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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

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Abends bei Goethe, den ich allein fand, in Gesprächen
mit Meyer. Ich durchblätterte ein Album vergangener
Jahrhunderte mit einigen sehr berühmten Handschriften,
wie z. B. von Luther, Erasmus, Mosheim und Anderen.
Der letztere hatte in lateinischer Sprache folgendes
merkwürdige Wort geschrieben:

Der Ruhm eine Quelle von Mühe und
Leiden
; die Dunkelheit eine Quelle des
Glücks
.

Goethe ist seit einigen Tagen gefährlich krank
geworden; gestern lag er ohne Hoffnung. Doch hat
sich heute eine Krisis eingestellt, wodurch er gerettet zu
werden scheint. Noch diesen Morgen äußerte er, daß
er sich für verloren halte; später, Mittags, schöpfte er
Hoffnung, daß er es überwinden werde; und wieder
Abends meinte er, wenn er davon komme, so müsse
man gestehen, daß er für einen Greis ein zu hohes
Spiel gespielt.

Abends bei Goethe, den ich allein fand, in Geſprächen
mit Meyer. Ich durchblätterte ein Album vergangener
Jahrhunderte mit einigen ſehr berühmten Handſchriften,
wie z. B. von Luther, Erasmus, Mosheim und Anderen.
Der letztere hatte in lateiniſcher Sprache folgendes
merkwürdige Wort geſchrieben:

Der Ruhm eine Quelle von Mühe und
Leiden
; die Dunkelheit eine Quelle des
Glücks
.

Goethe iſt ſeit einigen Tagen gefährlich krank
geworden; geſtern lag er ohne Hoffnung. Doch hat
ſich heute eine Kriſis eingeſtellt, wodurch er gerettet zu
werden ſcheint. Noch dieſen Morgen äußerte er, daß
er ſich für verloren halte; ſpäter, Mittags, ſchöpfte er
Hoffnung, daß er es überwinden werde; und wieder
Abends meinte er, wenn er davon komme, ſo müſſe
man geſtehen, daß er für einen Greis ein zu hohes
Spiel geſpielt.

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. [11]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/33>, abgerufen am 24.04.2024.