Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

er von den geheimnißvollsten, innersten Gedanken mei¬
ner Seele, ja ich möchte sagen, von dem Waldesrau¬
schen meiner Kindheit wunderbaren Klang giebt. --
Friede dem großen dunklen Gemüth, fuhr er sein Glas
erhebend fort, und freudiges Begegnen mit ihm!

Die Freunde hatten über dem lebhaften Gespräch
gar nicht bemerkt, daß unterdeß der Platz allmählig
öde geworden war. In der wachsenden Stille hörte
man nur noch eine Geige aus einiger Entfernung,
und dann das einförmige Stampfen von Tanzenden
dazwischen herüberschallen. Beides klappte so wenig
zusammen, und die Geige wurde so unaufhörlich und
entsetzlich schnell gestrichen, daß Fortunat laut auflachte,
und ungeachtet Walters Einwendungen sogleich dem
Tanzplatze zueilte. Der verworrene Klang kam aus
einem niedrigen Häuschen, über dessen Thüre ein
Strohbüschel als Wahrzeichen eines Weinschanks im
Nachtwinde hin und her baumelte. Walter war
in anständiger Ferne stehen geblieben, während For¬
tunat durch das Fenster in die seltsame Tanz-Grube
hineinblickte. Ein langes dünnes Licht, das wie ein
Peitschenstiel aus einem eisernen Leuchter hervorragte,
warf ungewisse Scheine über das dunkle Gewölbe eines
Kellers, an dessen Seitenwänden eingeschlafene Trinker
über den langen plumpen Tischen umherlagen. In
der Mitte tanzten eifrig mehrere Paare lustigen Ge¬
sindels, bald mit den zierlich gebogenen Armen wie

er von den geheimnißvollſten, innerſten Gedanken mei¬
ner Seele, ja ich moͤchte ſagen, von dem Waldesrau¬
ſchen meiner Kindheit wunderbaren Klang giebt. —
Friede dem großen dunklen Gemuͤth, fuhr er ſein Glas
erhebend fort, und freudiges Begegnen mit ihm!

Die Freunde hatten uͤber dem lebhaften Geſpraͤch
gar nicht bemerkt, daß unterdeß der Platz allmaͤhlig
oͤde geworden war. In der wachſenden Stille hoͤrte
man nur noch eine Geige aus einiger Entfernung,
und dann das einfoͤrmige Stampfen von Tanzenden
dazwiſchen heruͤberſchallen. Beides klappte ſo wenig
zuſammen, und die Geige wurde ſo unaufhoͤrlich und
entſetzlich ſchnell geſtrichen, daß Fortunat laut auflachte,
und ungeachtet Walters Einwendungen ſogleich dem
Tanzplatze zueilte. Der verworrene Klang kam aus
einem niedrigen Haͤuschen, uͤber deſſen Thuͤre ein
Strohbuͤſchel als Wahrzeichen eines Weinſchanks im
Nachtwinde hin und her baumelte. Walter war
in anſtaͤndiger Ferne ſtehen geblieben, waͤhrend For¬
tunat durch das Fenſter in die ſeltſame Tanz-Grube
hineinblickte. Ein langes duͤnnes Licht, das wie ein
Peitſchenſtiel aus einem eiſernen Leuchter hervorragte,
warf ungewiſſe Scheine uͤber das dunkle Gewoͤlbe eines
Kellers, an deſſen Seitenwaͤnden eingeſchlafene Trinker
uͤber den langen plumpen Tiſchen umherlagen. In
der Mitte tanzten eifrig mehrere Paare luſtigen Ge¬
ſindels, bald mit den zierlich gebogenen Armen wie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0018" n="11"/>
er von den geheimnißvoll&#x017F;ten, inner&#x017F;ten Gedanken mei¬<lb/>
ner Seele, ja ich mo&#x0364;chte &#x017F;agen, von dem Waldesrau¬<lb/>
&#x017F;chen meiner Kindheit wunderbaren Klang giebt. &#x2014;<lb/>
Friede dem großen dunklen Gemu&#x0364;th, fuhr er &#x017F;ein Glas<lb/>
erhebend fort, und freudiges Begegnen mit ihm!</p><lb/>
          <p>Die Freunde hatten u&#x0364;ber dem lebhaften Ge&#x017F;pra&#x0364;ch<lb/>
gar nicht bemerkt, daß unterdeß der Platz allma&#x0364;hlig<lb/>
o&#x0364;de geworden war. In der wach&#x017F;enden Stille ho&#x0364;rte<lb/>
man nur noch eine Geige aus einiger Entfernung,<lb/>
und dann das einfo&#x0364;rmige Stampfen von Tanzenden<lb/>
dazwi&#x017F;chen heru&#x0364;ber&#x017F;challen. Beides klappte &#x017F;o wenig<lb/>
zu&#x017F;ammen, und die Geige wurde &#x017F;o unaufho&#x0364;rlich und<lb/>
ent&#x017F;etzlich &#x017F;chnell ge&#x017F;trichen, daß Fortunat laut auflachte,<lb/>
und ungeachtet Walters Einwendungen &#x017F;ogleich dem<lb/>
Tanzplatze zueilte. Der verworrene Klang kam aus<lb/>
einem niedrigen Ha&#x0364;uschen, u&#x0364;ber de&#x017F;&#x017F;en Thu&#x0364;re ein<lb/>
Strohbu&#x0364;&#x017F;chel als Wahrzeichen eines Wein&#x017F;chanks im<lb/>
Nachtwinde hin und her baumelte. Walter war<lb/>
in an&#x017F;ta&#x0364;ndiger Ferne &#x017F;tehen geblieben, wa&#x0364;hrend For¬<lb/>
tunat durch das Fen&#x017F;ter in die &#x017F;elt&#x017F;ame Tanz-Grube<lb/>
hineinblickte. Ein langes du&#x0364;nnes Licht, das wie ein<lb/>
Peit&#x017F;chen&#x017F;tiel aus einem ei&#x017F;ernen Leuchter hervorragte,<lb/>
warf ungewi&#x017F;&#x017F;e Scheine u&#x0364;ber das dunkle Gewo&#x0364;lbe eines<lb/>
Kellers, an de&#x017F;&#x017F;en Seitenwa&#x0364;nden einge&#x017F;chlafene Trinker<lb/>
u&#x0364;ber den langen plumpen Ti&#x017F;chen umherlagen. In<lb/>
der Mitte tanzten eifrig mehrere Paare lu&#x017F;tigen Ge¬<lb/>
&#x017F;indels, bald mit den zierlich gebogenen Armen wie<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0018] er von den geheimnißvollſten, innerſten Gedanken mei¬ ner Seele, ja ich moͤchte ſagen, von dem Waldesrau¬ ſchen meiner Kindheit wunderbaren Klang giebt. — Friede dem großen dunklen Gemuͤth, fuhr er ſein Glas erhebend fort, und freudiges Begegnen mit ihm! Die Freunde hatten uͤber dem lebhaften Geſpraͤch gar nicht bemerkt, daß unterdeß der Platz allmaͤhlig oͤde geworden war. In der wachſenden Stille hoͤrte man nur noch eine Geige aus einiger Entfernung, und dann das einfoͤrmige Stampfen von Tanzenden dazwiſchen heruͤberſchallen. Beides klappte ſo wenig zuſammen, und die Geige wurde ſo unaufhoͤrlich und entſetzlich ſchnell geſtrichen, daß Fortunat laut auflachte, und ungeachtet Walters Einwendungen ſogleich dem Tanzplatze zueilte. Der verworrene Klang kam aus einem niedrigen Haͤuschen, uͤber deſſen Thuͤre ein Strohbuͤſchel als Wahrzeichen eines Weinſchanks im Nachtwinde hin und her baumelte. Walter war in anſtaͤndiger Ferne ſtehen geblieben, waͤhrend For¬ tunat durch das Fenſter in die ſeltſame Tanz-Grube hineinblickte. Ein langes duͤnnes Licht, das wie ein Peitſchenſtiel aus einem eiſernen Leuchter hervorragte, warf ungewiſſe Scheine uͤber das dunkle Gewoͤlbe eines Kellers, an deſſen Seitenwaͤnden eingeſchlafene Trinker uͤber den langen plumpen Tiſchen umherlagen. In der Mitte tanzten eifrig mehrere Paare luſtigen Ge¬ ſindels, bald mit den zierlich gebogenen Armen wie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/18
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/18>, abgerufen am 24.04.2024.