Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

erwehren, daß sie verliebt sey; aber wen sie mey¬
ne, blieb ihm noch immer dunkel.

Unterdeß hatte sich der Tag immer mehr und
mehr erhoben, hin und wieder im Schlosse giengen
schon Thüren auf und zu, bis es endlich nach und
nach lebendig wurde. Wer es weiß, was es heißt,
ein so schwerfälliges Haus flott zu machen, der
wird sich von dem Rumpelmorgen einen Begriff ma¬
chen können, der nun begann. Wie auf einem
Schiffe, das sich zu einer nahen Schlacht bereitet,
verbreitete sich langsam wachsend ein dunkles Getöse
von Eile und Geschäftigkeit durch's ganze Schloß,
Betten, Koffer und Schachteln flogen aus einer Ecke
in die andere, nur noch selten hörte man die Kom¬
mando-Trompete der Tante dazwischen tönen.
Für Leontin waren diese feyerlichen Vorbereitun¬
gen, die Wichtigkeit, mit der jeder sein Geschäft be¬
trieb, ein wahres Fest. Unermüdlich befand er sich
überall mitten im Gewühle und suchte unter dem
Scheine der Hülfleistung die Verwirrung immer
größer zu machen, bis er endlich durch seine zwey¬
deutigen Mienen den Zorn des gesammten Frauen¬
zimmers dergestalt gegen sich empört hatte, daß er
es für das räthlichste hielt, Reißaus zu nehmen.

Er sezte sich daher mit Friedrich und Viktor,
so hieß der Theolog, zu Pferde und sie ritten auf
das Gut hinaus. Viktor, der nun mit den beyden
schon vertrauter und gesprächiger geworden war,
schien alle Trübniß dahinten gelassen zu haben, als

erwehren, daß ſie verliebt ſey; aber wen ſie mey¬
ne, blieb ihm noch immer dunkel.

Unterdeß hatte ſich der Tag immer mehr und
mehr erhoben, hin und wieder im Schloſſe giengen
ſchon Thüren auf und zu, bis es endlich nach und
nach lebendig wurde. Wer es weiß, was es heißt,
ein ſo ſchwerfälliges Haus flott zu machen, der
wird ſich von dem Rumpelmorgen einen Begriff ma¬
chen können, der nun begann. Wie auf einem
Schiffe, das ſich zu einer nahen Schlacht bereitet,
verbreitete ſich langſam wachſend ein dunkles Getöſe
von Eile und Geſchäftigkeit durch's ganze Schloß,
Betten, Koffer und Schachteln flogen aus einer Ecke
in die andere, nur noch ſelten hörte man die Kom¬
mando-Trompete der Tante dazwiſchen tönen.
Für Leontin waren dieſe feyerlichen Vorbereitun¬
gen, die Wichtigkeit, mit der jeder ſein Geſchäft be¬
trieb, ein wahres Feſt. Unermüdlich befand er ſich
überall mitten im Gewühle und ſuchte unter dem
Scheine der Hülfleiſtung die Verwirrung immer
größer zu machen, bis er endlich durch ſeine zwey¬
deutigen Mienen den Zorn des geſammten Frauen¬
zimmers dergeſtalt gegen ſich empört hatte, daß er
es für das räthlichſte hielt, Reißaus zu nehmen.

Er ſezte ſich daher mit Friedrich und Viktor,
ſo hieß der Theolog, zu Pferde und ſie ritten auf
das Gut hinaus. Viktor, der nun mit den beyden
ſchon vertrauter und geſprächiger geworden war,
ſchien alle Trübniß dahinten gelaſſen zu haben, als

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0126" n="120"/>
erwehren, daß &#x017F;ie verliebt &#x017F;ey; aber wen &#x017F;ie mey¬<lb/>
ne, blieb ihm noch immer dunkel.</p><lb/>
          <p>Unterdeß hatte &#x017F;ich der Tag immer mehr und<lb/>
mehr erhoben, hin und wieder im Schlo&#x017F;&#x017F;e giengen<lb/>
&#x017F;chon Thüren auf und zu, bis es endlich nach und<lb/>
nach lebendig wurde. Wer es weiß, was es heißt,<lb/>
ein &#x017F;o &#x017F;chwerfälliges Haus flott zu machen, der<lb/>
wird &#x017F;ich von dem Rumpelmorgen einen Begriff ma¬<lb/>
chen können, der nun begann. Wie auf einem<lb/>
Schiffe, das &#x017F;ich zu einer nahen Schlacht bereitet,<lb/>
verbreitete &#x017F;ich lang&#x017F;am wach&#x017F;end ein dunkles Getö&#x017F;e<lb/>
von Eile und Ge&#x017F;chäftigkeit durch's ganze Schloß,<lb/>
Betten, Koffer und Schachteln flogen aus einer Ecke<lb/>
in die andere, nur noch &#x017F;elten hörte man die Kom¬<lb/>
mando-Trompete der Tante dazwi&#x017F;chen tönen.<lb/>
Für Leontin waren die&#x017F;e feyerlichen Vorbereitun¬<lb/>
gen, die Wichtigkeit, mit der jeder &#x017F;ein Ge&#x017F;chäft be¬<lb/>
trieb, ein wahres Fe&#x017F;t. Unermüdlich befand er &#x017F;ich<lb/>
überall mitten im Gewühle und &#x017F;uchte unter dem<lb/>
Scheine der Hülflei&#x017F;tung die Verwirrung immer<lb/>
größer zu machen, bis er endlich durch &#x017F;eine zwey¬<lb/>
deutigen Mienen den Zorn des ge&#x017F;ammten Frauen¬<lb/>
zimmers derge&#x017F;talt gegen &#x017F;ich empört hatte, daß er<lb/>
es für das räthlich&#x017F;te hielt, Reißaus zu nehmen.</p><lb/>
          <p>Er &#x017F;ezte &#x017F;ich daher mit Friedrich und Viktor,<lb/>
&#x017F;o hieß der Theolog, zu Pferde und &#x017F;ie ritten auf<lb/>
das Gut hinaus. Viktor, der nun mit den beyden<lb/>
&#x017F;chon vertrauter und ge&#x017F;prächiger geworden war,<lb/>
&#x017F;chien alle Trübniß dahinten gela&#x017F;&#x017F;en zu haben, als<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0126] erwehren, daß ſie verliebt ſey; aber wen ſie mey¬ ne, blieb ihm noch immer dunkel. Unterdeß hatte ſich der Tag immer mehr und mehr erhoben, hin und wieder im Schloſſe giengen ſchon Thüren auf und zu, bis es endlich nach und nach lebendig wurde. Wer es weiß, was es heißt, ein ſo ſchwerfälliges Haus flott zu machen, der wird ſich von dem Rumpelmorgen einen Begriff ma¬ chen können, der nun begann. Wie auf einem Schiffe, das ſich zu einer nahen Schlacht bereitet, verbreitete ſich langſam wachſend ein dunkles Getöſe von Eile und Geſchäftigkeit durch's ganze Schloß, Betten, Koffer und Schachteln flogen aus einer Ecke in die andere, nur noch ſelten hörte man die Kom¬ mando-Trompete der Tante dazwiſchen tönen. Für Leontin waren dieſe feyerlichen Vorbereitun¬ gen, die Wichtigkeit, mit der jeder ſein Geſchäft be¬ trieb, ein wahres Feſt. Unermüdlich befand er ſich überall mitten im Gewühle und ſuchte unter dem Scheine der Hülfleiſtung die Verwirrung immer größer zu machen, bis er endlich durch ſeine zwey¬ deutigen Mienen den Zorn des geſammten Frauen¬ zimmers dergeſtalt gegen ſich empört hatte, daß er es für das räthlichſte hielt, Reißaus zu nehmen. Er ſezte ſich daher mit Friedrich und Viktor, ſo hieß der Theolog, zu Pferde und ſie ritten auf das Gut hinaus. Viktor, der nun mit den beyden ſchon vertrauter und geſprächiger geworden war, ſchien alle Trübniß dahinten gelaſſen zu haben, als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/126
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/126>, abgerufen am 25.04.2024.