Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
Jäger und Jägerin.

Sie.

Wär' ich ein muntres Hirschlein schlank,
Wollt' ich im grünen Walde geh'n,
Spazieren geh'n bei Hörnerklang,
Nach meinem Liebsten mich umseh'n.

Er.

Nach meiner Liebsten mich umseh'n
Thu' ich wohl, zieh' ich früh von hier,
Doch Sie mag niemals zu mir geh'n
Im dunkelgrünen Waldrevier.

Sie.

Im dunkelgrünen Waldrevier,
Da blitzt der Liebste rosenroth,
Gefällt so sehr dem armen Thier,
Das Hirschlein wünscht, es läge todt.

Er.

Und wär' das schöne Hirschlein todt,
So möcht' ich jagen länger nicht;
Scheint über'n Wald der Morgenroth:
Hüt' schönes Hirschlein, hüte dich!

Sie.

Hüt' schönes Hirschlein, hüte dich!
Spricht's Hirschlein selbst in seinem Sinn,
Wie soll ich, soll ich hüten mich,
Wenn ich so sehr verliebet bin?
Jaͤger und Jaͤgerin.

Sie.

Waͤr' ich ein muntres Hirſchlein ſchlank,
Wollt' ich im gruͤnen Walde geh'n,
Spazieren geh'n bei Hoͤrnerklang,
Nach meinem Liebſten mich umſeh'n.

Er.

Nach meiner Liebſten mich umſeh'n
Thu' ich wohl, zieh' ich fruͤh von hier,
Doch Sie mag niemals zu mir geh'n
Im dunkelgruͤnen Waldrevier.

Sie.

Im dunkelgruͤnen Waldrevier,
Da blitzt der Liebſte roſenroth,
Gefaͤllt ſo ſehr dem armen Thier,
Das Hirſchlein wuͤnſcht, es laͤge todt.

Er.

Und waͤr' das ſchoͤne Hirſchlein todt,
So moͤcht' ich jagen laͤnger nicht;
Scheint uͤber'n Wald der Morgenroth:
Huͤt' ſchoͤnes Hirſchlein, huͤte dich!

Sie.

Huͤt' ſchoͤnes Hirſchlein, huͤte dich!
Spricht's Hirſchlein ſelbſt in ſeinem Sinn,
Wie ſoll ich, ſoll ich huͤten mich,
Wenn ich ſo ſehr verliebet bin?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0433" n="415"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Ja&#x0364;ger und Ja&#x0364;gerin.</hi><lb/>
          </head>
          <p><hi rendition="#g">Sie</hi>.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l><hi rendition="#in">W</hi>a&#x0364;r' ich ein muntres Hir&#x017F;chlein &#x017F;chlank,</l><lb/>
            <l>Wollt' ich im gru&#x0364;nen Walde geh'n,</l><lb/>
            <l>Spazieren geh'n bei Ho&#x0364;rnerklang,</l><lb/>
            <l>Nach meinem Lieb&#x017F;ten mich um&#x017F;eh'n.</l><lb/>
          </lg>
          <p><hi rendition="#g">Er</hi>.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Nach meiner Lieb&#x017F;ten mich um&#x017F;eh'n</l><lb/>
            <l>Thu' ich wohl, zieh' ich fru&#x0364;h von hier,</l><lb/>
            <l>Doch Sie mag niemals zu mir geh'n</l><lb/>
            <l>Im dunkelgru&#x0364;nen Waldrevier.</l><lb/>
          </lg>
          <p><hi rendition="#g">Sie</hi>.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Im dunkelgru&#x0364;nen Waldrevier,</l><lb/>
            <l>Da blitzt der Lieb&#x017F;te ro&#x017F;enroth,</l><lb/>
            <l>Gefa&#x0364;llt &#x017F;o &#x017F;ehr dem armen Thier,</l><lb/>
            <l>Das Hir&#x017F;chlein wu&#x0364;n&#x017F;cht, es la&#x0364;ge todt.</l><lb/>
          </lg>
          <p><hi rendition="#g">Er</hi>.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Und wa&#x0364;r' das &#x017F;cho&#x0364;ne Hir&#x017F;chlein todt,</l><lb/>
            <l>So mo&#x0364;cht' ich jagen la&#x0364;nger nicht;</l><lb/>
            <l>Scheint u&#x0364;ber'n Wald der Morgenroth:</l><lb/>
            <l>Hu&#x0364;t' &#x017F;cho&#x0364;nes Hir&#x017F;chlein, hu&#x0364;te dich!</l><lb/>
          </lg>
          <p><hi rendition="#g">Sie</hi>.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Hu&#x0364;t' &#x017F;cho&#x0364;nes Hir&#x017F;chlein, hu&#x0364;te dich!</l><lb/>
            <l>Spricht's Hir&#x017F;chlein &#x017F;elb&#x017F;t in &#x017F;einem Sinn,</l><lb/>
            <l>Wie &#x017F;oll ich, &#x017F;oll ich hu&#x0364;ten mich,</l><lb/>
            <l>Wenn ich &#x017F;o &#x017F;ehr verliebet bin?</l><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[415/0433] Jaͤger und Jaͤgerin. Sie. Waͤr' ich ein muntres Hirſchlein ſchlank, Wollt' ich im gruͤnen Walde geh'n, Spazieren geh'n bei Hoͤrnerklang, Nach meinem Liebſten mich umſeh'n. Er. Nach meiner Liebſten mich umſeh'n Thu' ich wohl, zieh' ich fruͤh von hier, Doch Sie mag niemals zu mir geh'n Im dunkelgruͤnen Waldrevier. Sie. Im dunkelgruͤnen Waldrevier, Da blitzt der Liebſte roſenroth, Gefaͤllt ſo ſehr dem armen Thier, Das Hirſchlein wuͤnſcht, es laͤge todt. Er. Und waͤr' das ſchoͤne Hirſchlein todt, So moͤcht' ich jagen laͤnger nicht; Scheint uͤber'n Wald der Morgenroth: Huͤt' ſchoͤnes Hirſchlein, huͤte dich! Sie. Huͤt' ſchoͤnes Hirſchlein, huͤte dich! Spricht's Hirſchlein ſelbſt in ſeinem Sinn, Wie ſoll ich, ſoll ich huͤten mich, Wenn ich ſo ſehr verliebet bin?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/433
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/433>, abgerufen am 28.03.2024.