Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Reden über seinem Anblick, ich konnte mich an ihm
nicht satt sehen. Das Gesicht so kräftig und braun
und voller Falten und jede Falte voller Ausdruck. Und
in Allem solche Biederkeit und Festigkeit und solche
Ruhe und Größe! Er sprach langsam und bequem, so
wie man sich wohl einen bejahrten Monarchen denkt
wenn er redet. Man sah ihm an, daß er in sich selber
ruhet und über Lob und Tadel erhaben ist. Es war
mir bey ihm unbeschreiblich wohl; ich fühlte mich be¬
ruhigt, so wie es jemandem seyn mag, der nach vieler
Mühe und langem Hoffen endlich seine liebsten Wünsche
befriedigt sieht.

Er kam sodann auf meinen Brief und daß ich
Recht habe, daß, wenn man eine Sache mit Klarheit zu
behandeln vermöge, man auch zu vielen anderen Dingen
tauglich sey.

"Man kann nicht wissen wie sich das drehet und wen¬
det, sagte er dann; ich habe manchen hübschen Freund
in Berlin, da habe ich denn dieser Tage Ihrer gedacht."

Dabey lächelte er liebevoll in sich. Er machte mich
sodann aufmerksam, was ich in diesen Tagen in Weimar
alles noch sehen müsse, und daß er den Herrn Secre¬
tair Kräuter bitten wolle mich herumzuführen. Vor
allen aber solle ich ja nicht versäumen das Theater zu
besuchen. Er fragte mich darauf wo ich logire und
sagte, daß er mich noch einmal zu sehen wünsche und
zu einer passenden Stunde senden wolle.

Reden uͤber ſeinem Anblick, ich konnte mich an ihm
nicht ſatt ſehen. Das Geſicht ſo kraͤftig und braun
und voller Falten und jede Falte voller Ausdruck. Und
in Allem ſolche Biederkeit und Feſtigkeit und ſolche
Ruhe und Groͤße! Er ſprach langſam und bequem, ſo
wie man ſich wohl einen bejahrten Monarchen denkt
wenn er redet. Man ſah ihm an, daß er in ſich ſelber
ruhet und uͤber Lob und Tadel erhaben iſt. Es war
mir bey ihm unbeſchreiblich wohl; ich fuͤhlte mich be¬
ruhigt, ſo wie es jemandem ſeyn mag, der nach vieler
Muͤhe und langem Hoffen endlich ſeine liebſten Wuͤnſche
befriedigt ſieht.

Er kam ſodann auf meinen Brief und daß ich
Recht habe, daß, wenn man eine Sache mit Klarheit zu
behandeln vermoͤge, man auch zu vielen anderen Dingen
tauglich ſey.

„Man kann nicht wiſſen wie ſich das drehet und wen¬
det, ſagte er dann; ich habe manchen huͤbſchen Freund
in Berlin, da habe ich denn dieſer Tage Ihrer gedacht.“

Dabey laͤchelte er liebevoll in ſich. Er machte mich
ſodann aufmerkſam, was ich in dieſen Tagen in Weimar
alles noch ſehen muͤſſe, und daß er den Herrn Secre¬
tair Kraͤuter bitten wolle mich herumzufuͤhren. Vor
allen aber ſolle ich ja nicht verſaͤumen das Theater zu
beſuchen. Er fragte mich darauf wo ich logire und
ſagte, daß er mich noch einmal zu ſehen wuͤnſche und
zu einer paſſenden Stunde ſenden wolle.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0060" n="40"/>
Reden u&#x0364;ber &#x017F;einem Anblick, ich konnte mich an ihm<lb/>
nicht &#x017F;att &#x017F;ehen. Das Ge&#x017F;icht &#x017F;o kra&#x0364;ftig und braun<lb/>
und voller Falten und jede Falte voller Ausdruck. Und<lb/>
in Allem &#x017F;olche Biederkeit und Fe&#x017F;tigkeit und &#x017F;olche<lb/>
Ruhe und Gro&#x0364;ße! Er &#x017F;prach lang&#x017F;am und bequem, &#x017F;o<lb/>
wie man &#x017F;ich wohl einen bejahrten Monarchen denkt<lb/>
wenn er redet. Man &#x017F;ah ihm an, daß er in &#x017F;ich &#x017F;elber<lb/>
ruhet und u&#x0364;ber Lob und Tadel erhaben i&#x017F;t. Es war<lb/>
mir bey ihm unbe&#x017F;chreiblich wohl; ich fu&#x0364;hlte mich be¬<lb/>
ruhigt, &#x017F;o wie es jemandem &#x017F;eyn mag, der nach vieler<lb/>
Mu&#x0364;he und langem Hoffen endlich &#x017F;eine lieb&#x017F;ten Wu&#x0364;n&#x017F;che<lb/>
befriedigt &#x017F;ieht.</p><lb/>
          <p>Er kam &#x017F;odann auf meinen Brief und daß ich<lb/>
Recht habe, daß, wenn man <hi rendition="#g">eine</hi> Sache mit Klarheit zu<lb/>
behandeln vermo&#x0364;ge, man auch zu vielen anderen Dingen<lb/>
tauglich &#x017F;ey.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Man kann nicht wi&#x017F;&#x017F;en wie &#x017F;ich das drehet und wen¬<lb/>
det, &#x017F;agte er dann; ich habe manchen hu&#x0364;b&#x017F;chen Freund<lb/>
in Berlin, da habe ich denn die&#x017F;er Tage Ihrer gedacht.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Dabey la&#x0364;chelte er liebevoll in &#x017F;ich. Er machte mich<lb/>
&#x017F;odann aufmerk&#x017F;am, was ich in die&#x017F;en Tagen in Weimar<lb/>
alles noch &#x017F;ehen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, und daß er den Herrn Secre¬<lb/>
tair <hi rendition="#g">Kra&#x0364;uter</hi> bitten wolle mich herumzufu&#x0364;hren. Vor<lb/>
allen aber &#x017F;olle ich ja nicht ver&#x017F;a&#x0364;umen das Theater zu<lb/>
be&#x017F;uchen. Er fragte mich darauf wo ich logire und<lb/>
&#x017F;agte, daß er mich noch einmal zu &#x017F;ehen wu&#x0364;n&#x017F;che und<lb/>
zu einer pa&#x017F;&#x017F;enden Stunde &#x017F;enden wolle.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0060] Reden uͤber ſeinem Anblick, ich konnte mich an ihm nicht ſatt ſehen. Das Geſicht ſo kraͤftig und braun und voller Falten und jede Falte voller Ausdruck. Und in Allem ſolche Biederkeit und Feſtigkeit und ſolche Ruhe und Groͤße! Er ſprach langſam und bequem, ſo wie man ſich wohl einen bejahrten Monarchen denkt wenn er redet. Man ſah ihm an, daß er in ſich ſelber ruhet und uͤber Lob und Tadel erhaben iſt. Es war mir bey ihm unbeſchreiblich wohl; ich fuͤhlte mich be¬ ruhigt, ſo wie es jemandem ſeyn mag, der nach vieler Muͤhe und langem Hoffen endlich ſeine liebſten Wuͤnſche befriedigt ſieht. Er kam ſodann auf meinen Brief und daß ich Recht habe, daß, wenn man eine Sache mit Klarheit zu behandeln vermoͤge, man auch zu vielen anderen Dingen tauglich ſey. „Man kann nicht wiſſen wie ſich das drehet und wen¬ det, ſagte er dann; ich habe manchen huͤbſchen Freund in Berlin, da habe ich denn dieſer Tage Ihrer gedacht.“ Dabey laͤchelte er liebevoll in ſich. Er machte mich ſodann aufmerkſam, was ich in dieſen Tagen in Weimar alles noch ſehen muͤſſe, und daß er den Herrn Secre¬ tair Kraͤuter bitten wolle mich herumzufuͤhren. Vor allen aber ſolle ich ja nicht verſaͤumen das Theater zu beſuchen. Er fragte mich darauf wo ich logire und ſagte, daß er mich noch einmal zu ſehen wuͤnſche und zu einer paſſenden Stunde ſenden wolle.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/60
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/60>, abgerufen am 28.03.2024.