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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836.

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woher es ausgegangen. Der Schluß, wunderbar abge¬
rissen, wirkte durchaus ungewohnt und tief ergreifend.

Als ich ausgelesen, trat Goethe wieder zu mir heran.
"Gelt! sagte er, da habe ich Euch etwas Gutes gezeigt.
In einigen Tagen sollen Sie mir darüber weissagen."
Es war mir sehr lieb, daß Goethe durch diese Worte ein
augenblickliches Urtheil meinerseits ablehnte, denn ohne¬
hin war der Eindruck zu neu und zu schnell vorüber¬
gehend, als daß ich etwas Gehöriges darüber hätte sa¬
gen können.

Goethe versprach, bey ruhiger Stunde es mir aber¬
mals vorzulegen. Es war indeß die Zeit des Theaters
herangekommen und ich schied unter herzlichem Hände¬
drücken.

Die Schachmaschine mochte ein sehr gutes Stück
seyn und auch eben so gut gespielt werden, allein ich
war nicht dabey, meine Gedanken waren bey Goethe.

Nach dem Theater ging ich an seinem Hause vor¬
über, es glänzte alles von Lichtern, ich hörte, daß ge¬
spielt wurde und bereute, daß ich nicht dort geblieben.


Am andern Tag erzählte man mir, daß die junge
polnische Dame, Madame Szymanowska, der zu
Ehren der festliche Abend veranstaltet worden, den Flü¬
gel ganz meisterhaft gespielt habe, zum Entzücken der
ganzen Gesellschaft. Ich erfuhr auch, daß Goethe sie

woher es ausgegangen. Der Schluß, wunderbar abge¬
riſſen, wirkte durchaus ungewohnt und tief ergreifend.

Als ich ausgeleſen, trat Goethe wieder zu mir heran.
„Gelt! ſagte er, da habe ich Euch etwas Gutes gezeigt.
In einigen Tagen ſollen Sie mir daruͤber weiſſagen.“
Es war mir ſehr lieb, daß Goethe durch dieſe Worte ein
augenblickliches Urtheil meinerſeits ablehnte, denn ohne¬
hin war der Eindruck zu neu und zu ſchnell voruͤber¬
gehend, als daß ich etwas Gehoͤriges daruͤber haͤtte ſa¬
gen koͤnnen.

Goethe verſprach, bey ruhiger Stunde es mir aber¬
mals vorzulegen. Es war indeß die Zeit des Theaters
herangekommen und ich ſchied unter herzlichem Haͤnde¬
druͤcken.

Die Schachmaſchine mochte ein ſehr gutes Stuͤck
ſeyn und auch eben ſo gut geſpielt werden, allein ich
war nicht dabey, meine Gedanken waren bey Goethe.

Nach dem Theater ging ich an ſeinem Hauſe vor¬
uͤber, es glaͤnzte alles von Lichtern, ich hoͤrte, daß ge¬
ſpielt wurde und bereute, daß ich nicht dort geblieben.


Am andern Tag erzaͤhlte man mir, daß die junge
polniſche Dame, Madame Szymanowska, der zu
Ehren der feſtliche Abend veranſtaltet worden, den Fluͤ¬
gel ganz meiſterhaft geſpielt habe, zum Entzuͤcken der
ganzen Geſellſchaft. Ich erfuhr auch, daß Goethe ſie

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[72/0092] woher es ausgegangen. Der Schluß, wunderbar abge¬ riſſen, wirkte durchaus ungewohnt und tief ergreifend. Als ich ausgeleſen, trat Goethe wieder zu mir heran. „Gelt! ſagte er, da habe ich Euch etwas Gutes gezeigt. In einigen Tagen ſollen Sie mir daruͤber weiſſagen.“ Es war mir ſehr lieb, daß Goethe durch dieſe Worte ein augenblickliches Urtheil meinerſeits ablehnte, denn ohne¬ hin war der Eindruck zu neu und zu ſchnell voruͤber¬ gehend, als daß ich etwas Gehoͤriges daruͤber haͤtte ſa¬ gen koͤnnen. Goethe verſprach, bey ruhiger Stunde es mir aber¬ mals vorzulegen. Es war indeß die Zeit des Theaters herangekommen und ich ſchied unter herzlichem Haͤnde¬ druͤcken. Die Schachmaſchine mochte ein ſehr gutes Stuͤck ſeyn und auch eben ſo gut geſpielt werden, allein ich war nicht dabey, meine Gedanken waren bey Goethe. Nach dem Theater ging ich an ſeinem Hauſe vor¬ uͤber, es glaͤnzte alles von Lichtern, ich hoͤrte, daß ge¬ ſpielt wurde und bereute, daß ich nicht dort geblieben. Am andern Tag erzaͤhlte man mir, daß die junge polniſche Dame, Madame Szymanowska, der zu Ehren der feſtliche Abend veranſtaltet worden, den Fluͤ¬ gel ganz meiſterhaft geſpielt habe, zum Entzuͤcken der ganzen Geſellſchaft. Ich erfuhr auch, daß Goethe ſie

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/92>, abgerufen am 19.04.2024.