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Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.

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Sonnette.
I.
So viele Quellen von den Bergen rauschen,
Die brechen zornig aus der Felsenhalle,
Die andern plaudern in melod'schem Falle
Mit Nymphen, die im Grün vertraulich lauschen
Doch wie sie irrend auch die Bahn vertauschen,
Sie treffen endlich doch zusammen alle,
Ein Strom, mit brüderlicher Wogen Schwalle
Erfrischend durch das schöne Land zu rauschen.
An Burgen, die vom Felsen einsam grollen,
Aus Waldesdunkel zwischen Rebenhügeln
Vorübergleitend in die duft'ge Ferne,
Entwandelt er zum Meer, dem wundervollen,
Wo träumend sich die seel'gen Inseln spiegeln
Und auf den Fluthen ruh'n die ew'gen Sterne.
II.
So eitel künstlich haben sie verwoben
Die Kunst, die selber sie nicht gläubig achten,
Und Sünde so in diese Unschuld brachten.
Wer unterscheidet, was noch stammt von oben?
Doch wer mag würdig jene Reinen loben,
Die in der Zeit hochmüth'gem Trieb und Trachten
Die heil'ge Flamme treu in sich bewachten,
Aus der die alte Schönheit neu erhoben!
Sonnette.
I.
So viele Quellen von den Bergen rauſchen,
Die brechen zornig aus der Felſenhalle,
Die andern plaudern in melod'ſchem Falle
Mit Nymphen, die im Gruͤn vertraulich lauſchen
Doch wie ſie irrend auch die Bahn vertauſchen,
Sie treffen endlich doch zuſammen alle,
Ein Strom, mit bruͤderlicher Wogen Schwalle
Erfriſchend durch das ſchoͤne Land zu rauſchen.
An Burgen, die vom Felſen einſam grollen,
Aus Waldesdunkel zwiſchen Rebenhuͤgeln
Voruͤbergleitend in die duft'ge Ferne,
Entwandelt er zum Meer, dem wundervollen,
Wo traͤumend ſich die ſeel'gen Inſeln ſpiegeln
Und auf den Fluthen ruh'n die ew'gen Sterne.
II.
So eitel kuͤnſtlich haben ſie verwoben
Die Kunſt, die ſelber ſie nicht glaͤubig achten,
Und Suͤnde ſo in dieſe Unſchuld brachten.
Wer unterſcheidet, was noch ſtammt von oben?
Doch wer mag wuͤrdig jene Reinen loben,
Die in der Zeit hochmuͤth'gem Trieb und Trachten
Die heil'ge Flamme treu in ſich bewachten,
Aus der die alte Schoͤnheit neu erhoben!
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[66/0084] Sonnette. I. So viele Quellen von den Bergen rauſchen, Die brechen zornig aus der Felſenhalle, Die andern plaudern in melod'ſchem Falle Mit Nymphen, die im Gruͤn vertraulich lauſchen Doch wie ſie irrend auch die Bahn vertauſchen, Sie treffen endlich doch zuſammen alle, Ein Strom, mit bruͤderlicher Wogen Schwalle Erfriſchend durch das ſchoͤne Land zu rauſchen. An Burgen, die vom Felſen einſam grollen, Aus Waldesdunkel zwiſchen Rebenhuͤgeln Voruͤbergleitend in die duft'ge Ferne, Entwandelt er zum Meer, dem wundervollen, Wo traͤumend ſich die ſeel'gen Inſeln ſpiegeln Und auf den Fluthen ruh'n die ew'gen Sterne. II. So eitel kuͤnſtlich haben ſie verwoben Die Kunſt, die ſelber ſie nicht glaͤubig achten, Und Suͤnde ſo in dieſe Unſchuld brachten. Wer unterſcheidet, was noch ſtammt von oben? Doch wer mag wuͤrdig jene Reinen loben, Die in der Zeit hochmuͤth'gem Trieb und Trachten Die heil'ge Flamme treu in ſich bewachten, Aus der die alte Schoͤnheit neu erhoben!

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/84>, abgerufen am 25.04.2024.