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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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Vorwort.

Ich war und bin nicht dieser Meinung;
auch schien es mii nicht wohlgethan, die Fä¬
den dieser Geschichte in die neuesten Ereignisse
herüber zu spinnen, oder auch prophetische
Aussichten auf die erfolgte Weltbefreyung
mit Absichtlichkeit darin aufzustellen. Die
Ganzheit der so ächt lebendigen und wahr¬
haften Dichtung hätte darunter gelitten; sie
wäre nicht geblieben, was sie ist: ein ge¬
treues Bild jener gewitterschwülen Zeit, der
Erwartung, der Sehnsucht und Verwir¬
rung.

Der Verfasser gieng in meine Ansichten
ein, und giebt den Roman daher wörtlich
und ohne die geringste Aenderung so, wie er
ihn damals aufgeschrieben hatte. In seinen
Mittheilungen hierüber an mich finden sich
unter Anderm folgende denkwürdige Worte:

"Es lieben edle Gemüther, sich mitten
aus der Freude nach den überstandenen
Drangsalen zurückzuwenden, nicht um hoch¬

Vorwort.

Ich war und bin nicht dieſer Meinung;
auch ſchien es mii nicht wohlgethan, die Fä¬
den dieſer Geſchichte in die neueſten Ereigniſſe
herüber zu ſpinnen, oder auch prophetiſche
Ausſichten auf die erfolgte Weltbefreyung
mit Abſichtlichkeit darin aufzuſtellen. Die
Ganzheit der ſo ächt lebendigen und wahr¬
haften Dichtung hätte darunter gelitten; ſie
wäre nicht geblieben, was ſie iſt: ein ge¬
treues Bild jener gewitterſchwülen Zeit, der
Erwartung, der Sehnſucht und Verwir¬
rung.

Der Verfaſſer gieng in meine Anſichten
ein, und giebt den Roman daher wörtlich
und ohne die geringſte Aenderung ſo, wie er
ihn damals aufgeſchrieben hatte. In ſeinen
Mittheilungen hierüber an mich finden ſich
unter Anderm folgende denkwürdige Worte:

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[IV/0010] Vorwort. Ich war und bin nicht dieſer Meinung; auch ſchien es mii nicht wohlgethan, die Fä¬ den dieſer Geſchichte in die neueſten Ereigniſſe herüber zu ſpinnen, oder auch prophetiſche Ausſichten auf die erfolgte Weltbefreyung mit Abſichtlichkeit darin aufzuſtellen. Die Ganzheit der ſo ächt lebendigen und wahr¬ haften Dichtung hätte darunter gelitten; ſie wäre nicht geblieben, was ſie iſt: ein ge¬ treues Bild jener gewitterſchwülen Zeit, der Erwartung, der Sehnſucht und Verwir¬ rung. Der Verfaſſer gieng in meine Anſichten ein, und giebt den Roman daher wörtlich und ohne die geringſte Aenderung ſo, wie er ihn damals aufgeſchrieben hatte. In ſeinen Mittheilungen hierüber an mich finden ſich unter Anderm folgende denkwürdige Worte: „Es lieben edle Gemüther, ſich mitten aus der Freude nach den überſtandenen Drangſalen zurückzuwenden, nicht um hoch¬

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. IV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/10>, abgerufen am 28.03.2024.