hauses machte auf mich einen sehr
angenehmen Eindruck; ohne glänzend zu seyn war al¬
les höchst edel und einfach; auch deuteten verschiedene
an der Treppe stehende Abgüsse antiker Statuen auf
Goethe's besondere Neigung zur bildenden Kunst und
dem griechischen Alterthum. Ich sah verschiedene Frauen¬
zimmer, die unten im Hause geschäftig hin und wieder
gingen; auch einen der schönen Knaben Ottiliens, der

Vor wenigen Tagen bin ich hier angekommen, heute
war ich zuerſt bey Goethe. Der Empfang ſeiner Seits
war uͤberaus herzlich und der Eindruck ſeiner Perſon
auf mich der Art, daß ich dieſen Tag zu den gluͤcklich¬
ſten meines Lebens rechne.

Er hatte mir geſtern, als ich anfragen ließ, dieſen
Mittag zwoͤlf Uhr als die Zeit beſtimmt, wo ich ihm
willkommen ſeyn wuͤrde. Ich ging alſo zur gedachten
Stunde hin und fand den Bedienten auch bereits meiner
wartend und ſich anſchickend mich hinaufzufuͤhren.

Das Innere des Hauſes machte auf mich einen ſehr
angenehmen Eindruck; ohne glaͤnzend zu ſeyn war al¬
les hoͤchſt edel und einfach; auch deuteten verſchiedene
an der Treppe ſtehende Abguͤſſe antiker Statuen auf
Goethe's beſondere Neigung zur bildenden Kunſt und
dem griechiſchen Alterthum. Ich ſah verſchiedene Frauen¬
zimmer, die unten im Hauſe geſchaͤftig hin und wieder
gingen; auch einen der ſchoͤnen Knaben Ottiliens, der

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[0057] Weimar, Dienſtag den 10. Juny 1823. Vor wenigen Tagen bin ich hier angekommen, heute war ich zuerſt bey Goethe. Der Empfang ſeiner Seits war uͤberaus herzlich und der Eindruck ſeiner Perſon auf mich der Art, daß ich dieſen Tag zu den gluͤcklich¬ ſten meines Lebens rechne. Er hatte mir geſtern, als ich anfragen ließ, dieſen Mittag zwoͤlf Uhr als die Zeit beſtimmt, wo ich ihm willkommen ſeyn wuͤrde. Ich ging alſo zur gedachten Stunde hin und fand den Bedienten auch bereits meiner wartend und ſich anſchickend mich hinaufzufuͤhren. Das Innere des Hauſes machte auf mich einen ſehr angenehmen Eindruck; ohne glaͤnzend zu ſeyn war al¬ les hoͤchſt edel und einfach; auch deuteten verſchiedene an der Treppe ſtehende Abguͤſſe antiker Statuen auf Goethe's beſondere Neigung zur bildenden Kunſt und dem griechiſchen Alterthum. Ich ſah verſchiedene Frauen¬ zimmer, die unten im Hauſe geſchaͤftig hin und wieder gingen; auch einen der ſchoͤnen Knaben Ottiliens, der

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/57>, abgerufen am 29.03.2024.