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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.

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Ich merkte mir dieses als eine gute Lehre in meinen
Studien. Indessen war die Zeit des Theaters heran¬
gerückt und ich schickte mich an zu gehen. "Sehen Sie
zu, sagte Goethe lachend, indem er mich entließ, daß
Sie die Schrecknisse der dreyßig Jahre aus dem
Leben eines Spielers
heute gut überstehen."


"In Erwartung der Suppe will ich Ihnen indeß
eine Erquickung der Augen geben." Mit diesen freund¬
lichen Worten legte Goethe mir einen Band vor, mit
Landschaften von Claude Lorrain.

Es waren die ersten, die ich von diesem großen
Meister gesehen. Der Eindruck war außerordentlich,
und mein Erstaunen und Entzücken stieg, so wie ich
ein folgendes und abermals ein folgendes Blatt um¬
wendete. Die Gewalt der schattigen Massen hüben und
drüben, nicht weniger das mächtige Sonnenlicht aus
dem Hintergrunde hervor in der Luft und dessen Wie¬
derglanz im Wasser, woraus denn immer die große
Klarheit und Entschiedenheit des Eindrucks hervorging,
empfand ich als stets wiederkehrende Kunstmaxime des
großen Meisters. So auch hatte ich mit Freude zu be¬
wundern, wie jedes Bild durch und durch eine kleine

Ich merkte mir dieſes als eine gute Lehre in meinen
Studien. Indeſſen war die Zeit des Theaters heran¬
geruͤckt und ich ſchickte mich an zu gehen. „Sehen Sie
zu, ſagte Goethe lachend, indem er mich entließ, daß
Sie die Schreckniſſe der dreyßig Jahre aus dem
Leben eines Spielers
heute gut uͤberſtehen.“


„In Erwartung der Suppe will ich Ihnen indeß
eine Erquickung der Augen geben.“ Mit dieſen freund¬
lichen Worten legte Goethe mir einen Band vor, mit
Landſchaften von Claude Lorrain.

Es waren die erſten, die ich von dieſem großen
Meiſter geſehen. Der Eindruck war außerordentlich,
und mein Erſtaunen und Entzuͤcken ſtieg, ſo wie ich
ein folgendes und abermals ein folgendes Blatt um¬
wendete. Die Gewalt der ſchattigen Maſſen huͤben und
druͤben, nicht weniger das maͤchtige Sonnenlicht aus
dem Hintergrunde hervor in der Luft und deſſen Wie¬
derglanz im Waſſer, woraus denn immer die große
Klarheit und Entſchiedenheit des Eindrucks hervorging,
empfand ich als ſtets wiederkehrende Kunſtmaxime des
großen Meiſters. So auch hatte ich mit Freude zu be¬
wundern, wie jedes Bild durch und durch eine kleine

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[125/0135] Ich merkte mir dieſes als eine gute Lehre in meinen Studien. Indeſſen war die Zeit des Theaters heran¬ geruͤckt und ich ſchickte mich an zu gehen. „Sehen Sie zu, ſagte Goethe lachend, indem er mich entließ, daß Sie die Schreckniſſe der dreyßig Jahre aus dem Leben eines Spielers heute gut uͤberſtehen.“ Freytag, den 10. April 1829. „In Erwartung der Suppe will ich Ihnen indeß eine Erquickung der Augen geben.“ Mit dieſen freund¬ lichen Worten legte Goethe mir einen Band vor, mit Landſchaften von Claude Lorrain. Es waren die erſten, die ich von dieſem großen Meiſter geſehen. Der Eindruck war außerordentlich, und mein Erſtaunen und Entzuͤcken ſtieg, ſo wie ich ein folgendes und abermals ein folgendes Blatt um¬ wendete. Die Gewalt der ſchattigen Maſſen huͤben und druͤben, nicht weniger das maͤchtige Sonnenlicht aus dem Hintergrunde hervor in der Luft und deſſen Wie¬ derglanz im Waſſer, woraus denn immer die große Klarheit und Entſchiedenheit des Eindrucks hervorging, empfand ich als ſtets wiederkehrende Kunſtmaxime des großen Meiſters. So auch hatte ich mit Freude zu be¬ wundern, wie jedes Bild durch und durch eine kleine

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/135>, abgerufen am 29.03.2024.