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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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sich nicht besinnen und schlummerte immer wieder
von neuem ein.

Als er endlich erwachte, erschrack er nicht we¬
nig, da es schon finstere Nacht und alles um ihn
her still und öde war. Er sprang erstaunt auf. Da
hörte er über sich auf dem Felsen zwey Männer¬
stimmen, die ganz in der Nähe schienen. Er rief
sie an, aber niemand gab Antwort und alles war
auf einmal wieder still. Nun nahm er sein Pferd
beym Zügel und setzte so seine Reise auf gut Glück
weiter fort. Mit Mühe arbeitete er sich durch die
Rabennacht des Waldes hindurch und kam endlich
auf einen weiten und freyen Bergrücken, der nur
mit kleinem Gesträuch bewachsen war. Der Mond
schien sehr hell, und der plötzliche Anblick des
freyen, gränzenlosen Himmels erfreute und stärkte
recht sein Herz. Die Ebne mußte sehr hoch liegen,
denn er sah ringsumher eine dunkle Runde von
Bergen unter sich ruhen. Von der einen Seite
kam der einförmige Schlag von Eisenhämmern aus
der Ferne herüber. Er nahm daher seine Richtung
dorthin. Sein und seines Pferdes Schatten, wie
er so fortschritt, strichen wie dunkle Riesen über die
Haide vor ihm her und das Pferd fuhr oft schnau¬
bend und sträubig zusammen. So, sagte Frie¬
drich
, dessen Herz recht weit und vergnügt war,
so muß vor vielen hundert Jahren den Rittern zu
Muthe gewesen seyn, wenn sie bey stiller, nächtli¬
cher Weile über diese Berge zogen und auf Ruhm
und große Thaten sannen. So voll adelicher Ge¬
danken und Gesinnungen mag mancher auf diese

ſich nicht beſinnen und ſchlummerte immer wieder
von neuem ein.

Als er endlich erwachte, erſchrack er nicht we¬
nig, da es ſchon finſtere Nacht und alles um ihn
her ſtill und öde war. Er ſprang erſtaunt auf. Da
hörte er über ſich auf dem Felſen zwey Männer¬
ſtimmen, die ganz in der Nähe ſchienen. Er rief
ſie an, aber niemand gab Antwort und alles war
auf einmal wieder ſtill. Nun nahm er ſein Pferd
beym Zügel und ſetzte ſo ſeine Reiſe auf gut Glück
weiter fort. Mit Mühe arbeitete er ſich durch die
Rabennacht des Waldes hindurch und kam endlich
auf einen weiten und freyen Bergrücken, der nur
mit kleinem Geſträuch bewachſen war. Der Mond
ſchien ſehr hell, und der plötzliche Anblick des
freyen, gränzenloſen Himmels erfreute und ſtärkte
recht ſein Herz. Die Ebne mußte ſehr hoch liegen,
denn er ſah ringsumher eine dunkle Runde von
Bergen unter ſich ruhen. Von der einen Seite
kam der einförmige Schlag von Eiſenhämmern aus
der Ferne herüber. Er nahm daher ſeine Richtung
dorthin. Sein und ſeines Pferdes Schatten, wie
er ſo fortſchritt, ſtrichen wie dunkle Rieſen über die
Haide vor ihm her und das Pferd fuhr oft ſchnau¬
bend und ſträubig zuſammen. So, ſagte Frie¬
drich
, deſſen Herz recht weit und vergnügt war,
ſo muß vor vielen hundert Jahren den Rittern zu
Muthe geweſen ſeyn, wenn ſie bey ſtiller, nächtli¬
cher Weile über dieſe Berge zogen und auf Ruhm
und große Thaten ſannen. So voll adelicher Ge¬
danken und Geſinnungen mag mancher auf dieſe

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[23/0029] ſich nicht beſinnen und ſchlummerte immer wieder von neuem ein. Als er endlich erwachte, erſchrack er nicht we¬ nig, da es ſchon finſtere Nacht und alles um ihn her ſtill und öde war. Er ſprang erſtaunt auf. Da hörte er über ſich auf dem Felſen zwey Männer¬ ſtimmen, die ganz in der Nähe ſchienen. Er rief ſie an, aber niemand gab Antwort und alles war auf einmal wieder ſtill. Nun nahm er ſein Pferd beym Zügel und ſetzte ſo ſeine Reiſe auf gut Glück weiter fort. Mit Mühe arbeitete er ſich durch die Rabennacht des Waldes hindurch und kam endlich auf einen weiten und freyen Bergrücken, der nur mit kleinem Geſträuch bewachſen war. Der Mond ſchien ſehr hell, und der plötzliche Anblick des freyen, gränzenloſen Himmels erfreute und ſtärkte recht ſein Herz. Die Ebne mußte ſehr hoch liegen, denn er ſah ringsumher eine dunkle Runde von Bergen unter ſich ruhen. Von der einen Seite kam der einförmige Schlag von Eiſenhämmern aus der Ferne herüber. Er nahm daher ſeine Richtung dorthin. Sein und ſeines Pferdes Schatten, wie er ſo fortſchritt, ſtrichen wie dunkle Rieſen über die Haide vor ihm her und das Pferd fuhr oft ſchnau¬ bend und ſträubig zuſammen. So, ſagte Frie¬ drich, deſſen Herz recht weit und vergnügt war, ſo muß vor vielen hundert Jahren den Rittern zu Muthe geweſen ſeyn, wenn ſie bey ſtiller, nächtli¬ cher Weile über dieſe Berge zogen und auf Ruhm und große Thaten ſannen. So voll adelicher Ge¬ danken und Geſinnungen mag mancher auf dieſe

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/29>, abgerufen am 28.03.2024.