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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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Neuntes Kapitel.

Am Morgen saßen alle in der Stube des Jä¬
gers beym Frühstück versammelt, die unruhigen
Ereignisse dieser Nacht besprechend. Julie sah blaß
aus, und Leontin bemerkte, daß sie oft heimlich
über die Taße weg nach ihm hinblickte, und schnell
wieder wegsah, wenn sein Auge ihr begegnete.

Alle untersuchten darauf noch einmal die Brand¬
stätte, die noch immer fortrauchte. Man war all¬
gemein der Meynung, daß ein Blitz gezündet ha¬
ben müsse, so viel Mühe sich auch der dicke Ge¬
richtsverwalter gab, darzuthun, daß es boshafter¬
weise angelegt sey, und daß man daher mit aller
Strenge untersuchen und verfahren müsse. Herr
v. A. verschmerzte den Verlust sehr leicht, da er
ohnedieß schon lange Willens war, das alte Schlö߬
chen niederreißen zu lassen, um ein neues, beque¬
meres hinzubauen.

Leontin fragte endlich wieder um die weiße
Frau. Es ist eine reiche Witwe, sagte Herr o. A.,
die vor einigen Jahren plötzlich in diese Gegend
kam, und mehrere Güther ankaufte. Sie ist im
Stillen sehr wohlthätig, und, seltsam genug, bey
Tag und bey Nacht, wo immer ein Feuer aus¬

bricht,
Neuntes Kapitel.

Am Morgen ſaßen alle in der Stube des Jä¬
gers beym Frühſtück verſammelt, die unruhigen
Ereigniſſe dieſer Nacht beſprechend. Julie ſah blaß
aus, und Leontin bemerkte, daß ſie oft heimlich
über die Taße weg nach ihm hinblickte, und ſchnell
wieder wegſah, wenn ſein Auge ihr begegnete.

Alle unterſuchten darauf noch einmal die Brand¬
ſtätte, die noch immer fortrauchte. Man war all¬
gemein der Meynung, daß ein Blitz gezündet ha¬
ben müſſe, ſo viel Mühe ſich auch der dicke Ge¬
richtsverwalter gab, darzuthun, daß es boshafter¬
weiſe angelegt ſey, und daß man daher mit aller
Strenge unterſuchen und verfahren müſſe. Herr
v. A. verſchmerzte den Verluſt ſehr leicht, da er
ohnedieß ſchon lange Willens war, das alte Schlö߬
chen niederreißen zu laſſen, um ein neues, beque¬
meres hinzubauen.

Leontin fragte endlich wieder um die weiße
Frau. Es iſt eine reiche Witwe, ſagte Herr o. A.,
die vor einigen Jahren plötzlich in dieſe Gegend
kam, und mehrere Güther ankaufte. Sie iſt im
Stillen ſehr wohlthätig, und, ſeltſam genug, bey
Tag und bey Nacht, wo immer ein Feuer aus¬

bricht,
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[144/0150] Neuntes Kapitel. Am Morgen ſaßen alle in der Stube des Jä¬ gers beym Frühſtück verſammelt, die unruhigen Ereigniſſe dieſer Nacht beſprechend. Julie ſah blaß aus, und Leontin bemerkte, daß ſie oft heimlich über die Taße weg nach ihm hinblickte, und ſchnell wieder wegſah, wenn ſein Auge ihr begegnete. Alle unterſuchten darauf noch einmal die Brand¬ ſtätte, die noch immer fortrauchte. Man war all¬ gemein der Meynung, daß ein Blitz gezündet ha¬ ben müſſe, ſo viel Mühe ſich auch der dicke Ge¬ richtsverwalter gab, darzuthun, daß es boshafter¬ weiſe angelegt ſey, und daß man daher mit aller Strenge unterſuchen und verfahren müſſe. Herr v. A. verſchmerzte den Verluſt ſehr leicht, da er ohnedieß ſchon lange Willens war, das alte Schlö߬ chen niederreißen zu laſſen, um ein neues, beque¬ meres hinzubauen. Leontin fragte endlich wieder um die weiße Frau. Es iſt eine reiche Witwe, ſagte Herr o. A., die vor einigen Jahren plötzlich in dieſe Gegend kam, und mehrere Güther ankaufte. Sie iſt im Stillen ſehr wohlthätig, und, ſeltſam genug, bey Tag und bey Nacht, wo immer ein Feuer aus¬ bricht,

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/150>, abgerufen am 29.03.2024.