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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.

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Goethe sprach sodann von Egon Eberts neuestem
epischen Gedicht, deßgleichen von der früheren Weiber¬
herrschaft in Böhmen, und woher die Sage von den
Amazonen entstanden.

Dieß brachte die Unterhaltung auf das Epos eines
anderen Dichters, der sich viel Mühe gegeben, sein Werk
in öffentlichen Blättern günstig beurtheilt zu sehen.
"Solche Urtheile, sagte Goethe, sind denn auch hier
und dort erschienen. Nun aber ist die Hallische Lite¬
raturzeitung dahinter gekommen, und hat gradezu aus¬
gesprochen, was von dem Gedicht eigentlich zu halten,
wodurch denn alle günstigen Redensarten der übrigen
Blätter vernichtet worden. Wer jetzt nicht das Rechte
will, ist bald entdeckt; es ist nicht mehr die Zeit, das
Publicum zum Besten zu haben und es in die Irre zu
führen."

Ich bewundere, sagte ich, daß die Menschen um
ein wenig Namen es sich so sauer werden lassen, so
daß sie selbst zu falschen Mitteln ihre Zuflucht nehmen.

"Liebes Kind, sagte Goethe, ein Name ist nichts
Geringes. Hat doch Napoleon eines großen Namens
wegen fast die halbe Welt in Stücke geschlagen!" --

Es entstand eine kleine Pause im Gespräch, dann
aber erzählte Goethe mir Ferneres von dem neuen Buche
über Napoleon. "Die Gewalt des Wahren ist groß,
sagte er. Aller Nimbus, alle Illusion, die Journalisten,
Geschichtsschreiber und Poeten über Napoleon gebracht

Goethe ſprach ſodann von Egon Eberts neueſtem
epiſchen Gedicht, deßgleichen von der fruͤheren Weiber¬
herrſchaft in Boͤhmen, und woher die Sage von den
Amazonen entſtanden.

Dieß brachte die Unterhaltung auf das Epos eines
anderen Dichters, der ſich viel Muͤhe gegeben, ſein Werk
in oͤffentlichen Blaͤttern guͤnſtig beurtheilt zu ſehen.
„Solche Urtheile, ſagte Goethe, ſind denn auch hier
und dort erſchienen. Nun aber iſt die Halliſche Lite¬
raturzeitung dahinter gekommen, und hat gradezu aus¬
geſprochen, was von dem Gedicht eigentlich zu halten,
wodurch denn alle guͤnſtigen Redensarten der uͤbrigen
Blaͤtter vernichtet worden. Wer jetzt nicht das Rechte
will, iſt bald entdeckt; es iſt nicht mehr die Zeit, das
Publicum zum Beſten zu haben und es in die Irre zu
fuͤhren.“

Ich bewundere, ſagte ich, daß die Menſchen um
ein wenig Namen es ſich ſo ſauer werden laſſen, ſo
daß ſie ſelbſt zu falſchen Mitteln ihre Zuflucht nehmen.

„Liebes Kind, ſagte Goethe, ein Name iſt nichts
Geringes. Hat doch Napoleon eines großen Namens
wegen faſt die halbe Welt in Stuͤcke geſchlagen!“ —

Es entſtand eine kleine Pauſe im Geſpraͤch, dann
aber erzaͤhlte Goethe mir Ferneres von dem neuen Buche
uͤber Napoleon. „Die Gewalt des Wahren iſt groß,
ſagte er. Aller Nimbus, alle Illuſion, die Journaliſten,
Geſchichtsſchreiber und Poeten uͤber Napoleon gebracht

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[104/0114] Goethe ſprach ſodann von Egon Eberts neueſtem epiſchen Gedicht, deßgleichen von der fruͤheren Weiber¬ herrſchaft in Boͤhmen, und woher die Sage von den Amazonen entſtanden. Dieß brachte die Unterhaltung auf das Epos eines anderen Dichters, der ſich viel Muͤhe gegeben, ſein Werk in oͤffentlichen Blaͤttern guͤnſtig beurtheilt zu ſehen. „Solche Urtheile, ſagte Goethe, ſind denn auch hier und dort erſchienen. Nun aber iſt die Halliſche Lite¬ raturzeitung dahinter gekommen, und hat gradezu aus¬ geſprochen, was von dem Gedicht eigentlich zu halten, wodurch denn alle guͤnſtigen Redensarten der uͤbrigen Blaͤtter vernichtet worden. Wer jetzt nicht das Rechte will, iſt bald entdeckt; es iſt nicht mehr die Zeit, das Publicum zum Beſten zu haben und es in die Irre zu fuͤhren.“ Ich bewundere, ſagte ich, daß die Menſchen um ein wenig Namen es ſich ſo ſauer werden laſſen, ſo daß ſie ſelbſt zu falſchen Mitteln ihre Zuflucht nehmen. „Liebes Kind, ſagte Goethe, ein Name iſt nichts Geringes. Hat doch Napoleon eines großen Namens wegen faſt die halbe Welt in Stuͤcke geſchlagen!“ — Es entſtand eine kleine Pauſe im Geſpraͤch, dann aber erzaͤhlte Goethe mir Ferneres von dem neuen Buche uͤber Napoleon. „Die Gewalt des Wahren iſt groß, ſagte er. Aller Nimbus, alle Illuſion, die Journaliſten, Geſchichtsſchreiber und Poeten uͤber Napoleon gebracht

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/114>, abgerufen am 29.03.2024.