Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

unterdeß auf einen Stein gestellt, und reichte so bis
an's Fenster. Das Mädchen legte den schönen Arm
vertraulich um seinen Nacken, sich hinausbeugend, daß
ihre dunklen Locken aufgingen und den Freund von
allen Seiten umgaben; dabei sah sie unverwandt For¬
tunaten an, dem sie nicht recht zu trauen schien.
Nein! nein! rief sie endlich, nicht ohne Koketterie ihre
Locken wieder aus der Stirn schüttelnd, was fragt
ihr fremden Herren nach dem Ruf eines armen römi¬
schen Mädchens! Die Nachbaren wachen noch und
alle Fenster sehen im Mondschein wie glänzende Augen
her, gute Nacht! Hiermit warf sie noch unversehens
jedem einen frischen Blumenstrauß in's Gesicht, und
schloß schnell das Fenster.

Währenddeß waren zwei Frauenzimmer, dicht in
seidene Mäntel verhüllt, eilig über den Platz gegan¬
gen. Fortunaten kam es vor, als hätten sie ihn im
Vorüberstreifen scharf und verwundert angesehen. Er
hörte sie darauf leise und eifrig mit einander sprechen,
die eine sah noch einmal zurück, dann waren beide
schnell verschwunden.

O wie wunderschön sie ist! rief Otto, noch immer
nach dem Fenster schauend, aus, und erzählte nun be¬
geistert, wie er sein Liebchen auf einem ländlichen Feste
zum erstenmale gesehen, wie sie mit ihren armen
Eltern eingezogen aber fröhlich lebe, wie sie von ihm
Deutsch und er von ihr Poesie lerne, weil ihre Gegen¬

unterdeß auf einen Stein geſtellt, und reichte ſo bis
an's Fenſter. Das Maͤdchen legte den ſchoͤnen Arm
vertraulich um ſeinen Nacken, ſich hinausbeugend, daß
ihre dunklen Locken aufgingen und den Freund von
allen Seiten umgaben; dabei ſah ſie unverwandt For¬
tunaten an, dem ſie nicht recht zu trauen ſchien.
Nein! nein! rief ſie endlich, nicht ohne Koketterie ihre
Locken wieder aus der Stirn ſchuͤttelnd, was fragt
ihr fremden Herren nach dem Ruf eines armen roͤmi¬
ſchen Maͤdchens! Die Nachbaren wachen noch und
alle Fenſter ſehen im Mondſchein wie glaͤnzende Augen
her, gute Nacht! Hiermit warf ſie noch unverſehens
jedem einen friſchen Blumenſtrauß in's Geſicht, und
ſchloß ſchnell das Fenſter.

Waͤhrenddeß waren zwei Frauenzimmer, dicht in
ſeidene Maͤntel verhuͤllt, eilig uͤber den Platz gegan¬
gen. Fortunaten kam es vor, als haͤtten ſie ihn im
Voruͤberſtreifen ſcharf und verwundert angeſehen. Er
hoͤrte ſie darauf leiſe und eifrig mit einander ſprechen,
die eine ſah noch einmal zuruͤck, dann waren beide
ſchnell verſchwunden.

O wie wunderſchoͤn ſie iſt! rief Otto, noch immer
nach dem Fenſter ſchauend, aus, und erzaͤhlte nun be¬
geiſtert, wie er ſein Liebchen auf einem laͤndlichen Feſte
zum erſtenmale geſehen, wie ſie mit ihren armen
Eltern eingezogen aber froͤhlich lebe, wie ſie von ihm
Deutſch und er von ihr Poeſie lerne, weil ihre Gegen¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0224" n="217"/>
unterdeß auf einen Stein ge&#x017F;tellt, und reichte &#x017F;o bis<lb/>
an's Fen&#x017F;ter. Das Ma&#x0364;dchen legte den &#x017F;cho&#x0364;nen Arm<lb/>
vertraulich um &#x017F;einen Nacken, &#x017F;ich hinausbeugend, daß<lb/>
ihre dunklen Locken aufgingen und den Freund von<lb/>
allen Seiten umgaben; dabei &#x017F;ah &#x017F;ie unverwandt For¬<lb/>
tunaten an, dem &#x017F;ie nicht recht zu trauen &#x017F;chien.<lb/>
Nein! nein! rief &#x017F;ie endlich, nicht ohne Koketterie ihre<lb/>
Locken wieder aus der Stirn &#x017F;chu&#x0364;ttelnd, was fragt<lb/>
ihr fremden Herren nach dem Ruf eines armen ro&#x0364;mi¬<lb/>
&#x017F;chen Ma&#x0364;dchens! Die Nachbaren wachen noch und<lb/>
alle Fen&#x017F;ter &#x017F;ehen im Mond&#x017F;chein wie gla&#x0364;nzende Augen<lb/>
her, gute Nacht! Hiermit warf &#x017F;ie noch unver&#x017F;ehens<lb/>
jedem einen fri&#x017F;chen Blumen&#x017F;trauß in's Ge&#x017F;icht, und<lb/>
&#x017F;chloß &#x017F;chnell das Fen&#x017F;ter.</p><lb/>
          <p>Wa&#x0364;hrenddeß waren zwei Frauenzimmer, dicht in<lb/>
&#x017F;eidene Ma&#x0364;ntel verhu&#x0364;llt, eilig u&#x0364;ber den Platz gegan¬<lb/>
gen. Fortunaten kam es vor, als ha&#x0364;tten &#x017F;ie ihn im<lb/>
Voru&#x0364;ber&#x017F;treifen &#x017F;charf und verwundert ange&#x017F;ehen. Er<lb/>
ho&#x0364;rte &#x017F;ie darauf lei&#x017F;e und eifrig mit einander &#x017F;prechen,<lb/>
die eine &#x017F;ah noch einmal zuru&#x0364;ck, dann waren beide<lb/>
&#x017F;chnell ver&#x017F;chwunden.</p><lb/>
          <p>O wie wunder&#x017F;cho&#x0364;n &#x017F;ie i&#x017F;t! rief Otto, noch immer<lb/>
nach dem Fen&#x017F;ter &#x017F;chauend, aus, und erza&#x0364;hlte nun be¬<lb/>
gei&#x017F;tert, wie er &#x017F;ein Liebchen auf einem la&#x0364;ndlichen Fe&#x017F;te<lb/>
zum er&#x017F;tenmale ge&#x017F;ehen, wie &#x017F;ie mit ihren armen<lb/>
Eltern eingezogen aber fro&#x0364;hlich lebe, wie &#x017F;ie von ihm<lb/>
Deut&#x017F;ch und er von ihr Poe&#x017F;ie lerne, weil ihre Gegen¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[217/0224] unterdeß auf einen Stein geſtellt, und reichte ſo bis an's Fenſter. Das Maͤdchen legte den ſchoͤnen Arm vertraulich um ſeinen Nacken, ſich hinausbeugend, daß ihre dunklen Locken aufgingen und den Freund von allen Seiten umgaben; dabei ſah ſie unverwandt For¬ tunaten an, dem ſie nicht recht zu trauen ſchien. Nein! nein! rief ſie endlich, nicht ohne Koketterie ihre Locken wieder aus der Stirn ſchuͤttelnd, was fragt ihr fremden Herren nach dem Ruf eines armen roͤmi¬ ſchen Maͤdchens! Die Nachbaren wachen noch und alle Fenſter ſehen im Mondſchein wie glaͤnzende Augen her, gute Nacht! Hiermit warf ſie noch unverſehens jedem einen friſchen Blumenſtrauß in's Geſicht, und ſchloß ſchnell das Fenſter. Waͤhrenddeß waren zwei Frauenzimmer, dicht in ſeidene Maͤntel verhuͤllt, eilig uͤber den Platz gegan¬ gen. Fortunaten kam es vor, als haͤtten ſie ihn im Voruͤberſtreifen ſcharf und verwundert angeſehen. Er hoͤrte ſie darauf leiſe und eifrig mit einander ſprechen, die eine ſah noch einmal zuruͤck, dann waren beide ſchnell verſchwunden. O wie wunderſchoͤn ſie iſt! rief Otto, noch immer nach dem Fenſter ſchauend, aus, und erzaͤhlte nun be¬ geiſtert, wie er ſein Liebchen auf einem laͤndlichen Feſte zum erſtenmale geſehen, wie ſie mit ihren armen Eltern eingezogen aber froͤhlich lebe, wie ſie von ihm Deutſch und er von ihr Poeſie lerne, weil ihre Gegen¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/224
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/224>, abgerufen am 29.03.2024.