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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.

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schen darauf gehen, ehe die Welt wieder zur Ruhe
kommt."

"An literarische Wirkung ist auf einige Jahre gar
nicht zu denken, und man kann jetzt weiter nichts thun,
als für eine friedlichere Zukunft im Stillen manches
Gute vorzubereiten."

Nach diesem wenigen Politischen waren wir bald
wieder in Gesprächen über Daphnis und Chloe.
Goethe lobte die Übersetzung von Courier als ganz
vollkommen. "Courier hat wohl gethan, sagte er, die
alte Übersetzung von Amyot zu respectiren und beyzu¬
behalten, und sie nur an einigen Stellen zu verbessern
und zu reinigen und näher an das Original hinanzu¬
treiben. Dieses alte Französisch ist so naiv, und paßt
so durchaus für diesen Gegenstand, daß man nicht leicht
eine vollkommnere Übersetzung in irgend einer anderen
Sprache von diesem Buche machen wird."

Wir redeten sodann von Courier's eigenen Werken,
von seinen kleinen Flugschriften, und der Vertheidigung
des berüchtigten Tintenflecks auf dem Manuscript zu
Florenz.

"Courier ist ein großes Naturtalent, sagte Goethe, das
Züge von Byron hat, so wie von Beaumarchais und
Diderot. Er hat von Byron die große Gegenwart al¬
ler Dinge, die ihm als Argument dienen; von Beau¬
marchais die große advocatische Gewandtheit; von Dide¬
rot das Dialektische, und zudem ist er so geistreich, daß

ſchen darauf gehen, ehe die Welt wieder zur Ruhe
kommt.“

„An literariſche Wirkung iſt auf einige Jahre gar
nicht zu denken, und man kann jetzt weiter nichts thun,
als fuͤr eine friedlichere Zukunft im Stillen manches
Gute vorzubereiten.“

Nach dieſem wenigen Politiſchen waren wir bald
wieder in Geſpraͤchen uͤber Daphnis und Chloe.
Goethe lobte die Überſetzung von Courier als ganz
vollkommen. „Courier hat wohl gethan, ſagte er, die
alte Überſetzung von Amyot zu reſpectiren und beyzu¬
behalten, und ſie nur an einigen Stellen zu verbeſſern
und zu reinigen und naͤher an das Original hinanzu¬
treiben. Dieſes alte Franzoͤſiſch iſt ſo naiv, und paßt
ſo durchaus fuͤr dieſen Gegenſtand, daß man nicht leicht
eine vollkommnere Überſetzung in irgend einer anderen
Sprache von dieſem Buche machen wird.“

Wir redeten ſodann von Courier's eigenen Werken,
von ſeinen kleinen Flugſchriften, und der Vertheidigung
des beruͤchtigten Tintenflecks auf dem Manuſcript zu
Florenz.

„Courier iſt ein großes Naturtalent, ſagte Goethe, das
Zuͤge von Byron hat, ſo wie von Beaumarchais und
Diderot. Er hat von Byron die große Gegenwart al¬
ler Dinge, die ihm als Argument dienen; von Beau¬
marchais die große advocatiſche Gewandtheit; von Dide¬
rot das Dialektiſche, und zudem iſt er ſo geiſtreich, daß

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[322/0332] ſchen darauf gehen, ehe die Welt wieder zur Ruhe kommt.“ „An literariſche Wirkung iſt auf einige Jahre gar nicht zu denken, und man kann jetzt weiter nichts thun, als fuͤr eine friedlichere Zukunft im Stillen manches Gute vorzubereiten.“ Nach dieſem wenigen Politiſchen waren wir bald wieder in Geſpraͤchen uͤber Daphnis und Chloe. Goethe lobte die Überſetzung von Courier als ganz vollkommen. „Courier hat wohl gethan, ſagte er, die alte Überſetzung von Amyot zu reſpectiren und beyzu¬ behalten, und ſie nur an einigen Stellen zu verbeſſern und zu reinigen und naͤher an das Original hinanzu¬ treiben. Dieſes alte Franzoͤſiſch iſt ſo naiv, und paßt ſo durchaus fuͤr dieſen Gegenſtand, daß man nicht leicht eine vollkommnere Überſetzung in irgend einer anderen Sprache von dieſem Buche machen wird.“ Wir redeten ſodann von Courier's eigenen Werken, von ſeinen kleinen Flugſchriften, und der Vertheidigung des beruͤchtigten Tintenflecks auf dem Manuſcript zu Florenz. „Courier iſt ein großes Naturtalent, ſagte Goethe, das Zuͤge von Byron hat, ſo wie von Beaumarchais und Diderot. Er hat von Byron die große Gegenwart al¬ ler Dinge, die ihm als Argument dienen; von Beau¬ marchais die große advocatiſche Gewandtheit; von Dide¬ rot das Dialektiſche, und zudem iſt er ſo geiſtreich, daß

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/332>, abgerufen am 29.03.2024.