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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836.

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ter und glücklicher, denn ich will nur gestehen, daß ver¬
schiedene größere Pläne, womit ich bis jetzt nicht recht
ins Klare kommen konnte, mir keine geringe Last ge¬
wesen sind. Jetzt habe ich sie von mir geworfen und
sie mögen nun ruhen, bis ich einmal einen Gegenstand
und eine Partie nach der andern mit Heiterkeit wieder
aufnehme und hinzeichne, so wie ich nach und nach durch
Erforschung der Welt von den einzelnen Theilen des
Stoffes Meister werde.

Ich fühle mich nun durch Goethe's Worte um ein
paar Jahre klüger und fortgerückt und weiß in meiner
tiefsten Seele das Glück zu erkennen, was es sagen will,
wenn man einmal mit einem rechten Meister zusammen¬
trifft. Der Vortheil ist gar nicht zu berechnen.

Was werde ich nun diesen Winter nicht noch bey
ihm lernen, und was werde ich nicht durch den bloßen
Umgang mit ihm gewinnen, auch in Stunden, wenn er
eben nicht grade etwas Bedeutendes spricht! -- Seine
Person, seine bloße Nähe scheint mir bildend zu seyn,
selbst wenn er kein Wort sagte.


Bey sehr freundlichem Wetter bin ich gestern von
Jena herübergefahren. Gleich nach meiner Ankunft sen¬
dete mir Goethe, zum Willkommen in Weimar, ein

ter und gluͤcklicher, denn ich will nur geſtehen, daß ver¬
ſchiedene groͤßere Plaͤne, womit ich bis jetzt nicht recht
ins Klare kommen konnte, mir keine geringe Laſt ge¬
weſen ſind. Jetzt habe ich ſie von mir geworfen und
ſie moͤgen nun ruhen, bis ich einmal einen Gegenſtand
und eine Partie nach der andern mit Heiterkeit wieder
aufnehme und hinzeichne, ſo wie ich nach und nach durch
Erforſchung der Welt von den einzelnen Theilen des
Stoffes Meiſter werde.

Ich fuͤhle mich nun durch Goethe's Worte um ein
paar Jahre kluͤger und fortgeruͤckt und weiß in meiner
tiefſten Seele das Gluͤck zu erkennen, was es ſagen will,
wenn man einmal mit einem rechten Meiſter zuſammen¬
trifft. Der Vortheil iſt gar nicht zu berechnen.

Was werde ich nun dieſen Winter nicht noch bey
ihm lernen, und was werde ich nicht durch den bloßen
Umgang mit ihm gewinnen, auch in Stunden, wenn er
eben nicht grade etwas Bedeutendes ſpricht! — Seine
Perſon, ſeine bloße Naͤhe ſcheint mir bildend zu ſeyn,
ſelbſt wenn er kein Wort ſagte.


Bey ſehr freundlichem Wetter bin ich geſtern von
Jena heruͤbergefahren. Gleich nach meiner Ankunft ſen¬
dete mir Goethe, zum Willkommen in Weimar, ein

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[57/0077] ter und gluͤcklicher, denn ich will nur geſtehen, daß ver¬ ſchiedene groͤßere Plaͤne, womit ich bis jetzt nicht recht ins Klare kommen konnte, mir keine geringe Laſt ge¬ weſen ſind. Jetzt habe ich ſie von mir geworfen und ſie moͤgen nun ruhen, bis ich einmal einen Gegenſtand und eine Partie nach der andern mit Heiterkeit wieder aufnehme und hinzeichne, ſo wie ich nach und nach durch Erforſchung der Welt von den einzelnen Theilen des Stoffes Meiſter werde. Ich fuͤhle mich nun durch Goethe's Worte um ein paar Jahre kluͤger und fortgeruͤckt und weiß in meiner tiefſten Seele das Gluͤck zu erkennen, was es ſagen will, wenn man einmal mit einem rechten Meiſter zuſammen¬ trifft. Der Vortheil iſt gar nicht zu berechnen. Was werde ich nun dieſen Winter nicht noch bey ihm lernen, und was werde ich nicht durch den bloßen Umgang mit ihm gewinnen, auch in Stunden, wenn er eben nicht grade etwas Bedeutendes ſpricht! — Seine Perſon, ſeine bloße Naͤhe ſcheint mir bildend zu ſeyn, ſelbſt wenn er kein Wort ſagte. Weimar, Donnerstag den 2. October 1823. Bey ſehr freundlichem Wetter bin ich geſtern von Jena heruͤbergefahren. Gleich nach meiner Ankunft ſen¬ dete mir Goethe, zum Willkommen in Weimar, ein

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/77>, abgerufen am 28.03.2024.