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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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ne immer war und blieb; doch soviel wird mir,
nach verschiedenen flüchtigen Aeusserungen von ihr,
immer wahrscheinlicher, daß dieses Bild hier in die¬
sem Walde spucke oder lebe, es sey nun, was es
wolle. -- Ich weiß nicht, ob Du noch unseres Be¬
suches auf dem Schlosse der Frau v. A. gedenkest.
Dort sah ich ein altes Ritterbild, vor dem ich au¬
genblicklich zurückfuhr. Denn es war offenbar sein
Portrait. Es waren meine eignen Züge nur et¬
was älter und einen fremden Zug auf der Stirne
über den Augen. --

Während Leontin noch so sprach, hörten sie
auf einmal ein Geräusch auf dem Hofe unten und
ein Reiter sprengte durch das Thor herein; mehre¬
re Windlichter füllten sogleich den Platz, in deren
über die Mauern hinschweifenden Scheinen sich alle
Figuren nur noch dunkler ausnahmen. Er ist's!
rief Leontin. -- Der Reiter, welcher der Herr des
Schlosses zu seyn schien, stieg schnell ab und gieng
hinein, die Windlichter verschwanden mit ihm und
es war plötzlich wieder dunkel und stille wie vorher.

Leontin war sehr bewegt, sie beyde blieben
noch lange voll Erwartung am Fenster, aber es
rührte sich nichts im Schlosse. Ermüdet warfen sie
sich endlich auf die großen, altmodischen Betten,
um den Tag zu erwarten, aber sie konnten nicht
einschlafen, denn der Wind knarrte und pfiff unauf¬
hörlich an den Wetterhähnen und Pfeilern des al¬
ten, weitläufigen Schlosses, und ein seltsames Sau¬

ne immer war und blieb; doch ſoviel wird mir,
nach verſchiedenen flüchtigen Aeuſſerungen von ihr,
immer wahrſcheinlicher, daß dieſes Bild hier in die¬
ſem Walde ſpucke oder lebe, es ſey nun, was es
wolle. — Ich weiß nicht, ob Du noch unſeres Be¬
ſuches auf dem Schloſſe der Frau v. A. gedenkeſt.
Dort ſah ich ein altes Ritterbild, vor dem ich au¬
genblicklich zurückfuhr. Denn es war offenbar ſein
Portrait. Es waren meine eignen Züge nur et¬
was älter und einen fremden Zug auf der Stirne
über den Augen. —

Während Leontin noch ſo ſprach, hörten ſie
auf einmal ein Geräuſch auf dem Hofe unten und
ein Reiter ſprengte durch das Thor herein; mehre¬
re Windlichter füllten ſogleich den Platz, in deren
über die Mauern hinſchweifenden Scheinen ſich alle
Figuren nur noch dunkler ausnahmen. Er iſt's!
rief Leontin. — Der Reiter, welcher der Herr des
Schloſſes zu ſeyn ſchien, ſtieg ſchnell ab und gieng
hinein, die Windlichter verſchwanden mit ihm und
es war plötzlich wieder dunkel und ſtille wie vorher.

Leontin war ſehr bewegt, ſie beyde blieben
noch lange voll Erwartung am Fenſter, aber es
rührte ſich nichts im Schloſſe. Ermüdet warfen ſie
ſich endlich auf die großen, altmodiſchen Betten,
um den Tag zu erwarten, aber ſie konnten nicht
einſchlafen, denn der Wind knarrte und pfiff unauf¬
hörlich an den Wetterhähnen und Pfeilern des al¬
ten, weitläufigen Schloſſes, und ein ſeltſames Sau¬

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[404/0410] ne immer war und blieb; doch ſoviel wird mir, nach verſchiedenen flüchtigen Aeuſſerungen von ihr, immer wahrſcheinlicher, daß dieſes Bild hier in die¬ ſem Walde ſpucke oder lebe, es ſey nun, was es wolle. — Ich weiß nicht, ob Du noch unſeres Be¬ ſuches auf dem Schloſſe der Frau v. A. gedenkeſt. Dort ſah ich ein altes Ritterbild, vor dem ich au¬ genblicklich zurückfuhr. Denn es war offenbar ſein Portrait. Es waren meine eignen Züge nur et¬ was älter und einen fremden Zug auf der Stirne über den Augen. — Während Leontin noch ſo ſprach, hörten ſie auf einmal ein Geräuſch auf dem Hofe unten und ein Reiter ſprengte durch das Thor herein; mehre¬ re Windlichter füllten ſogleich den Platz, in deren über die Mauern hinſchweifenden Scheinen ſich alle Figuren nur noch dunkler ausnahmen. Er iſt's! rief Leontin. — Der Reiter, welcher der Herr des Schloſſes zu ſeyn ſchien, ſtieg ſchnell ab und gieng hinein, die Windlichter verſchwanden mit ihm und es war plötzlich wieder dunkel und ſtille wie vorher. Leontin war ſehr bewegt, ſie beyde blieben noch lange voll Erwartung am Fenſter, aber es rührte ſich nichts im Schloſſe. Ermüdet warfen ſie ſich endlich auf die großen, altmodiſchen Betten, um den Tag zu erwarten, aber ſie konnten nicht einſchlafen, denn der Wind knarrte und pfiff unauf¬ hörlich an den Wetterhähnen und Pfeilern des al¬ ten, weitläufigen Schloſſes, und ein ſeltſames Sau¬

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/410>, abgerufen am 25.04.2024.