Bey seinem großen Interesse für die englische Nation hatte Goethe mich ersucht, die hier anwesenden jungen Engländer ihm nach und nach vorzustellen. Heute um fünf Uhr erwartete er mich mit dem englischen Ingenieur- Officier, Herrn H., von welchem ich ihm vorläufig viel Gutes hatte sagen können. Wir gingen also zur bestimmten Stunde hin und wurden durch den Bedien¬ ten in ein angenehm erwärmtes Zimmer geführt, wo Goethe in der Regel Nachmittags und Abends zu seyn pflegt. Drey Lichter brannten auf dem Tisch; aber Goethe war nicht darin, wir hörten ihn in dem an¬ stoßenden Saale sprechen.
Herr H. sah sich derweile um und bemerkte, außer den Gemälden und einer großen Gebirgscharte an den Wänden, ein Repositorium mit vielen Mappen, von welchen ich ihm sagte, daß sie viele Handzeichnungen berühmter Meister und Kupferstiche nach den besten Ge¬ mälden aller Schulen enthielten, die Goethe im Leben
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Montag den 10. Januar 1825.
Bey ſeinem großen Intereſſe fuͤr die engliſche Nation hatte Goethe mich erſucht, die hier anweſenden jungen Englaͤnder ihm nach und nach vorzuſtellen. Heute um fuͤnf Uhr erwartete er mich mit dem engliſchen Ingenieur- Officier, Herrn H., von welchem ich ihm vorlaͤufig viel Gutes hatte ſagen koͤnnen. Wir gingen alſo zur beſtimmten Stunde hin und wurden durch den Bedien¬ ten in ein angenehm erwaͤrmtes Zimmer gefuͤhrt, wo Goethe in der Regel Nachmittags und Abends zu ſeyn pflegt. Drey Lichter brannten auf dem Tiſch; aber Goethe war nicht darin, wir hoͤrten ihn in dem an¬ ſtoßenden Saale ſprechen.
Herr H. ſah ſich derweile um und bemerkte, außer den Gemaͤlden und einer großen Gebirgscharte an den Waͤnden, ein Repoſitorium mit vielen Mappen, von welchen ich ihm ſagte, daß ſie viele Handzeichnungen beruͤhmter Meiſter und Kupferſtiche nach den beſten Ge¬ maͤlden aller Schulen enthielten, die Goethe im Leben
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Montag den 10. Januar 1825.
Bey ſeinem großen Intereſſe fuͤr die engliſche Nation
hatte Goethe mich erſucht, die hier anweſenden jungen
Englaͤnder ihm nach und nach vorzuſtellen. Heute um
fuͤnf Uhr erwartete er mich mit dem engliſchen Ingenieur-
Officier, Herrn H., von welchem ich ihm vorlaͤufig
viel Gutes hatte ſagen koͤnnen. Wir gingen alſo zur
beſtimmten Stunde hin und wurden durch den Bedien¬
ten in ein angenehm erwaͤrmtes Zimmer gefuͤhrt, wo
Goethe in der Regel Nachmittags und Abends zu ſeyn
pflegt. Drey Lichter brannten auf dem Tiſch; aber
Goethe war nicht darin, wir hoͤrten ihn in dem an¬
ſtoßenden Saale ſprechen.
Herr H. ſah ſich derweile um und bemerkte, außer
den Gemaͤlden und einer großen Gebirgscharte an den
Waͤnden, ein Repoſitorium mit vielen Mappen, von
welchen ich ihm ſagte, daß ſie viele Handzeichnungen
beruͤhmter Meiſter und Kupferſtiche nach den beſten Ge¬
maͤlden aller Schulen enthielten, die Goethe im Leben
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. [179]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/199>, abgerufen am 18.04.2024.
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