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Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.

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Der Dichter.
Nichts auf Erden nenn' ich mein,
Als die Lieder meiner Laute,
Doch nenn' den, der freud'ger schaute
In die schöne Welt hinein!
Alles Lebens tiefste Schöne
Thun geheimnißvoll ja Töne
Nur dem frommen Sänger kund,
Und die Freude sagt kein Mund,
Die Gott wunderbar gelegt
In des Dichters Herzensgrund.
Wenn die Welt, so wild bewegt,
Aengstlich schaut nach ihren Rettern:
Ueber aller Nebel Wogen
Wölbt Er kühn den Friedensbogen,
Und, wie nach verzog'nen Wettern,
Rauscht die Erde wieder mild;
Alle Knospen Blüten treiben;
Und der Frühling ist sein Haus,
Und der Frühling geht nie aus. --
O du lieblich Frauenbild!
Willst Du bei dem Sänger bleiben? --
Blumen bind't ein streng Geschick:
Wenn die tausend Stimmen singen,
Alle Schmerzen, alles Glück
Ewig lautlos zu verschweigen.
Doch bei kühlem Mondenblick
Regt ihr stiller Geist die Schwingen,
Möcht' dem duft'gen Kelch entsteigen.
Der Dichter.
Nichts auf Erden nenn' ich mein,
Als die Lieder meiner Laute,
Doch nenn' den, der freud'ger ſchaute
In die ſchoͤne Welt hinein!
Alles Lebens tiefſte Schoͤne
Thun geheimnißvoll ja Toͤne
Nur dem frommen Saͤnger kund‚
Und die Freude ſagt kein Mund,
Die Gott wunderbar gelegt
In des Dichters Herzensgrund.
Wenn die Welt, ſo wild bewegt,
Aengſtlich ſchaut nach ihren Rettern:
Ueber aller Nebel Wogen
Woͤlbt Er kuͤhn den Friedensbogen‚
Und‚ wie nach verzog'nen Wettern,
Rauſcht die Erde wieder mild;
Alle Knospen Bluͤten treiben;
Und der Fruͤhling iſt ſein Haus‚
Und der Fruͤhling geht nie aus. —
O du lieblich Frauenbild!
Willſt Du bei dem Saͤnger bleiben? —
Blumen bind't ein ſtreng Geſchick:
Wenn die tauſend Stimmen ſingen‚
Alle Schmerzen, alles Gluͤck
Ewig lautlos zu verſchweigen.
Doch bei kuͤhlem Mondenblick
Regt ihr ſtiller Geiſt die Schwingen‚
Moͤcht' dem duft'gen Kelch entſteigen.
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[264/0282] Der Dichter. Nichts auf Erden nenn' ich mein, Als die Lieder meiner Laute, Doch nenn' den, der freud'ger ſchaute In die ſchoͤne Welt hinein! Alles Lebens tiefſte Schoͤne Thun geheimnißvoll ja Toͤne Nur dem frommen Saͤnger kund‚ Und die Freude ſagt kein Mund, Die Gott wunderbar gelegt In des Dichters Herzensgrund. Wenn die Welt, ſo wild bewegt, Aengſtlich ſchaut nach ihren Rettern: Ueber aller Nebel Wogen Woͤlbt Er kuͤhn den Friedensbogen‚ Und‚ wie nach verzog'nen Wettern, Rauſcht die Erde wieder mild; Alle Knospen Bluͤten treiben; Und der Fruͤhling iſt ſein Haus‚ Und der Fruͤhling geht nie aus. — O du lieblich Frauenbild! Willſt Du bei dem Saͤnger bleiben? — Blumen bind't ein ſtreng Geſchick: Wenn die tauſend Stimmen ſingen‚ Alle Schmerzen, alles Gluͤck Ewig lautlos zu verſchweigen. Doch bei kuͤhlem Mondenblick Regt ihr ſtiller Geiſt die Schwingen‚ Moͤcht' dem duft'gen Kelch entſteigen.

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/282>, abgerufen am 29.03.2024.