Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

lich und räthselhaft, wie in Träumen. So waren sie
in eine hohe Kastanienallee gekommen, als Walter
plötzlich an einem zierlichen Gitterthor still hielt. Sie
schlafen noch alle, sagte er, wir wollen indeß hier in
den gräflichen Garten gehen, und die Erwachenden
überraschen.

Sie banden nun ihre Pferde an den Zaun, und
schwangen sich von den steinernen Sphinxen, die den
Eingang bewachten, über das Gitter in den Garten
hinein. Da war noch alles still und duftig, einzelne
Marmorbilder tauchten eben erst aus den lauen Wellen
der Nacht empor. Das alte finstere Schloß im Hin¬
tergrunde mit seinen dichtgeschlossenen Jalousien stand
wie eine Gewitterwolke über einem freundlichen Neben¬
gebäude, von dem man vor lauter Weinlaub fast nur
das rothe Ziegeldach sah. Unter den hohen Bäumen
vor dem letztern fanden sie einen Tisch und mehrere
Stühle, als wären sie eben erst von einer Gesellschaft
verlassen worden. -- Da hat sie schon wieder ihre
Guitarre draußen vergessen, sagte Walter kopfschüt¬
telnd. -- Wer denn? fragte Fortunat, -- die schöne
Amtmannstochter, von der du mir erzählt hast? --
Ja, Florentine, erwiederte Walter; das ist des Amt¬
manns Wohnung, und dort oben nach dem Garten
hinaus ihre Schlafstube. -- Du weißt hier gut Be¬
scheid, entgegnete Fortunat. -- Walter wurde roth und
schwieg verlegen. Fortunat aber ergriff ohne weiteres

2*

lich und raͤthſelhaft, wie in Traͤumen. So waren ſie
in eine hohe Kaſtanienallee gekommen, als Walter
ploͤtzlich an einem zierlichen Gitterthor ſtill hielt. Sie
ſchlafen noch alle, ſagte er, wir wollen indeß hier in
den graͤflichen Garten gehen, und die Erwachenden
uͤberraſchen.

Sie banden nun ihre Pferde an den Zaun, und
ſchwangen ſich von den ſteinernen Sphinxen, die den
Eingang bewachten, uͤber das Gitter in den Garten
hinein. Da war noch alles ſtill und duftig, einzelne
Marmorbilder tauchten eben erſt aus den lauen Wellen
der Nacht empor. Das alte finſtere Schloß im Hin¬
tergrunde mit ſeinen dichtgeſchloſſenen Jalouſien ſtand
wie eine Gewitterwolke uͤber einem freundlichen Neben¬
gebaͤude, von dem man vor lauter Weinlaub faſt nur
das rothe Ziegeldach ſah. Unter den hohen Baͤumen
vor dem letztern fanden ſie einen Tiſch und mehrere
Stuͤhle, als waͤren ſie eben erſt von einer Geſellſchaft
verlaſſen worden. — Da hat ſie ſchon wieder ihre
Guitarre draußen vergeſſen, ſagte Walter kopfſchuͤt¬
telnd. — Wer denn? fragte Fortunat, — die ſchoͤne
Amtmannstochter, von der du mir erzaͤhlt haſt? —
Ja, Florentine, erwiederte Walter; das iſt des Amt¬
manns Wohnung, und dort oben nach dem Garten
hinaus ihre Schlafſtube. — Du weißt hier gut Be¬
ſcheid, entgegnete Fortunat. — Walter wurde roth und
ſchwieg verlegen. Fortunat aber ergriff ohne weiteres

2*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0026" n="19"/>
lich und ra&#x0364;th&#x017F;elhaft, wie in Tra&#x0364;umen. So waren &#x017F;ie<lb/>
in eine hohe Ka&#x017F;tanienallee gekommen, als Walter<lb/>
plo&#x0364;tzlich an einem zierlichen Gitterthor &#x017F;till hielt. Sie<lb/>
&#x017F;chlafen noch alle, &#x017F;agte er, wir wollen indeß hier in<lb/>
den gra&#x0364;flichen Garten gehen, und die Erwachenden<lb/>
u&#x0364;berra&#x017F;chen.</p><lb/>
          <p>Sie banden nun ihre Pferde an den Zaun, und<lb/>
&#x017F;chwangen &#x017F;ich von den &#x017F;teinernen Sphinxen, die den<lb/>
Eingang bewachten, u&#x0364;ber das Gitter in den Garten<lb/>
hinein. Da war noch alles &#x017F;till und duftig, einzelne<lb/>
Marmorbilder tauchten eben er&#x017F;t aus den lauen Wellen<lb/>
der Nacht empor. Das alte fin&#x017F;tere Schloß im Hin¬<lb/>
tergrunde mit &#x017F;einen dichtge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Jalou&#x017F;ien &#x017F;tand<lb/>
wie eine Gewitterwolke u&#x0364;ber einem freundlichen Neben¬<lb/>
geba&#x0364;ude, von dem man vor lauter Weinlaub fa&#x017F;t nur<lb/>
das rothe Ziegeldach &#x017F;ah. Unter den hohen Ba&#x0364;umen<lb/>
vor dem letztern fanden &#x017F;ie einen Ti&#x017F;ch und mehrere<lb/>
Stu&#x0364;hle, als wa&#x0364;ren &#x017F;ie eben er&#x017F;t von einer Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
verla&#x017F;&#x017F;en worden. &#x2014; Da hat &#x017F;ie &#x017F;chon wieder ihre<lb/>
Guitarre draußen verge&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;agte Walter kopf&#x017F;chu&#x0364;<lb/>
telnd. &#x2014; Wer denn? fragte Fortunat, &#x2014; die &#x017F;cho&#x0364;ne<lb/>
Amtmannstochter, von der du mir erza&#x0364;hlt ha&#x017F;t? &#x2014;<lb/>
Ja, Florentine, erwiederte Walter; das i&#x017F;t des Amt¬<lb/>
manns Wohnung, und dort oben nach dem Garten<lb/>
hinaus ihre Schlaf&#x017F;tube. &#x2014; Du weißt hier gut Be¬<lb/>
&#x017F;cheid, entgegnete Fortunat. &#x2014; Walter wurde roth und<lb/>
&#x017F;chwieg verlegen. Fortunat aber ergriff ohne weiteres<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">2*<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0026] lich und raͤthſelhaft, wie in Traͤumen. So waren ſie in eine hohe Kaſtanienallee gekommen, als Walter ploͤtzlich an einem zierlichen Gitterthor ſtill hielt. Sie ſchlafen noch alle, ſagte er, wir wollen indeß hier in den graͤflichen Garten gehen, und die Erwachenden uͤberraſchen. Sie banden nun ihre Pferde an den Zaun, und ſchwangen ſich von den ſteinernen Sphinxen, die den Eingang bewachten, uͤber das Gitter in den Garten hinein. Da war noch alles ſtill und duftig, einzelne Marmorbilder tauchten eben erſt aus den lauen Wellen der Nacht empor. Das alte finſtere Schloß im Hin¬ tergrunde mit ſeinen dichtgeſchloſſenen Jalouſien ſtand wie eine Gewitterwolke uͤber einem freundlichen Neben¬ gebaͤude, von dem man vor lauter Weinlaub faſt nur das rothe Ziegeldach ſah. Unter den hohen Baͤumen vor dem letztern fanden ſie einen Tiſch und mehrere Stuͤhle, als waͤren ſie eben erſt von einer Geſellſchaft verlaſſen worden. — Da hat ſie ſchon wieder ihre Guitarre draußen vergeſſen, ſagte Walter kopfſchuͤt¬ telnd. — Wer denn? fragte Fortunat, — die ſchoͤne Amtmannstochter, von der du mir erzaͤhlt haſt? — Ja, Florentine, erwiederte Walter; das iſt des Amt¬ manns Wohnung, und dort oben nach dem Garten hinaus ihre Schlafſtube. — Du weißt hier gut Be¬ ſcheid, entgegnete Fortunat. — Walter wurde roth und ſchwieg verlegen. Fortunat aber ergriff ohne weiteres 2*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/26
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/26>, abgerufen am 24.04.2024.