Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

und Sachsen oft meine Noth gehabt. Auch Eingeborene
unserer lieben Stadt Weimar haben mir viel zu schaffen
gemacht. Bei diesen entstehen die lächerlichsten Mi߬
griffe daraus, daß sie in den hiesigen Schulen nicht
angehalten werden, das B. vom P. und das D. vom
T. durch eine markirte Aussprache stark zu unterscheiden.
Man sollte kaum glauben, daß sie B. P. D. und T.
überhaupt für vier verschiedene Buchstaben halten,
denn sie sprechen nur immer von einem weichen und
einem harten B. und von einem weichen und einem
harten D. und scheinen dadurch stillschweigend anzu¬
deuten, daß P. und T. gar nicht existiren. Aus einem
solchen Munde klingt denn Pein wie Bein, Paß wie
Baß, und Teckel wie Deckel."

Ein hiesiger Schauspieler, versetzte ich, der das
T. und D. gleichfalls nicht gehörig unterschied, machte
in diesen Tagen einen Fehler ähnlicher Art, der sehr
auffallend erschien. Er spielte einen Liebhaber, der
sich eine kleine Untreue hatte zu Schulden kommen
lassen, worüber ihm das erzürnte junge Frauenzimmer
allerlei heftige Vorwürfe macht. Ungeduldig, hatte er
zuletzt auszurufen: "o ende!" Er konnte aber das T.
vom D. nicht unterscheiden und rief: "o ente!", (O
Ente!) welches denn ein allgemeines Lachen erregte.

"Der Fall ist sehr artig, erwiederte Goethe, und
verdiente wohl in unsern Theater - Catechismus mit
aufgenommen zu werden."

und Sachſen oft meine Noth gehabt. Auch Eingeborene
unſerer lieben Stadt Weimar haben mir viel zu ſchaffen
gemacht. Bei dieſen entſtehen die lächerlichſten Mi߬
griffe daraus, daß ſie in den hieſigen Schulen nicht
angehalten werden, das B. vom P. und das D. vom
T. durch eine markirte Ausſprache ſtark zu unterſcheiden.
Man ſollte kaum glauben, daß ſie B. P. D. und T.
überhaupt für vier verſchiedene Buchſtaben halten,
denn ſie ſprechen nur immer von einem weichen und
einem harten B. und von einem weichen und einem
harten D. und ſcheinen dadurch ſtillſchweigend anzu¬
deuten, daß P. und T. gar nicht exiſtiren. Aus einem
ſolchen Munde klingt denn Pein wie Bein, Paß wie
Baß, und Teckel wie Deckel.“

Ein hieſiger Schauſpieler, verſetzte ich, der das
T. und D. gleichfalls nicht gehörig unterſchied, machte
in dieſen Tagen einen Fehler ähnlicher Art, der ſehr
auffallend erſchien. Er ſpielte einen Liebhaber, der
ſich eine kleine Untreue hatte zu Schulden kommen
laſſen, worüber ihm das erzürnte junge Frauenzimmer
allerlei heftige Vorwürfe macht. Ungeduldig, hatte er
zuletzt auszurufen: „o ende!“ Er konnte aber das T.
vom D. nicht unterſcheiden und rief: „o ente!“, (O
Ente!) welches denn ein allgemeines Lachen erregte.

„Der Fall iſt ſehr artig, erwiederte Goethe, und
verdiente wohl in unſern Theater - Catechismus mit
aufgenommen zu werden.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <div n="4">
          <p><pb facs="#f0069" n="47"/>
und Sach&#x017F;en oft meine Noth gehabt. Auch Eingeborene<lb/>
un&#x017F;erer lieben Stadt Weimar haben mir viel zu &#x017F;chaffen<lb/>
gemacht. Bei die&#x017F;en ent&#x017F;tehen die lächerlich&#x017F;ten Mi߬<lb/>
griffe daraus, daß &#x017F;ie in den hie&#x017F;igen Schulen nicht<lb/>
angehalten werden, das B. vom P. und das D. vom<lb/>
T. durch eine markirte Aus&#x017F;prache &#x017F;tark zu unter&#x017F;cheiden.<lb/>
Man &#x017F;ollte kaum glauben, daß &#x017F;ie B. P. D. und T.<lb/>
überhaupt für <hi rendition="#g">vier</hi> ver&#x017F;chiedene Buch&#x017F;taben halten,<lb/>
denn &#x017F;ie &#x017F;prechen nur immer von einem weichen und<lb/>
einem harten B. und von einem weichen und einem<lb/>
harten D. und &#x017F;cheinen dadurch &#x017F;till&#x017F;chweigend anzu¬<lb/>
deuten, daß P. und T. gar nicht exi&#x017F;tiren. Aus einem<lb/>
&#x017F;olchen Munde klingt denn Pein wie Bein, Paß wie<lb/>
Baß, und Teckel wie Deckel.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Ein hie&#x017F;iger Schau&#x017F;pieler, ver&#x017F;etzte ich, der das<lb/>
T. und D. gleichfalls nicht gehörig unter&#x017F;chied, machte<lb/>
in die&#x017F;en Tagen einen Fehler ähnlicher Art, der &#x017F;ehr<lb/>
auffallend er&#x017F;chien. Er &#x017F;pielte einen Liebhaber, der<lb/>
&#x017F;ich eine kleine Untreue hatte zu Schulden kommen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, worüber ihm das erzürnte junge Frauenzimmer<lb/>
allerlei heftige Vorwürfe macht. Ungeduldig, hatte er<lb/>
zuletzt auszurufen: &#x201E;o ende!&#x201C; Er konnte aber das T.<lb/>
vom D. nicht unter&#x017F;cheiden und rief: &#x201E;o ente!&#x201C;, (O<lb/>
Ente!) welches denn ein allgemeines Lachen erregte.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Der Fall i&#x017F;t &#x017F;ehr artig, erwiederte Goethe, und<lb/>
verdiente wohl in un&#x017F;ern Theater - Catechismus mit<lb/>
aufgenommen zu werden.&#x201C;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0069] und Sachſen oft meine Noth gehabt. Auch Eingeborene unſerer lieben Stadt Weimar haben mir viel zu ſchaffen gemacht. Bei dieſen entſtehen die lächerlichſten Mi߬ griffe daraus, daß ſie in den hieſigen Schulen nicht angehalten werden, das B. vom P. und das D. vom T. durch eine markirte Ausſprache ſtark zu unterſcheiden. Man ſollte kaum glauben, daß ſie B. P. D. und T. überhaupt für vier verſchiedene Buchſtaben halten, denn ſie ſprechen nur immer von einem weichen und einem harten B. und von einem weichen und einem harten D. und ſcheinen dadurch ſtillſchweigend anzu¬ deuten, daß P. und T. gar nicht exiſtiren. Aus einem ſolchen Munde klingt denn Pein wie Bein, Paß wie Baß, und Teckel wie Deckel.“ Ein hieſiger Schauſpieler, verſetzte ich, der das T. und D. gleichfalls nicht gehörig unterſchied, machte in dieſen Tagen einen Fehler ähnlicher Art, der ſehr auffallend erſchien. Er ſpielte einen Liebhaber, der ſich eine kleine Untreue hatte zu Schulden kommen laſſen, worüber ihm das erzürnte junge Frauenzimmer allerlei heftige Vorwürfe macht. Ungeduldig, hatte er zuletzt auszurufen: „o ende!“ Er konnte aber das T. vom D. nicht unterſcheiden und rief: „o ente!“, (O Ente!) welches denn ein allgemeines Lachen erregte. „Der Fall iſt ſehr artig, erwiederte Goethe, und verdiente wohl in unſern Theater - Catechismus mit aufgenommen zu werden.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/69
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/69>, abgerufen am 25.04.2024.