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Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.

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Bei einer Linde.
Seh' ich Dich wieder, Du geliebter Baum,
In dessen junge Triebe
Ich einst in jenes Frühlings schönstem Traum
Den Namen schnitt von meiner ersten Liebe?
Wie anders ist seitdem der Aeste Bug,
Verwachsen und verschwunden
Im härt'ren Stamm der vielgeliebte Zug,
Wie ihre Liebe und die schönen Stunden!
Auch ich seitdem wuchs stille fort, wie Du,
Und nichts an mir wollt' weilen,
Doch meine Wunde wuchs -- und wuchs nicht zu,
Und wird wohl niemals mehr hienieden heilen.

Bei einer Linde.
Seh' ich Dich wieder, Du geliebter Baum,
In deſſen junge Triebe
Ich einſt in jenes Fruͤhlings ſchoͤnſtem Traum
Den Namen ſchnitt von meiner erſten Liebe?
Wie anders iſt ſeitdem der Aeſte Bug,
Verwachſen und verſchwunden
Im haͤrt'ren Stamm der vielgeliebte Zug,
Wie ihre Liebe und die ſchoͤnen Stunden!
Auch ich ſeitdem wuchs ſtille fort, wie Du,
Und nichts an mir wollt' weilen,
Doch meine Wunde wuchs — und wuchs nicht zu,
Und wird wohl niemals mehr hienieden heilen.

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[277/0295] Bei einer Linde. Seh' ich Dich wieder, Du geliebter Baum, In deſſen junge Triebe Ich einſt in jenes Fruͤhlings ſchoͤnſtem Traum Den Namen ſchnitt von meiner erſten Liebe? Wie anders iſt ſeitdem der Aeſte Bug, Verwachſen und verſchwunden Im haͤrt'ren Stamm der vielgeliebte Zug, Wie ihre Liebe und die ſchoͤnen Stunden! Auch ich ſeitdem wuchs ſtille fort, wie Du, Und nichts an mir wollt' weilen, Doch meine Wunde wuchs — und wuchs nicht zu, Und wird wohl niemals mehr hienieden heilen.

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/295>, abgerufen am 30.03.2024.