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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

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fen und das zu ernten, was Andere für mich gesäet
hatten."

"Es ist im Grunde auch Alles Thorheit, ob Einer
etwas aus sich habe, oder ob er es von Andern habe;
ob Einer durch sich wirke oder ob er durch Andere
wirke; die Hauptsache ist, daß man ein großes
Wollen habe und Geschick und Beharrlich¬
keit besitze
, es auszuführen; alles Uebrige ist
gleichgültig. -- Mirabeau hatte daher vollkommen
Recht, wenn er sich der äußeren Welt und ihrer Kräfte
bediente, wie er konnte. Er besaß die Gabe, das
Talent zu unterscheiden, und das Talent fühlte sich
von dem Dämon seiner gewaltigen Natur angezogen,
so daß es sich ihm und seiner Leitung willig hin¬
gab. So war er von einer Masse ausgezeichneter
Kräfte umgeben, die er mit seinem Feuer durchdrang
und zu seinen höheren Zwecken in Thätigkeit setzte.
Und eben, daß er es verstand, mit Anderen und durch
Andere zu wirken, das war sein Genie, das war seine
Originalität, das war seine Größe."


Abends ein Stündchen bei Goethe, in allerlei guten
Gesprächen. Ich hatte mir eine englische Bibel gekauft,
in der ich zu meinem großen Bedauern die apokry¬
phischen Bücher nicht enthalten fand; und zwar waren
sie nicht aufgenommen, als nicht für echt gehalten und

fen und das zu ernten, was Andere für mich geſäet
hatten.“

„Es iſt im Grunde auch Alles Thorheit, ob Einer
etwas aus ſich habe, oder ob er es von Andern habe;
ob Einer durch ſich wirke oder ob er durch Andere
wirke; die Hauptſache iſt, daß man ein großes
Wollen habe und Geſchick und Beharrlich¬
keit beſitze
, es auszuführen; alles Uebrige iſt
gleichgültig. — Mirabeau hatte daher vollkommen
Recht, wenn er ſich der äußeren Welt und ihrer Kräfte
bediente, wie er konnte. Er beſaß die Gabe, das
Talent zu unterſcheiden, und das Talent fühlte ſich
von dem Dämon ſeiner gewaltigen Natur angezogen,
ſo daß es ſich ihm und ſeiner Leitung willig hin¬
gab. So war er von einer Maſſe ausgezeichneter
Kräfte umgeben, die er mit ſeinem Feuer durchdrang
und zu ſeinen höheren Zwecken in Thätigkeit ſetzte.
Und eben, daß er es verſtand, mit Anderen und durch
Andere zu wirken, das war ſein Genie, das war ſeine
Originalität, das war ſeine Größe.“


Abends ein Stündchen bei Goethe, in allerlei guten
Geſprächen. Ich hatte mir eine engliſche Bibel gekauft,
in der ich zu meinem großen Bedauern die apokry¬
phiſchen Bücher nicht enthalten fand; und zwar waren
ſie nicht aufgenommen, als nicht für echt gehalten und

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[368/0390] fen und das zu ernten, was Andere für mich geſäet hatten.“ „Es iſt im Grunde auch Alles Thorheit, ob Einer etwas aus ſich habe, oder ob er es von Andern habe; ob Einer durch ſich wirke oder ob er durch Andere wirke; die Hauptſache iſt, daß man ein großes Wollen habe und Geſchick und Beharrlich¬ keit beſitze, es auszuführen; alles Uebrige iſt gleichgültig. — Mirabeau hatte daher vollkommen Recht, wenn er ſich der äußeren Welt und ihrer Kräfte bediente, wie er konnte. Er beſaß die Gabe, das Talent zu unterſcheiden, und das Talent fühlte ſich von dem Dämon ſeiner gewaltigen Natur angezogen, ſo daß es ſich ihm und ſeiner Leitung willig hin¬ gab. So war er von einer Maſſe ausgezeichneter Kräfte umgeben, die er mit ſeinem Feuer durchdrang und zu ſeinen höheren Zwecken in Thätigkeit ſetzte. Und eben, daß er es verſtand, mit Anderen und durch Andere zu wirken, das war ſein Genie, das war ſeine Originalität, das war ſeine Größe.“ Sonntag, den 11. März 1832. Abends ein Stündchen bei Goethe, in allerlei guten Geſprächen. Ich hatte mir eine engliſche Bibel gekauft, in der ich zu meinem großen Bedauern die apokry¬ phiſchen Bücher nicht enthalten fand; und zwar waren ſie nicht aufgenommen, als nicht für echt gehalten und

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/390>, abgerufen am 19.04.2024.