Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
Der armen Schönheit Lebenslauf.
Die arme Schönheit irrt auf Erden,
So lieblich Wetter draußen ist,
Möcht' gern recht viel gesehen werden,
Weil jeder sie so freundlich grüßt.
Und wer die arme Schönheit schauet,
Sich wie auf großes Glück besinnt,
Die Seele fühlt sich recht erbauet,
Wie wenn der Frühling neu beginnt.
Da sieht sie viele schöne Knaben,
Die reiten unten durch den Wind,
Möcht' manchen gern im Arme haben,
Hüt' Dich, hüt' Dich, Du armes Kind!
Da zieh'n manch' redliche Gesellen,
Die sagen: Hast nicht Geld, noch Haus,
Wir fürchten Deine Augen helle,
Wir haben nichts zum Hochzeitschmaus.
Von andern thut sie sich wegdrehen,
Weil keiner ihr so wohl gefällt,
Die müssen traurig weitergehen,
Und zögen gern an's End' der Welt.
Da sagt sie: Was hilft mir mein Sehen,
Ich wünscht', ich wäre lieber blind,
Da alle furchtsam von mir gehen,
Weil gar so schön mein' Augen sind. --
Der armen Schoͤnheit Lebenslauf.
Die arme Schoͤnheit irrt auf Erden,
So lieblich Wetter draußen iſt,
Moͤcht' gern recht viel geſehen werden,
Weil jeder ſie ſo freundlich gruͤßt.
Und wer die arme Schoͤnheit ſchauet,
Sich wie auf großes Gluͤck beſinnt,
Die Seele fuͤhlt ſich recht erbauet,
Wie wenn der Fruͤhling neu beginnt.
Da ſieht ſie viele ſchoͤne Knaben,
Die reiten unten durch den Wind,
Moͤcht' manchen gern im Arme haben,
Huͤt' Dich, huͤt' Dich, Du armes Kind!
Da zieh'n manch' redliche Geſellen,
Die ſagen: Haſt nicht Geld, noch Haus,
Wir fuͤrchten Deine Augen helle,
Wir haben nichts zum Hochzeitſchmaus.
Von andern thut ſie ſich wegdrehen,
Weil keiner ihr ſo wohl gefaͤllt,
Die muͤſſen traurig weitergehen,
Und zoͤgen gern an's End' der Welt.
Da ſagt ſie: Was hilft mir mein Sehen,
Ich wuͤnſcht', ich waͤre lieber blind,
Da alle furchtſam von mir gehen,
Weil gar ſo ſchoͤn mein' Augen ſind. —
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0490" n="472"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Der armen Scho&#x0364;nheit Lebenslauf.</hi><lb/>
          </head>
          <lg type="poem">
            <l><hi rendition="#in">D</hi>ie arme Scho&#x0364;nheit irrt auf Erden,</l><lb/>
            <l>So lieblich Wetter draußen i&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Mo&#x0364;cht' gern recht viel ge&#x017F;ehen werden,</l><lb/>
            <l>Weil jeder &#x017F;ie &#x017F;o freundlich gru&#x0364;ßt.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Und wer die arme Scho&#x0364;nheit &#x017F;chauet,</l><lb/>
            <l>Sich wie auf großes Glu&#x0364;ck be&#x017F;innt,</l><lb/>
            <l>Die Seele fu&#x0364;hlt &#x017F;ich recht erbauet,</l><lb/>
            <l>Wie wenn der Fru&#x0364;hling neu beginnt.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Da &#x017F;ieht &#x017F;ie viele &#x017F;cho&#x0364;ne Knaben,</l><lb/>
            <l>Die reiten unten durch den Wind,</l><lb/>
            <l>Mo&#x0364;cht' manchen gern im Arme haben,</l><lb/>
            <l>Hu&#x0364;t' Dich, hu&#x0364;t' Dich, Du armes Kind!</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Da zieh'n manch' redliche Ge&#x017F;ellen,</l><lb/>
            <l>Die &#x017F;agen: Ha&#x017F;t nicht Geld, noch Haus,</l><lb/>
            <l>Wir fu&#x0364;rchten Deine Augen helle,</l><lb/>
            <l>Wir haben nichts zum Hochzeit&#x017F;chmaus.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Von andern thut &#x017F;ie &#x017F;ich wegdrehen,</l><lb/>
            <l>Weil keiner ihr &#x017F;o wohl gefa&#x0364;llt,</l><lb/>
            <l>Die mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en traurig weitergehen,</l><lb/>
            <l>Und zo&#x0364;gen gern an's End' der Welt.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Da &#x017F;agt &#x017F;ie: Was hilft mir mein Sehen,</l><lb/>
            <l>Ich wu&#x0364;n&#x017F;cht', ich wa&#x0364;re lieber blind,</l><lb/>
            <l>Da alle furcht&#x017F;am von mir gehen,</l><lb/>
            <l>Weil gar &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n mein' Augen &#x017F;ind. &#x2014;</l><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[472/0490] Der armen Schoͤnheit Lebenslauf. Die arme Schoͤnheit irrt auf Erden, So lieblich Wetter draußen iſt, Moͤcht' gern recht viel geſehen werden, Weil jeder ſie ſo freundlich gruͤßt. Und wer die arme Schoͤnheit ſchauet, Sich wie auf großes Gluͤck beſinnt, Die Seele fuͤhlt ſich recht erbauet, Wie wenn der Fruͤhling neu beginnt. Da ſieht ſie viele ſchoͤne Knaben, Die reiten unten durch den Wind, Moͤcht' manchen gern im Arme haben, Huͤt' Dich, huͤt' Dich, Du armes Kind! Da zieh'n manch' redliche Geſellen, Die ſagen: Haſt nicht Geld, noch Haus, Wir fuͤrchten Deine Augen helle, Wir haben nichts zum Hochzeitſchmaus. Von andern thut ſie ſich wegdrehen, Weil keiner ihr ſo wohl gefaͤllt, Die muͤſſen traurig weitergehen, Und zoͤgen gern an's End' der Welt. Da ſagt ſie: Was hilft mir mein Sehen, Ich wuͤnſcht', ich waͤre lieber blind, Da alle furchtſam von mir gehen, Weil gar ſo ſchoͤn mein' Augen ſind. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/490
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/490>, abgerufen am 24.04.2024.