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Eichendorff, Joseph von: Die Glücksritter. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 87–159. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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in voller Reisetracht: knappe blaue Beinkleider mit rothem Paß und eine grüne ungarische Jacke mit gelben Schnüren und blinkenden Knöpfchen nachlässig über die Schulter geworfen, ein ehemaliger Soldat, der nun als Puppenspieler und starker Mann mit den Kindern durchs Land zog.

Horch, sagte er, da krähen Hähne in weiter Ferne nach jener Seite hin, die Luft kommt von drüben, da muß ein Dorf sein, der Wald liegt hoch, besteig einmal den Tannenbaum, Seppi, und sieh dich um. Der Bub reckte und dehnte sich mit beiden Armen in die ungewisse Luft und schüttelte die Locken aus der Stirn, dann kletterte er schnell in den höchsten Wipfel hinauf. Nach einem Weilchen rief er herab: Da unten ist noch Alles nachtkühl und still, es liegt Alles durcheinander im tiefen Grund, da haben sie wieder ein Dorf verbrannt. -- Ja, ja, versetzte der Vater, der große Schnitter Krieg mäht uns tapfer voran, man hört seine Sense bei Tag und bei Nacht klirren durch's Land, wir geringen Leut' haben die Nachlese auf den Stoppeln. Siehst du sonst nichts? -- In der Ferne ein schönes Schloß überm Wald, die Fenster glitzern herüber. -- Raucht der Schornstein? -- Ja, kerzengerad aus den Wipfeln. -- Gut, versetzte der Vater, so komm nur wieder herunter, da wollen wir hin. -- Aber im Herabsteigen zögernd rief der Bursch noch einmal: Ach, aber da drüben, da liegt das ganze Thal schon im Sonnenschein, jetzt blitzen drunten Hellebarden aus den

in voller Reisetracht: knappe blaue Beinkleider mit rothem Paß und eine grüne ungarische Jacke mit gelben Schnüren und blinkenden Knöpfchen nachlässig über die Schulter geworfen, ein ehemaliger Soldat, der nun als Puppenspieler und starker Mann mit den Kindern durchs Land zog.

Horch, sagte er, da krähen Hähne in weiter Ferne nach jener Seite hin, die Luft kommt von drüben, da muß ein Dorf sein, der Wald liegt hoch, besteig einmal den Tannenbaum, Seppi, und sieh dich um. Der Bub reckte und dehnte sich mit beiden Armen in die ungewisse Luft und schüttelte die Locken aus der Stirn, dann kletterte er schnell in den höchsten Wipfel hinauf. Nach einem Weilchen rief er herab: Da unten ist noch Alles nachtkühl und still, es liegt Alles durcheinander im tiefen Grund, da haben sie wieder ein Dorf verbrannt. — Ja, ja, versetzte der Vater, der große Schnitter Krieg mäht uns tapfer voran, man hört seine Sense bei Tag und bei Nacht klirren durch's Land, wir geringen Leut' haben die Nachlese auf den Stoppeln. Siehst du sonst nichts? — In der Ferne ein schönes Schloß überm Wald, die Fenster glitzern herüber. — Raucht der Schornstein? — Ja, kerzengerad aus den Wipfeln. — Gut, versetzte der Vater, so komm nur wieder herunter, da wollen wir hin. — Aber im Herabsteigen zögernd rief der Bursch noch einmal: Ach, aber da drüben, da liegt das ganze Thal schon im Sonnenschein, jetzt blitzen drunten Hellebarden aus den

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[0037] in voller Reisetracht: knappe blaue Beinkleider mit rothem Paß und eine grüne ungarische Jacke mit gelben Schnüren und blinkenden Knöpfchen nachlässig über die Schulter geworfen, ein ehemaliger Soldat, der nun als Puppenspieler und starker Mann mit den Kindern durchs Land zog. Horch, sagte er, da krähen Hähne in weiter Ferne nach jener Seite hin, die Luft kommt von drüben, da muß ein Dorf sein, der Wald liegt hoch, besteig einmal den Tannenbaum, Seppi, und sieh dich um. Der Bub reckte und dehnte sich mit beiden Armen in die ungewisse Luft und schüttelte die Locken aus der Stirn, dann kletterte er schnell in den höchsten Wipfel hinauf. Nach einem Weilchen rief er herab: Da unten ist noch Alles nachtkühl und still, es liegt Alles durcheinander im tiefen Grund, da haben sie wieder ein Dorf verbrannt. — Ja, ja, versetzte der Vater, der große Schnitter Krieg mäht uns tapfer voran, man hört seine Sense bei Tag und bei Nacht klirren durch's Land, wir geringen Leut' haben die Nachlese auf den Stoppeln. Siehst du sonst nichts? — In der Ferne ein schönes Schloß überm Wald, die Fenster glitzern herüber. — Raucht der Schornstein? — Ja, kerzengerad aus den Wipfeln. — Gut, versetzte der Vater, so komm nur wieder herunter, da wollen wir hin. — Aber im Herabsteigen zögernd rief der Bursch noch einmal: Ach, aber da drüben, da liegt das ganze Thal schon im Sonnenschein, jetzt blitzen drunten Hellebarden aus den

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T14:27:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T14:27:42Z)

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Die Glücksritter. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 87–159. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gluecksritter_1910/37>, abgerufen am 24.04.2024.