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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

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Wie hat die Sonne schön geschienen!
Nun ist so alt und schwach die Zeit;
Wie steh'st so jung Du unter ihnen,
Wie wird mein Herz mir stark und weit!
Der Dichter kann nicht mit verarmen;
Wenn Alles um ihn her zerfällt,
Hebt ihn ein göttliches Erbarmen --
Der Dichter ist das Herz der Welt.
Den blöden Willen aller Wesen,
Im Irdischen des Herren Spur,
Soll er durch Liebeskraft erlösen,
Der schöne Liebling der Natur.
D'rum hat ihm Gott das Wort gegeben,
Das kühn das Dunkelste benennt,
Den frommen Ernst im reichen Leben,
Die Freudigkeit, die Keiner kennt.
Da soll er singen frei auf Erden,
In Lust und Noth auf Gott vertrau'n,
Daß aller Herzen freier werden,
Erathmend in die Klänge schau'n.
Der Ehre sei er recht zum Horte,
Der Schande leucht' er ins Gesicht!
Viel Wunderkraft ist in dem Worte,
Das hell aus reinem Herzen bricht.
Wie hat die Sonne ſchoͤn geſchienen!
Nun iſt ſo alt und ſchwach die Zeit;
Wie ſteh'ſt ſo jung Du unter ihnen,
Wie wird mein Herz mir ſtark und weit!
Der Dichter kann nicht mit verarmen;
Wenn Alles um ihn her zerfaͤllt,
Hebt ihn ein goͤttliches Erbarmen —
Der Dichter iſt das Herz der Welt.
Den bloͤden Willen aller Weſen,
Im Irdiſchen des Herren Spur,
Soll er durch Liebeskraft erloͤſen,
Der ſchoͤne Liebling der Natur.
D'rum hat ihm Gott das Wort gegeben,
Das kuͤhn das Dunkelſte benennt,
Den frommen Ernſt im reichen Leben,
Die Freudigkeit, die Keiner kennt.
Da ſoll er ſingen frei auf Erden,
In Luſt und Noth auf Gott vertrau'n,
Daß aller Herzen freier werden,
Erathmend in die Klaͤnge ſchau'n.
Der Ehre ſei er recht zum Horte,
Der Schande leucht' er ins Geſicht!
Viel Wunderkraft iſt in dem Worte,
Das hell aus reinem Herzen bricht.
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[277/0287] Wie hat die Sonne ſchoͤn geſchienen! Nun iſt ſo alt und ſchwach die Zeit; Wie ſteh'ſt ſo jung Du unter ihnen, Wie wird mein Herz mir ſtark und weit! Der Dichter kann nicht mit verarmen; Wenn Alles um ihn her zerfaͤllt, Hebt ihn ein goͤttliches Erbarmen — Der Dichter iſt das Herz der Welt. Den bloͤden Willen aller Weſen, Im Irdiſchen des Herren Spur, Soll er durch Liebeskraft erloͤſen, Der ſchoͤne Liebling der Natur. D'rum hat ihm Gott das Wort gegeben, Das kuͤhn das Dunkelſte benennt, Den frommen Ernſt im reichen Leben, Die Freudigkeit, die Keiner kennt. Da ſoll er ſingen frei auf Erden, In Luſt und Noth auf Gott vertrau'n, Daß aller Herzen freier werden, Erathmend in die Klaͤnge ſchau'n. Der Ehre ſei er recht zum Horte, Der Schande leucht' er ins Geſicht! Viel Wunderkraft iſt in dem Worte, Das hell aus reinem Herzen bricht.

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/287>, abgerufen am 29.03.2024.