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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

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net, rief er, du schönes Waldthal, in deiner glückseli¬
gen Abgeschiedenheit, möge der Sturm der Welt dich
nie verstören!


Sechstes Kapitel.

Ein schweres Gewitter zog eben an dem Gebirge
hin, und sandte seine Regenschauer in die Ebenen hin¬
aus, während Fortunat, durchnäßt und lange vom
Wege abgekommen, über ein weites, in Regen und
Abenddunkel verhülltes Feld dahin trabte. Da hörte
er unerwartet den Gesang einer schönen Männerstimme
von fern herüberschallen, wovon er nur folgende Worte
verstehen konnte:

Bei dem angenehmsten Wetter
Singen alle Vögelein,
Klatscht der Regen auf die Blätter,
Sing' ich so für mich allein.
Denn mein Aug' kann nichts entdecken;
Wenn der Blitz auch grausam glüht,
Was im Wandeln könnt' erschrecken
Ein zufriedenes Gemüth.

Er gab seinem Pferde die Sporen, und erreichte
in kurzer Zeit ein Häufchen Wanderer, die neben einem
Paar Pferde einherschritten, auf denen zwei junge
Frauenzimmer saßen. Mit freudiger Ueberraschung

net, rief er, du ſchoͤnes Waldthal, in deiner gluͤckſeli¬
gen Abgeſchiedenheit, moͤge der Sturm der Welt dich
nie verſtoͤren!


Sechstes Kapitel.

Ein ſchweres Gewitter zog eben an dem Gebirge
hin, und ſandte ſeine Regenſchauer in die Ebenen hin¬
aus, waͤhrend Fortunat, durchnaͤßt und lange vom
Wege abgekommen, uͤber ein weites, in Regen und
Abenddunkel verhuͤlltes Feld dahin trabte. Da hoͤrte
er unerwartet den Geſang einer ſchoͤnen Maͤnnerſtimme
von fern heruͤberſchallen, wovon er nur folgende Worte
verſtehen konnte:

Bei dem angenehmſten Wetter
Singen alle Voͤgelein,
Klatſcht der Regen auf die Blaͤtter,
Sing' ich ſo fuͤr mich allein.
Denn mein Aug' kann nichts entdecken;
Wenn der Blitz auch grauſam gluͤht,
Was im Wandeln koͤnnt' erſchrecken
Ein zufriedenes Gemuͤth.

Er gab ſeinem Pferde die Sporen, und erreichte
in kurzer Zeit ein Haͤufchen Wanderer, die neben einem
Paar Pferde einherſchritten, auf denen zwei junge
Frauenzimmer ſaßen. Mit freudiger Ueberraſchung

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[60/0067] net, rief er, du ſchoͤnes Waldthal, in deiner gluͤckſeli¬ gen Abgeſchiedenheit, moͤge der Sturm der Welt dich nie verſtoͤren! Sechstes Kapitel. Ein ſchweres Gewitter zog eben an dem Gebirge hin, und ſandte ſeine Regenſchauer in die Ebenen hin¬ aus, waͤhrend Fortunat, durchnaͤßt und lange vom Wege abgekommen, uͤber ein weites, in Regen und Abenddunkel verhuͤlltes Feld dahin trabte. Da hoͤrte er unerwartet den Geſang einer ſchoͤnen Maͤnnerſtimme von fern heruͤberſchallen, wovon er nur folgende Worte verſtehen konnte: Bei dem angenehmſten Wetter Singen alle Voͤgelein, Klatſcht der Regen auf die Blaͤtter, Sing' ich ſo fuͤr mich allein. Denn mein Aug' kann nichts entdecken; Wenn der Blitz auch grauſam gluͤht, Was im Wandeln koͤnnt' erſchrecken Ein zufriedenes Gemuͤth. Er gab ſeinem Pferde die Sporen, und erreichte in kurzer Zeit ein Haͤufchen Wanderer, die neben einem Paar Pferde einherſchritten, auf denen zwei junge Frauenzimmer ſaßen. Mit freudiger Ueberraſchung

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/67>, abgerufen am 29.03.2024.