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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.

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wodurch sie sich gestärkt fühlen und nun eine Figur
machen."

"B e ranger dagegen ist ein Talent, das sich sel¬
ber genug ist. Er hat daher auch nie einer Partey
gedient. Er empfindet zu viele Satisfaction in seinem
Innern, als daß ihm die Welt etwas geben oder neh¬
men könnte."


Mit Goethe in seiner Arbeitsstube alleine zu Tisch.
Nach manchen heiteren Unterhaltungen brachte er zuletzt
das Gespräch auf seine persönlichen Angelegenheiten,
indem er aufstand und von seinem Pulte ein beschriebe¬
nes Papier nahm.

"Wenn einer, wie ich, über die achtzig hinaus ist,
sagte er, hat er kaum noch ein Recht zu leben; er muß
jeden Tag darauf gefaßt seyn, abgerufen zu werden,
und daran denken, sein Haus zu bestellen. Ich habe,
wie ich Ihnen schon neulich eröffnete, Sie in meinem
Testament zum Herausgeber meines literarischen Nach¬
lasses ernannt, und habe diesen Morgen, als eine Art
von Contract, eine kleine Schrift aufgesetzt, die Sie
mit mir unterzeichnen sollen."

Mit diesen Worten legte Goethe mir den Aufsatz
vor, worin ich die nach seinem Tode herauszugebenden,

wodurch ſie ſich geſtaͤrkt fuͤhlen und nun eine Figur
machen.“

B é ranger dagegen iſt ein Talent, das ſich ſel¬
ber genug iſt. Er hat daher auch nie einer Partey
gedient. Er empfindet zu viele Satisfaction in ſeinem
Innern, als daß ihm die Welt etwas geben oder neh¬
men koͤnnte.“


Mit Goethe in ſeiner Arbeitsſtube alleine zu Tiſch.
Nach manchen heiteren Unterhaltungen brachte er zuletzt
das Geſpraͤch auf ſeine perſoͤnlichen Angelegenheiten,
indem er aufſtand und von ſeinem Pulte ein beſchriebe¬
nes Papier nahm.

„Wenn einer, wie ich, uͤber die achtzig hinaus iſt,
ſagte er, hat er kaum noch ein Recht zu leben; er muß
jeden Tag darauf gefaßt ſeyn, abgerufen zu werden,
und daran denken, ſein Haus zu beſtellen. Ich habe,
wie ich Ihnen ſchon neulich eroͤffnete, Sie in meinem
Teſtament zum Herausgeber meines literariſchen Nach¬
laſſes ernannt, und habe dieſen Morgen, als eine Art
von Contract, eine kleine Schrift aufgeſetzt, die Sie
mit mir unterzeichnen ſollen.“

Mit dieſen Worten legte Goethe mir den Aufſatz
vor, worin ich die nach ſeinem Tode herauszugebenden,

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[341/0351] wodurch ſie ſich geſtaͤrkt fuͤhlen und nun eine Figur machen.“ „B é ranger dagegen iſt ein Talent, das ſich ſel¬ ber genug iſt. Er hat daher auch nie einer Partey gedient. Er empfindet zu viele Satisfaction in ſeinem Innern, als daß ihm die Welt etwas geben oder neh¬ men koͤnnte.“ Sonntag den 15. May 1831. Mit Goethe in ſeiner Arbeitsſtube alleine zu Tiſch. Nach manchen heiteren Unterhaltungen brachte er zuletzt das Geſpraͤch auf ſeine perſoͤnlichen Angelegenheiten, indem er aufſtand und von ſeinem Pulte ein beſchriebe¬ nes Papier nahm. „Wenn einer, wie ich, uͤber die achtzig hinaus iſt, ſagte er, hat er kaum noch ein Recht zu leben; er muß jeden Tag darauf gefaßt ſeyn, abgerufen zu werden, und daran denken, ſein Haus zu beſtellen. Ich habe, wie ich Ihnen ſchon neulich eroͤffnete, Sie in meinem Teſtament zum Herausgeber meines literariſchen Nach¬ laſſes ernannt, und habe dieſen Morgen, als eine Art von Contract, eine kleine Schrift aufgeſetzt, die Sie mit mir unterzeichnen ſollen.“ Mit dieſen Worten legte Goethe mir den Aufſatz vor, worin ich die nach ſeinem Tode herauszugebenden,

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/351>, abgerufen am 19.04.2024.