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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836.

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die Fürstin und der Oheim an der Bude vorbeyreiten,
müssen die Leute heraustreten und die Fürstin bitten,
auch ihre Bude mit einem Besuch zu beglücken." Ge¬
wiß, sagte ich, Sie haben Recht; denn da alles Übrige
in der Exposition angedeutet ist, so müssen es auch diese
Leute werden, und es liegt ganz in der Sache, da sie
sich gewöhnlich an der Casse aufhalten, daß sie die
Fürstin nicht so unangefochten werden vorbeyreiten las¬
sen. "Sie sehen, sagte Goethe, daß man an einer
solchen Arbeit, wenn sie auch schon im Ganzen fertig
daliegt, im Einzelnen noch immer zu thun hat."

Goethe erzählte mir sodann von einem Ausländer,
der in dieser Zeit ihn hin und wieder besucht und davon
gesprochen, wie er dieses und jenes von seinen Werken
übersetzen wolle. "Er ist ein guter Mensch, sagte Goethe,
doch in literarischer Hinsicht bezeigt er sich als ein wahrer
Dilettant. Denn er kann noch kein deutsch und spricht
schon von Übersetzungen, die er machen, und von Por¬
traiten, die er ihnen will vordrucken lassen. Das ist
aber eben das Wesen der Dilettanten, daß sie die
Schwierigkeiten nicht kennen, die in einer Sache liegen,
und daß sie immer etwas unternehmen wollen, wozu
sie keine Kräfte haben."


die Fuͤrſtin und der Oheim an der Bude vorbeyreiten,
muͤſſen die Leute heraustreten und die Fuͤrſtin bitten,
auch ihre Bude mit einem Beſuch zu begluͤcken.“ Ge¬
wiß, ſagte ich, Sie haben Recht; denn da alles Übrige
in der Expoſition angedeutet iſt, ſo muͤſſen es auch dieſe
Leute werden, und es liegt ganz in der Sache, da ſie
ſich gewoͤhnlich an der Caſſe aufhalten, daß ſie die
Fuͤrſtin nicht ſo unangefochten werden vorbeyreiten laſ¬
ſen. „Sie ſehen, ſagte Goethe, daß man an einer
ſolchen Arbeit, wenn ſie auch ſchon im Ganzen fertig
daliegt, im Einzelnen noch immer zu thun hat.“

Goethe erzaͤhlte mir ſodann von einem Auslaͤnder,
der in dieſer Zeit ihn hin und wieder beſucht und davon
geſprochen, wie er dieſes und jenes von ſeinen Werken
uͤberſetzen wolle. „Er iſt ein guter Menſch, ſagte Goethe,
doch in literariſcher Hinſicht bezeigt er ſich als ein wahrer
Dilettant. Denn er kann noch kein deutſch und ſpricht
ſchon von Überſetzungen, die er machen, und von Por¬
traiten, die er ihnen will vordrucken laſſen. Das iſt
aber eben das Weſen der Dilettanten, daß ſie die
Schwierigkeiten nicht kennen, die in einer Sache liegen,
und daß ſie immer etwas unternehmen wollen, wozu
ſie keine Kraͤfte haben.“


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[314/0334] die Fuͤrſtin und der Oheim an der Bude vorbeyreiten, muͤſſen die Leute heraustreten und die Fuͤrſtin bitten, auch ihre Bude mit einem Beſuch zu begluͤcken.“ Ge¬ wiß, ſagte ich, Sie haben Recht; denn da alles Übrige in der Expoſition angedeutet iſt, ſo muͤſſen es auch dieſe Leute werden, und es liegt ganz in der Sache, da ſie ſich gewoͤhnlich an der Caſſe aufhalten, daß ſie die Fuͤrſtin nicht ſo unangefochten werden vorbeyreiten laſ¬ ſen. „Sie ſehen, ſagte Goethe, daß man an einer ſolchen Arbeit, wenn ſie auch ſchon im Ganzen fertig daliegt, im Einzelnen noch immer zu thun hat.“ Goethe erzaͤhlte mir ſodann von einem Auslaͤnder, der in dieſer Zeit ihn hin und wieder beſucht und davon geſprochen, wie er dieſes und jenes von ſeinen Werken uͤberſetzen wolle. „Er iſt ein guter Menſch, ſagte Goethe, doch in literariſcher Hinſicht bezeigt er ſich als ein wahrer Dilettant. Denn er kann noch kein deutſch und ſpricht ſchon von Überſetzungen, die er machen, und von Por¬ traiten, die er ihnen will vordrucken laſſen. Das iſt aber eben das Weſen der Dilettanten, daß ſie die Schwierigkeiten nicht kennen, die in einer Sache liegen, und daß ſie immer etwas unternehmen wollen, wozu ſie keine Kraͤfte haben.“

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/334>, abgerufen am 23.04.2024.