Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
Sind's Nachtigallen
Wieder, was ruft,
Lerchen, die schallen
Aus warmer Luft?
Ich hör' die Lieder,
Fern, ohne dich,
Lenz ists wohl wieder
Doch nicht für mich.
VI.
Wolken, Wälderwärts gegangen,
Wolken, fliegend über's Haus,
Könnt' ich an euch fest mich hangen,
Mit euch fliegen weit hinaus!
Taglang durch die Wälder schweif' ich,
Voll Gedanken sitz' ich still,
In die Saiten flüchtig greif' ich,
Wieder dann auf einmal still.
Schöne, rührende Geschichten
Fallen ein mir, wo ich steh,
Lustig muß ich schreiben, dichten,
Ist mir selber gleich so weh.
Manches Lied, das ich geschrieben
Wohl vor manchem langen Jahr,
Da die Welt vom treuen Lieben
Schön mir überglänzet war.
Sind's Nachtigallen
Wieder, was ruft,
Lerchen, die ſchallen
Aus warmer Luft?
Ich hoͤr' die Lieder,
Fern, ohne dich,
Lenz iſts wohl wieder
Doch nicht fuͤr mich.
VI.
Wolken, Waͤlderwaͤrts gegangen,
Wolken, fliegend uͤber's Haus,
Koͤnnt' ich an euch feſt mich hangen,
Mit euch fliegen weit hinaus!
Taglang durch die Waͤlder ſchweif' ich,
Voll Gedanken ſitz' ich ſtill,
In die Saiten fluͤchtig greif' ich,
Wieder dann auf einmal ſtill.
Schoͤne, ruͤhrende Geſchichten
Fallen ein mir, wo ich ſteh,
Luſtig muß ich ſchreiben, dichten,
Iſt mir ſelber gleich ſo weh.
Manches Lied, das ich geſchrieben
Wohl vor manchem langen Jahr,
Da die Welt vom treuen Lieben
Schoͤn mir uͤberglaͤnzet war.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0047" n="29"/>
              <lg n="2">
                <l>Sind's Nachtigallen</l><lb/>
                <l>Wieder, was ruft,</l><lb/>
                <l>Lerchen, die &#x017F;challen</l><lb/>
                <l>Aus warmer Luft?</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="3">
                <l>Ich ho&#x0364;r' die Lieder,</l><lb/>
                <l>Fern, ohne dich,</l><lb/>
                <l>Lenz i&#x017F;ts wohl wieder</l><lb/>
                <l>Doch nicht fu&#x0364;r mich.</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#aq">VI</hi>.<lb/></head>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l>Wolken, Wa&#x0364;lderwa&#x0364;rts gegangen,</l><lb/>
                <l>Wolken, fliegend u&#x0364;ber's Haus,</l><lb/>
                <l>Ko&#x0364;nnt' ich an euch fe&#x017F;t mich hangen,</l><lb/>
                <l>Mit euch fliegen weit hinaus!</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="2">
                <l>Taglang durch die Wa&#x0364;lder &#x017F;chweif' ich,</l><lb/>
                <l>Voll Gedanken &#x017F;itz' ich &#x017F;till,</l><lb/>
                <l>In die Saiten flu&#x0364;chtig greif' ich,</l><lb/>
                <l>Wieder dann auf einmal &#x017F;till.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="3">
                <l>Scho&#x0364;ne, ru&#x0364;hrende Ge&#x017F;chichten</l><lb/>
                <l>Fallen ein mir, wo ich &#x017F;teh,</l><lb/>
                <l>Lu&#x017F;tig muß ich &#x017F;chreiben, dichten,</l><lb/>
                <l>I&#x017F;t mir &#x017F;elber gleich &#x017F;o weh.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="4">
                <l>Manches Lied, das ich ge&#x017F;chrieben</l><lb/>
                <l>Wohl vor manchem langen Jahr,</l><lb/>
                <l>Da die Welt vom treuen Lieben</l><lb/>
                <l>Scho&#x0364;n mir u&#x0364;bergla&#x0364;nzet war.</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0047] Sind's Nachtigallen Wieder, was ruft, Lerchen, die ſchallen Aus warmer Luft? Ich hoͤr' die Lieder, Fern, ohne dich, Lenz iſts wohl wieder Doch nicht fuͤr mich. VI. Wolken, Waͤlderwaͤrts gegangen, Wolken, fliegend uͤber's Haus, Koͤnnt' ich an euch feſt mich hangen, Mit euch fliegen weit hinaus! Taglang durch die Waͤlder ſchweif' ich, Voll Gedanken ſitz' ich ſtill, In die Saiten fluͤchtig greif' ich, Wieder dann auf einmal ſtill. Schoͤne, ruͤhrende Geſchichten Fallen ein mir, wo ich ſteh, Luſtig muß ich ſchreiben, dichten, Iſt mir ſelber gleich ſo weh. Manches Lied, das ich geſchrieben Wohl vor manchem langen Jahr, Da die Welt vom treuen Lieben Schoͤn mir uͤberglaͤnzet war.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/47
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/47>, abgerufen am 25.04.2024.