Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

angesehenen Kaufmannes besser bestellt finden, als die
seinigen."

"Wir werden, fuhr Goethe fort, diesen Herbst den
Tag feiern, an welchem der Großherzog seit funfzig
Jahren regiert und geherrscht hat. Allein, wenn ich es
recht bedenke, dieses sein Herrschen, was war es weiter,
als ein beständiges Dienen! Was war es, als ein
Dienen in Erreichung großer Zwecke, ein Dienen zum
Wohl seines Volkes! -- Soll ich denn also mit Gewalt
ein Fürstenknecht seyn, so ist es wenigstens mein Trost,
daß ich doch nur der Knecht eines Solchen bin, der selber
ein Knecht des allgemeinen Besten ist."


Der Bau des neuen Theaters war diese Zeit her
rasch vorgeschritten, die Grundmauern stiegen schon
überall empor und ließen ein baldiges sehr schönes
Gebäude hoffen.

Heute aber, als ich den Bauplatz besuchte, sah ich
zu meinem Schrecken, daß die Arbeit eingestellt war;
auch hörte ich gerüchtweise, daß eine andere Partei gegen
Goethe's und Coudray's Plan noch endlich obgesiegt
habe, daß Coudray von der Leitung des Baues zurück¬
trete und daß ein anderer Architekt nach einem neuen
Riß den Bau ausführen und den bereits gelegten Grund
danach ändern werde.

angeſehenen Kaufmannes beſſer beſtellt finden, als die
ſeinigen.“

„Wir werden, fuhr Goethe fort, dieſen Herbſt den
Tag feiern, an welchem der Großherzog ſeit funfzig
Jahren regiert und geherrſcht hat. Allein, wenn ich es
recht bedenke, dieſes ſein Herrſchen, was war es weiter,
als ein beſtändiges Dienen! Was war es, als ein
Dienen in Erreichung großer Zwecke, ein Dienen zum
Wohl ſeines Volkes! — Soll ich denn alſo mit Gewalt
ein Fürſtenknecht ſeyn, ſo iſt es wenigſtens mein Troſt,
daß ich doch nur der Knecht eines Solchen bin, der ſelber
ein Knecht des allgemeinen Beſten iſt.“


Der Bau des neuen Theaters war dieſe Zeit her
raſch vorgeſchritten, die Grundmauern ſtiegen ſchon
überall empor und ließen ein baldiges ſehr ſchönes
Gebäude hoffen.

Heute aber, als ich den Bauplatz beſuchte, ſah ich
zu meinem Schrecken, daß die Arbeit eingeſtellt war;
auch hörte ich gerüchtweiſe, daß eine andere Partei gegen
Goethe's und Coudray's Plan noch endlich obgeſiegt
habe, daß Coudray von der Leitung des Baues zurück¬
trete und daß ein anderer Architekt nach einem neuen
Riß den Bau ausführen und den bereits gelegten Grund
danach ändern werde.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <div n="4">
          <p><pb facs="#f0110" n="88"/>
ange&#x017F;ehenen Kaufmannes be&#x017F;&#x017F;er be&#x017F;tellt finden, als die<lb/>
&#x017F;einigen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Wir werden, fuhr Goethe fort, die&#x017F;en Herb&#x017F;t den<lb/>
Tag feiern, an welchem der Großherzog &#x017F;eit funfzig<lb/>
Jahren regiert und geherr&#x017F;cht hat. Allein, wenn ich es<lb/>
recht bedenke, die&#x017F;es &#x017F;ein Herr&#x017F;chen, was war es weiter,<lb/>
als ein be&#x017F;tändiges Dienen! Was war es, als ein<lb/>
Dienen in Erreichung großer Zwecke, ein Dienen zum<lb/>
Wohl &#x017F;eines Volkes! &#x2014; Soll ich denn al&#x017F;o mit Gewalt<lb/>
ein Für&#x017F;tenknecht &#x017F;eyn, &#x017F;o i&#x017F;t es wenig&#x017F;tens mein Tro&#x017F;t,<lb/>
daß ich doch nur der Knecht eines Solchen bin, der &#x017F;elber<lb/>
ein Knecht des allgemeinen Be&#x017F;ten i&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div n="4">
          <dateline rendition="#right">Freitag, den 29. April 1825.<lb/></dateline>
          <p>Der Bau des neuen Theaters war die&#x017F;e Zeit her<lb/>
ra&#x017F;ch vorge&#x017F;chritten, die Grundmauern &#x017F;tiegen &#x017F;chon<lb/>
überall empor und ließen ein baldiges &#x017F;ehr &#x017F;chönes<lb/>
Gebäude hoffen.</p><lb/>
          <p>Heute aber, als ich den Bauplatz be&#x017F;uchte, &#x017F;ah ich<lb/>
zu meinem Schrecken, daß die Arbeit einge&#x017F;tellt war;<lb/>
auch hörte ich gerüchtwei&#x017F;e, daß eine andere Partei gegen<lb/>
Goethe's und Coudray's Plan noch endlich obge&#x017F;iegt<lb/>
habe, daß Coudray von der Leitung des Baues zurück¬<lb/>
trete und daß ein anderer Architekt nach einem neuen<lb/>
Riß den Bau ausführen und den bereits gelegten Grund<lb/>
danach ändern werde.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0110] angeſehenen Kaufmannes beſſer beſtellt finden, als die ſeinigen.“ „Wir werden, fuhr Goethe fort, dieſen Herbſt den Tag feiern, an welchem der Großherzog ſeit funfzig Jahren regiert und geherrſcht hat. Allein, wenn ich es recht bedenke, dieſes ſein Herrſchen, was war es weiter, als ein beſtändiges Dienen! Was war es, als ein Dienen in Erreichung großer Zwecke, ein Dienen zum Wohl ſeines Volkes! — Soll ich denn alſo mit Gewalt ein Fürſtenknecht ſeyn, ſo iſt es wenigſtens mein Troſt, daß ich doch nur der Knecht eines Solchen bin, der ſelber ein Knecht des allgemeinen Beſten iſt.“ Freitag, den 29. April 1825. Der Bau des neuen Theaters war dieſe Zeit her raſch vorgeſchritten, die Grundmauern ſtiegen ſchon überall empor und ließen ein baldiges ſehr ſchönes Gebäude hoffen. Heute aber, als ich den Bauplatz beſuchte, ſah ich zu meinem Schrecken, daß die Arbeit eingeſtellt war; auch hörte ich gerüchtweiſe, daß eine andere Partei gegen Goethe's und Coudray's Plan noch endlich obgeſiegt habe, daß Coudray von der Leitung des Baues zurück¬ trete und daß ein anderer Architekt nach einem neuen Riß den Bau ausführen und den bereits gelegten Grund danach ändern werde.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/110
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/110>, abgerufen am 19.04.2024.