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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.

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nehmen Sie, setzen Sie sich zu mir her und lesen
Sie."

Ich nahm den Brief, Goethe nahm die Zeitung,
und so las ich denn ganz ungestört die Königlichen
Worte. Der Brief war datirt: Rom, den 26. März
1829, und mit einer stattlichen Hand sehr deutlich ge¬
schrieben. Der König meldete Goethen, daß er sich in
Rom ein Besitzthum gekauft, und zwar die Villa di
Malta
mit anliegenden Gärten, in der Nähe der
Villa Ludovisi, am nordwestlichen Ende der Stadt,
auf einem Hügel gelegen, so daß er das ganze Rom
überschauen könne und gegen Nordost einen freyen An¬
blick von Sanct Peter habe. "Es ist eine Aussicht,
schreibt er, welche zu genießen man weit reisen würde,
und die ich nun bequem zu jeder Stunde des Tages
aus den Fenstern meines Eigenthums habe." Er fährt
fort sich glücklich zu preisen, nun in Rom auf eine so
schöne Weise ansässig zu seyn. "Ich hatte Rom in
zwölf Jahren nicht gesehen, schreibt er, ich sehnte mich
danach wie man sich nach einer Geliebten sehnt; von
nun an aber werde ich mit der beruhigten Empfindung
zurückkehren, wie man zu einer geliebten Freundin geht."
Von den erhabenen Kunstschätzen und Gebäuden spricht
er sodann mit der Begeisterung eines Kenners, dem
das wahrhaft Schöne und dessen Förderung am Herzen
liegt, und der jede Abweichung vom guten Geschmack
lebhaft empfindet. Überall war der Brief durchweg so

nehmen Sie, ſetzen Sie ſich zu mir her und leſen
Sie.“

Ich nahm den Brief, Goethe nahm die Zeitung,
und ſo las ich denn ganz ungeſtoͤrt die Koͤniglichen
Worte. Der Brief war datirt: Rom, den 26. Maͤrz
1829, und mit einer ſtattlichen Hand ſehr deutlich ge¬
ſchrieben. Der Koͤnig meldete Goethen, daß er ſich in
Rom ein Beſitzthum gekauft, und zwar die Villa di
Malta
mit anliegenden Gaͤrten, in der Naͤhe der
Villa Ludoviſi, am nordweſtlichen Ende der Stadt,
auf einem Huͤgel gelegen, ſo daß er das ganze Rom
uͤberſchauen koͤnne und gegen Nordoſt einen freyen An¬
blick von Sanct Peter habe. „Es iſt eine Ausſicht,
ſchreibt er, welche zu genießen man weit reiſen wuͤrde,
und die ich nun bequem zu jeder Stunde des Tages
aus den Fenſtern meines Eigenthums habe.“ Er faͤhrt
fort ſich gluͤcklich zu preiſen, nun in Rom auf eine ſo
ſchoͤne Weiſe anſaͤſſig zu ſeyn. „Ich hatte Rom in
zwoͤlf Jahren nicht geſehen, ſchreibt er, ich ſehnte mich
danach wie man ſich nach einer Geliebten ſehnt; von
nun an aber werde ich mit der beruhigten Empfindung
zuruͤckkehren, wie man zu einer geliebten Freundin geht.“
Von den erhabenen Kunſtſchaͤtzen und Gebaͤuden ſpricht
er ſodann mit der Begeiſterung eines Kenners, dem
das wahrhaft Schoͤne und deſſen Foͤrderung am Herzen
liegt, und der jede Abweichung vom guten Geſchmack
lebhaft empfindet. Überall war der Brief durchweg ſo

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[117/0127] nehmen Sie, ſetzen Sie ſich zu mir her und leſen Sie.“ Ich nahm den Brief, Goethe nahm die Zeitung, und ſo las ich denn ganz ungeſtoͤrt die Koͤniglichen Worte. Der Brief war datirt: Rom, den 26. Maͤrz 1829, und mit einer ſtattlichen Hand ſehr deutlich ge¬ ſchrieben. Der Koͤnig meldete Goethen, daß er ſich in Rom ein Beſitzthum gekauft, und zwar die Villa di Malta mit anliegenden Gaͤrten, in der Naͤhe der Villa Ludoviſi, am nordweſtlichen Ende der Stadt, auf einem Huͤgel gelegen, ſo daß er das ganze Rom uͤberſchauen koͤnne und gegen Nordoſt einen freyen An¬ blick von Sanct Peter habe. „Es iſt eine Ausſicht, ſchreibt er, welche zu genießen man weit reiſen wuͤrde, und die ich nun bequem zu jeder Stunde des Tages aus den Fenſtern meines Eigenthums habe.“ Er faͤhrt fort ſich gluͤcklich zu preiſen, nun in Rom auf eine ſo ſchoͤne Weiſe anſaͤſſig zu ſeyn. „Ich hatte Rom in zwoͤlf Jahren nicht geſehen, ſchreibt er, ich ſehnte mich danach wie man ſich nach einer Geliebten ſehnt; von nun an aber werde ich mit der beruhigten Empfindung zuruͤckkehren, wie man zu einer geliebten Freundin geht.“ Von den erhabenen Kunſtſchaͤtzen und Gebaͤuden ſpricht er ſodann mit der Begeiſterung eines Kenners, dem das wahrhaft Schoͤne und deſſen Foͤrderung am Herzen liegt, und der jede Abweichung vom guten Geſchmack lebhaft empfindet. Überall war der Brief durchweg ſo

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/127>, abgerufen am 25.04.2024.